Auf der CES hat Netflix-CEO Reed Hastings die weltweite Expansion in weitere 130 Länder bekanntgegeben. Netflix ist nun, wie vor einem Jahr angekündigt, in 190 Ländern verfügbar; es fehlen lediglich noch China, Krim, Nord-Korea und Syrien. Zumindest China dürfte, auch trotz politischer Hürden, nur eine Frage der Zeit sein.
“You are witnessing the birth of a global TV network,” Reed Hastings, Netflix’s chief executive, said during a keynote address at International CES, the consumer electronics show in Las Vegas.
Netflix investiert weiter massiv in Eigenproduktionen, um sich von den US-TV-Sendern und Hollywood-Studios unabhängiger zu machen.
Keine dieser Eigenproduktionen werden lokalen TV-Sendern zur Lizenzierung zur Verfügung stehen. Die Lizenzierung der ersten Eigenproduktionen, wie etwa House of Cards an Sky, sind Übergangsphänomene gewesen. Denn Netflix war zu dieser Zeit noch ohne internationale Strukturen und Präsenzen.
Amazon’s Prime Instant Video verfolgt eine sehr ähnliche Strategie. Mit Erfolg: Beide produzieren einen großen Teil der aktuell populärsten TV-Serien.
Langsam aber sicher dürfte die (kaum aufhaltbare) Gefahr, die von Netflix auf die private deutsche TV-Landschaft zukommt, sichtbar werden.
2013 beschrieb ich das langfristige Szenario für den deutschen TV-Markt, der bei fiktionalen Inhalten fast ausschließlich von lokalisierten US-Produktionen abhängt:
Was wenn Netflix, Amazon Instant Video, Watchever und co. zu den bevorzugten internationalen Lizenzpartnern für das US-TV werden?
Die Streamingdienste sind nicht nur in der Regel ebenso US-Unternehmen, was die Verhandlungen erleichtert. Noch wichtiger sind die strukturellen Unterschiede zwischen On-Demand-Streaming und linearem Fernsehen.
Je größer die Streamingangebote werden, desto eher werden sie die Anlaufstelle für die US-Lizenzgeber werden. Ein Amazon oder ein Netflix, dass eine Serie, sagen wir, in den 40 wichtigsten internationalen Märkten (in der Originalsprache sofort und etwas später lokalisiert) verfügbar machen kann, wird zunehmend attraktiver werden als TV-Sender, die immer nur für einzelne Märkte Lizenzen erwerben. Skaleneffekte, Transaktionskosten und die höhere Benutzerfreundlichkeit gegenüber dem linearen TV tun dann ihr Übriges.
Vergrößern wir die Zahl von 40 auf 190 Länder, also auf eine wirklich globale Verfügbarkeit und werfen wir exklusive Eigenproduktionen zusätzlich in den Ring:
Es kommen harte Zeiten auf die deutschen TV-Sender zu.
Netflix will 2016 fünf Milliarden US-Dollar für Eigenproduktionen ausgeben.
Die Bandbreite der Eigenproduktionen nimmt zu; wenn auch weiterhin ohne deutsche Inhalte. Bloomberg:
The service will in 2016 debut its first talk show, a movie starring Brad Pitt, reboots of bygone hits “Full House” and “Degrassi” and the first offerings in French and Italian. It also has exclusive rights to releases from Walt Disney Co. starting this year. New programs will join blockbusters including “House of Cards” and “Orange Is the New Black.”
