Stefan Krempl und Andreas Wilkens auf heise online:
Mit den Stimmen von Schwarz-Gelb und der Grünen hat der Bundestag Donnerstagnacht den umstrittenen Regierungsentwurf zur Änderung des Urheberrechts verabschiedet, mit der die Schutzdauer für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller von 50 auf 70 Jahre erweitert werden soll. Diese Regelung wird etwa für jene gelten, die beim einspielen eines Albums beteiligt sind. Genauso lang soll künftig aber auch der Schutz der Urheberrechte von Komponisten und Textern währen. Die SPD enthielt sich bei der Abstimmung, die Linke votierte dagegen.
[..]Eine Aussprache im Plenum fand angesichts der vorgerückten Stunde kurz vor Mitternacht nicht mehr statt, die vorgesehenen Reden gingen nur zu Protokoll.
Interessant, dass die Grünen dafür gestimmt haben.
John Weitzmann schrieb seinerzeit bei iRights.info über den EU-Beschluss, der hier umgesetzt wurde:
Unter Mitwirkung der Bundesregierung wurde 2011 auf EU-Ebene gegen den Rat unabhängiger Experten, im Schnellverfahren und diktiert durch Lobbyisten der Musikindustrie, ein Beschluss zur Verlängerung der Schutzdauer der Leistungsschutzrechte an Tonaufnahmen gefasst. Er bewirkt eine Umverteilung zulasten der Bürger Europas, zum Nutzen von genau drei internationalen Im Konzernen.
Im August 2012 schrieb ich über die rückwirkende Verlängerung:
Falls sich jemand fragt, was das bedeutet: Unter anderem wird auf diese Weise verhindert, dass zum Beispiel die ersten populären Klassikaufnahmen, also Tonaufnahmen bereits gemeinfreier Werke, ebenfalls gemeinfrei werden.
[..]
Diese Entwicklung zeigt auch noch einmal sehr deutlich, wie unfähig die hiesige kreative Elite ist, auch nur im Ansatz zu erfassen, was im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Rechte geschieht.
Und im Oktober 2012 schrieb ich unter der Überschrift „Der Kulturskandal der rückwirkenden Verlängerungen von Schutzfristen„:
Als 1998 in den USA der Disney-Konzern den Copyright Term Extension Act mit Lobbymuskeln durchboxte, um nicht die Rechte an Mickey Mouse und co. zu verlieren, veröffentlichten 16 renommierte Ökonomen ein Schreiben, in dem sie sich gegen die rückwirkende Verlängerung der Schutzfristen aussprachen, weil diese ökonomisch überhaupt keinen Sinn ergibt.
Der berühmte Ökonom Milton Friedman, Verfechter eines freien Marktes und Nobelpreisträger in Ökonomie, unterschrieb das Schreiben nur unter der Bedingung, dass das Wort “no-brainer” darin vorkommt.
Dass man überhaupt erklären muss, warum die Ablehnung einer rückwirkenden Schutzfristverlängerung ein no-brainer ist, zeigt, wie stark radikalisiert unsere Gesellschaft in Urheberrechtsthemen mittlerweile ist.
[..]
Die rückwirkende Verlängerung führt lediglich dazu, dass der Schutz von Tonaufnahmen nicht ausläuft. Sie hält die Zugangsbeschränkung aufrecht. Ohne Grund.
Leistungsschutzrechte sind wie das Urheberrecht gesellschaftliche Kompromisse. Mehr Schutz für den einen bedeutet weniger Freiheit für den anderen.
Uns wird gerade als Gesellschaft Kultur weggenommen, ohne dass wir etwas im Gegenzug dafür erhalten.
Zu dieser schleichenden Privatisierung und Monopolisierung der Kultur, für die es keinerlei Rechtfertigungsgründe gibt, hat es im Plenum nicht einmal eine Diskussion gegeben. (Natürlich, auf EU-Ebene war es bereits abgeschlossen. Wer aber glaubt, Deutschland habe bei diesem Thema auf EU-Ebene keine gewichtige Stimme, ist schief gewickelt.)
Gleichzeitig entblöden sich deutsche Kreativschaffende nicht, immer wieder für Kampagnen ihr Unwissen zu Urheberrechtsthemen der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen.
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