Citroëns Ami kommt dem kleinen Pod, das einer der Nachfolger der heutigen, zu großen Autos sein wird, bereits recht nahe. Das Auto, wie wir es kennen, entbündelt sich weiter.
Warum es wichtig ist: Da wo die meisten Kunden sind, werden die Mobility-Plattformen der Zukunft entstehen. Das hat auch Auswirkungen auf die Autoformen.
Das besonders auf günstig getrimmte Ami wird 6.900 Euro kosten. Golem:
Der Citroen AMI ist ein kleines Elektroauto für die Stadt. Es bietet zwei Personen Platz, fährt 45 km/h, ist 2,41 Meter lang, 1,39 Meter breit und 1,52 Meter hoch. Wer damit fahren will, muss in Deutschland nur einen Moped-Führerschein (AM-Klasse) besitzen. Das Auto wurde vor ungefähr einem Jahr als Konzeptfahrzeug vorgestellt.
Die Reichweite des eingebauten Lithium-Ionen-Akkus mit 5,5 kWh liegt bei rund 70 km. Geladen wird das Fahrzeug an normalen Haushaltssteckdosen in ungefähr drei Stunden. Das Ladekabel ist in die Beifahrertür eingebaut.
https://www.youtube.com/watch?v=74VfCw1FE2s&feature=youtu.be
Es ist ein klar auf den Zweitwagenmarkt schielendes Gefährt. Gleichzeitig werden sich der Ami und vergleichbare Vehikel auch für den Carsharing/Services-Markt anbieten.
Besonders die Leasing-Modalitäten zeigen, wo die Reise hingeht:
Citroën bietet den AMI für 6.900 Euro zum Kauf oder zur monatlichen Miete von rund 20 Euro an, wobei eine Sonderzahlung von 2.644 Euro erforderlich ist. Im Sharing-Betrieb bei Free2Move soll der AMI für 26 Cent pro Minute zur Verfügung stehen. Citroën sieht das AMI One als Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Fahrrädern, Rollern und Kickrollern.
Es wird nicht lang dauern, und die ersten Miniauto-Anbieter werden Leasing zu kleinen Monatspreisen und ohne vergleichsweise hohe Sonderzahlung anbieten. Miniauto-Leasing als Kundeneinstieg in die eigene (reichhaltigere) Mobility-Welt.
Man sollte das nicht unterschätzen. Was Citroën hier macht, ist weitaus wichtiger als fast alles, was die deutschen Hersteller bis jetzt in Sachen E-Mobilität heute machen.
Ich hatte letzten November in „Warum die höhere Kaufprämie für E-Autos ein Eigentor für die deutsche Automobilbranche werden könnte“ über Miniautos geschrieben:
Man stelle sich beispielsweise etwa Ein/Zwei-Personen-Pods in der Größenordnung von Smarts oder Citroens Ami One vor, die für 2.000 bis 3.000 Euro Endpreis dank Prämie unter anderem(!) den Zweitwagenmarkt „ruinieren“. Und eine Marktstufe höher gut(!) ausgestattete elektrische Erstwagen für um die 10.000€ dank Prämie…
Der E-Automarkt -und damit also der gesamte künftige Automarkt- wird am unteren Marktende entschieden, also auch am Preis. Hohe Prämien öffnen den deutschen Heimatmarkt massivst für Angreifer von unten, die damit ihre Margen sichern können. (Die deutschen Hersteller stecken dabei längst in der hochpreisigen SUV-Falle fest. (Am schlimmsten sieht es bei BMW aus.))
Wenn die E-Auto-Prämie 1/5 oder mehr(!) des Preises senkt, dann ändert das alles. Wenn es dagegen nur ein 1/10 des Preises ausmacht (deutsches E-SUV), dann ist die Wirkung für Kunden & Anbieter nicht mehr so hoch.
(siehe auch „Die deutsche Automobilbranche in der SUV-Falle“ von Anfang 2019)
Citroën Ami ist jetzt die erste Generation. Entscheidend ist immer die Frage, wo die zweite und dritte Generation stehen wird.
Die Bedrohung vom unteren Ende des Marktes geht dabei gar nicht primär vom klassischen Verkaufsmarkt aus, sondern von der Services-Seite, die in Form von Plattformen alles aufsaugen kann.
Es gibt 4 Dynamiken, die man verinnerlichen muss:
- Plattformen werden mächtig dank großem Endkundenstamm.
- Diese Endkundenseite erzeugt einen Nachfragesog, der es Plattformen ermöglicht, Branchenpartnern -sprich also den Lieferanten der Plattformen- die Bedingungen zu diktieren.
- Plattformen halten ihre Positionen, indem sie es den Endkunden ermöglichen, möglichst reibungsfrei -bequem, vielfältig etc.- die jeweiligen Aufgaben zu erfüllen, die mit der Plattform X erledigt werden.
- Im Mobility-Sektor heißt das künftig konkret: Multimodalität als Möglichkeit bei Route und Plattform; und Abonnement-Elemente.
Es stellt sich also zum einen die Frage, wo die großen Kundenzahlen entstehen, die die Grundlage für künftige Plattformen bilden.
Ich schrieb in Nexus 7 anlässlich des Endes von Oply, warum Carsharing als Stand-Alone quasi kaum Sinn ergibt:
Ich hatte bereits auf Linkedin eine erste Einschätzung geschrieben:
Ich war schon immer skeptisch, was das Geschäftsmodell des kleinteiligen Carsharing angeht. Von allen On-Demand-Modellen im Mobility-Sektor ergibt Carsharing am wenigsten Sinn. Autos sind -breaking news- teuer. Die Unit economics sind hier im Vergleich schlecht. Das ergibt maximal Sinn im Services-Mix von Automarken, und selbst da zweifelhaft.
