Wenig ist überraschender als die nun verkündete Abschaffung der Nutzungsgebühr für WhatsApp von ca. (nach Land verschieden) knapp einem Euro pro Jahr.
Viele amüsierten sich über den geringen jährlichen Betrag, der nun auch noch abgeschafft wird. Macht das überhaupt einen Unterschied? Ja. Tatsächlich bringt selbst der geringste Betrag noch Reibung mit sich und dürfte der größte Hinderungsgrund für die weitere Verbreitung von WhatsApp gewesen, das aktuell auf 990 Millionen Nutzer kommt.
Die in der Regel 89 Cent pro Jahr halten das Nutzer-Wachstum zurück. Das ist der erste Punkt, der gegen die Nutzungsgebühr spricht. Denn alles was Nutzer von einem Netzwerk fernhält, verringert den Nutzen des Netzwerkes, der bekanntlich steigt, je mehr Menschen in diesem sind. (Der mittlerweile allseits bekannte Netzwerkeffekt.)
Der zweite Punkt liegt in den künftigen Erlösströmen versteckt, die stattdessen erschlossen werden sollen.
dpa hat WhatsApp-CEO Jan Koum interviewt (via heise)), worin Koum ebenfalls wie im offiziellen Blogpost die künftigen Erlösströme anspricht:
Nun wollen Sie aber zum Geldverdienen in der Kommunikation zwischen Firmen und Verbrauchern mitmischen. Das ist auch der Plan für den Messenger. Kommen sie sich dann ins Gehege?
Nicht unbedingt. In diesem Markt könnte die gleiche Logik gelten wie im Verbraucher-Bereich. Uns wurde am Anfang auch gesagt, wer braucht schon WhatsApp, wo es doch die SMS und bereits andere Messaging-Dienste gibt. Aber Nuancen entscheiden, zum Beispiel, dass wir die Telefon-Nummer zur Identifizierung nutzen. Der Facebook Messenger baut auf der Facebook-Plattform auf, wir darauf, wie WhatsApp funktioniert.
Und die Idee ist, dass Unternehmen Geld dafür bezahlen, auf der WhatsApp-Plattform präsent zu sein?
Am Ende ja.
Es ist interessant, dass nun zwei Facebook-Produkte, Messenger und Whatsapp, nicht nur ähnlich vom Ausgangspunkt sind (kostenfreie Messaging-Apps, im Gegensatz zu Koums Aussage integriert Messenger auch die Telefonnummer) sondern auch eine ähnliche Strategie verfolgen werden. Messenger erreicht mittlerweile 800 Millionen User, Whatsapp geht auf eine Milliarde zu. Beide bewegen sich also auch in der gleichen Größenordnung; allerdings nicht in den gleichen Märkten. Whatsapp ist vor allem auch ein Kommunikationskanal in Entwicklungsländern. Hier stellt sich auch die Frage, wie eine App wachsen soll, wenn die Nutzer gar nicht in der Lage sind, für sie zu bezahlen (weil ihnen selbst ein US-Dollar pro Jahr zu viel wäre oder, wichtiger, weil sie gar kein Bankkonto haben, um online etwas bezahlen zu können).
Stattdessen auf die Integration von B2C-Kommunikation zu setzen und mittelfristig Unternehmen dafür bezahlen zu lassen, ist ein sinnvoller, und längst überfälliger, Schritt.
Beide, Messenger wie WhatsApp, orientieren sich damit an der chinesischen Messaging-App WeChat, die längst erfolgreich eine gigantische Plattform geworden ist. WeChat dürfte auch der Augenöffner für Zalando gewesen sein, das sich aktuell zu einer Plattform mit vielen mobilen Apps und anderen Integrationen wandelt.
WeChat in einer Nussschale (Artikel von 2014):
Downloading the app is free, and WeChat has only just begun to experiment with advertising revenue, so where then does its ARPU magic lie? (Especially when one remembers the difficulty of monetizing other universal, utilitarian services like email.) The short answer is that it offers more functionality. Along with its basic communication features, WeChat users in China can access services to hail a taxi, order food delivery, buy movie tickets, play casual games, check in for a flight, send money to friends, access fitness tracker data, book a doctor appointment, get banking statements, pay the water bill, find geo-targeted coupons, recognize music, search for a book at the local library, meet strangers around you, follow celebrity news, read magazine articles, and even donate to charity … all in a single, integrated app.
Hier liegt auch der zweite Punkt, warum dieser längst überfällige Schwenk für WhatsApp nur positives verspricht: Während WhatsApp mit seinem bisherigen Modell maximal um die 89 Cent pro Jahr pro Nutzer einnahm, lag der gleiche Wert 2014 bei WeChat bei 7 US-Dollar.
Zusammengefasst heißt das also: WhatsApp hat bis jetzt auf ein Erlösmodell gesetzt, welches das Nutzerwachstum der App zurückgehalten hat und weit unter dem Erlöspotential lag, das mit Messaging erzielt werden kann. Selbst wenn WhatsApp nicht an die 7 US-Dollar pro User herankommt, die WeChat erreicht, was wahrscheinlich ist dank der besonderen Position von WeChat in einem besonderen Umfeld, wird WhatsApp ohne Probleme mehr als 89 Cent pro User im Schnitt erwirtschaften können.
Wie bereits gesagt: Die Abschaffung der Nutzungsgebühr durch WhatsApp war wenig überraschend und längst überfällig.
Lukas Leander Rosenstock says
Aus Sicht von WhatsApp/Facebook ist das genau der richtige Schritt. Es ist aber schade mal wieder ein Beispiel dafür zu sehen dass Paid-Modelle für Social im Consumer-Bereich (Stichwort app.net) nicht gut funktionieren.
Glaubst du, dass Facebook Messenger und WhatsApp irgendwann ihre Netze zusammen schalten und man dann zwischen beidem kommunizieren kann?!
Marcel Weiss says
Interessante Frage. Kann ich mir heute vorstellen. Aber wir wissen auch nicht, in welche Richtungen sich Messenger und WhatsApp in den nächsten Jahren entwickeln werden. Vielleicht ergibt es dann keinen Sinn mehr. Ich sehe aber aktuell nicht, was der Grund sein könnte.
Also lange Rede kurzer Sinn: Ich sehe aktuell nichts, was dagegen sprechen würde.