Netflix dürfte aktuell weltweit bei ca. 74 Millionen Abonnenten liegen.
aidnography says
Naja. Ich verfolge Netflix in mehreren Ländern und wäre etwas zurueckhaltender mit den Siegeszug Nachrichten. Zum einen kommt Netflix bisher an wenige Archive ran-es fällt schon auf, dass es fast keine Filme aus den 30er Jahren bis in die 2000er gibt-mit Ausnahme einiger ‚Kultfilme‘ oder ‚Kultserien‘. Es fehlen also irgendwie 70 Jahre Filmgeschichte von Hollywood bis hin zu Indie-Produktionen oder lokalisierten Inhalten die oft vom ÖR dominiert wurden vor den Zeiten des Privatfernsehens. Zum anderen halten sich die lokalen Fernsehsender noch ganz gut, denn so ohne weiteres gibt es nicht sofort alle Simpsons, oder How I Met Your Mother oder Two and A Half Men Staffeln mit denen Pro7Sat1Kabel das Programm in Dauerschleife bestueckt. Und zum Dritten noch ein Wort: Sport. Wer an globale Ligen und Ereignisse rankommt der wird das Fernsehen tatsächlich revolutionieren-bisher gibt es keine US-Ligen, keine Premierleague und keine Olympischen Spiele EXKLUSIV online. Und da eben alle auf ’neue Serien‘ setzen wird das in Zukunft auch nicht reichen. Netflix ist cool, fuer mich unverzichtbar, aber noch immer ein Nischenprodukt und wird das auch noch längere Zeit bleiben.
Lukas Leander Rosenstock says
Spannend ist nicht nur wie sich das auf TV-Sender auswirkt sondern auch ob es einen Markt für mehrere Streaming-Anbieter mit ähnlichem Angebot gibt, ob der Markt fragmentiert bleibt (und man am besten mehrere Abos braucht) oder ob es am Ende winner-takes-all für Netflix bleibt. Derzeit habe ich den Eindruck dass man z.B. in Deutschland abgesehen von Netflix-Eigenproduktionen bei anderen Anbietern wie z.B. Maxdome ein größeres Angebot hat.
Marcel Weiss says
Sport ist das einzige Argument -neben dem fehlenden Breitbandausbau in Dtl.-, das ich gegen Netflix gelten lasse. Aber Sport kann als Livegeschichte gut im linearen Fernsehen bleiben, während alles was ’scripted‘ ist, in den Streamingsektor abwandern kann. Das wird lange Zeit parallel laufen können. Die exklusiven Eigenproduktionen dienen vor allem dazu, Netflix als parallele Option zu etablieren, ist das passiert, hat Netflix bereits gewonnen. Nicht nur, weil sie dann bereits ihr Geld von den Abonnenten erhalten, sondern auch, weil sie als die bequemere Alternative das lineare Fernsehen automatisch nach und nach verdrängen.
Man darf das auch nicht losgelöst betrachten und muss Netflix als Avantgarde eines Systemwechsels sehen, zu dem auch Apple TV und Amazon Prime Instant Video zählen z.B.
Da gibt es eine Verschiebung des gesamten Stacks.
Ich sehe daneben, dass es zwar schade ist, dass Netflix alte Produktionen fehlen, aber ich sehe nicht, wie so ein Backkatalog ein Hygienfaktor sein könnte. Sprich, du überschätzt hier die Bedeutung (Ausmaß der Nachfrage) nach diesen Filmen und Serien.
Marcel Weiss says
Maxdome fehlt der internationale Fußabdruck. Das wird es ihnen zunehmend schwer machen. Völlig irrelevant, wie gut ihr lokales Angebot inhalteseitig *heute* ist. Entscheidend sind die Aussichten. (Davon abgesehen: Wie gut sind ihre Apps? Sind sie auf allen großen Plattformen vertreten? Oder anders: Sind die Entwickler so gut und mit so vielen Ressourcen ausgestattet wie ihre Kollegen bei Netflix?)
Marcel Weiss says
Davon abgesehen wird der TV-Markt kein winner-takes-all-Markt sein. Das liegt in der Natur der Sache und bereits in der Existenz der sehr unterschiedlich ausgerichteten Angebote von Netflix und Amazon, die hervorragend friedlich koexistieren können. Mehr Dienste wird es auch geben (YouTube Red, evtl. HBO, etc.)