Oply ist nur ein weiteres Beispiel, dass diese These zu untermauern scheint.
Wenn Scooter- und Bikesharing-Startups mit ihren Unit Economics zu kämpfen haben, wie ’schlimm‘ muss es da um Carsharing-Anbieter stehen?
Mehr noch: Wie viel vom Carsharing-Markt wird von Scootern & E-Bikes von unten abgesaugt? Und für Investoren wichtig: Wie viel mehr vom Markt wird von diesen Angreifern von unten in zwei, drei Jahren abgesaugt worden sein, wenn sich da unten immer mehr Vehikel-Arten hinzugesellen?
Und weiter: Wer wird die Mobilityplattform der Zukunft aufbauen: Der Carsharing-Anbieter mit X Fahrten am Tag in der Region Y oder der Scooter/Bikesharing-Anbieter mit X hoch 10 Fahrten in Region Y? Die Fahrten bei letzterem werden immer im Durchschnitt kürzer sein, aber das ist nicht der Punkt.
Kundenkontakt gewinnt im Plattformmarkt & da wird der stand-alone Carsharing-Anbieter immer verlieren.
Oply selbst spricht von für Carsharing guten Kennzahlen:
Für Finanzierungen im Carsharing ist es aktuell ein schlechtes Timing. Wegen der Hiobsbotschaften und Negativ-Schlagzeilen sind Investoren in diesem Segment zur Zeit extrem vorsichtig. Auch unser starkes Wachstum und die übertroffenen Kennzahlen konnten leider nicht überzeugen.
Aber man beachte auch die anderen Zahlen: 500 Fahrzeuge und 60.000 Kunden. Welche Zukunftsaussichten hat ein Mobility-Anbieter mit solchen Zahlen? Er kann langfristig nur relativ kommodifiziert auf einer Mulitmodalität abbildenden und damit aggregierenden Plattform wie Uber, Google Maps oder Jelbi etc. stattfinden.
Plattformen saugen die Aktivitäten ihrer Branchen auf. Das ist mittlerweile bei vielen angekommen. Das Ausmaß dieses Sogs wird aber noch unterschätzt. Wie erzeugt man diesen Sog? Über Nachfrage, den Sauerstoff, den jedes Unternehmen braucht. Wie erzeugt man diese Nachfrage? Über ein Angebot, dass initial zu häufigem, möglichst regelmäßigen Kundenkontakt führt.
Es ist völlig ausgeschlossen, das mit 500 Autos zu erreichen, die immer wieder zur Ausgangsecke zurückkehren müssen. Es sind zu wenige Berührungspunkte für die Kunden und es sind, in diesem Fall, zu wenige potenzielle Einsatzzwecke.
Oply muss deshalb kein schlechtes Geschäftsmodell sein. Es kann durchaus stimmen, dass Oplys Kennzahlen für den Carsharing-Sektor sehr gut aussahen. Aber dieser Vergleichspunkt ist bereits das Problem: Wie sinnvoll ist es, sich allein mit anderen Carsharing-Anbietern zu vergleichen? Für die Endkunden konkurriert das Carsharing mit E-Scootern, E-Bikes im On-Demand und mit dem eigenen Auto und dem eigenen Bike und dem ÖPNV und dem Taxi (und in Berlin noch mit Berlkönig, siehe unten). Manchmal ergibt der Vergleich wenig Sinn, manchmal sind die Alternativen 1:1 austauschbar, je nach Strecke und Anlass.
Besonders Micromobility macht Carsharing zu schaffen. Günstigere Vehikel bedeuten mehr potenzielle Berührungspunkte für Endkunden. Mehr Strecken, mehr Nutzung, und, am Ende des Tage, die bessere Chance, eine Multimodalitätsplattform zu werden. Deshalb sind Uber und Lyft, die das ebenfalls werden wollen, schnell in diesen Sektor gesprungen.
Sorry für den langen Auszug.
Hier noch einmal der entscheidende Satz:
„Kundenkontakt gewinnt im Plattformmarkt & da wird der stand-alone Carsharing-Anbieter immer verlieren.“
Die ähnliche Aussicht gilt für Anbieter, die, zum Beispiel E-Roller wie Coup anbieten. Die Bosch-Tochter schmiss Ende letzten Jahres das Handtuch. Jetzt greift der der deutsche E-Scooter-Anbieter Tier bei den Assets zu. T3N:
E-Moped-Anbieter Coup hatte schon im November aufgegeben. Tier, gestärkt mit einem frischen 100-Millionen-US-Dollar Investment, macht sich jetzt über die Reste her – und hat sich 5.000 elektrische Mopeds und die Ladeinfrastruktur von Coup einverleibt. Ab Mai will Tier die neuen Roller wieder auf die Straße bringen – unter dem eigenen Markennamen.
Coup hat zunehmend offensichtlich unter dem Druck der zahlenmässigen Überlegenheit von E-Scootern und E-Bikes keinen Sinn als Stand-Alone-Angebot gemacht.
Gleichzeitig ergeben die Elektroroller von Coup als weitere Option bei Tier viel Sinn. Gleichzeitig aber wiederum ist es offensichtlich, dass E-Scooter-Anbieter noch stärker diversifizieren werden (müssen) und dafür, zum Beispiel, auch Zugang zu einer Ladeinfrastruktur hilfreich sein kann.
Hier kommen Miniautos/Pods wie Citroën Ami wieder in’s Spiel:
- Sie sind eine weitere offensichtliche Hardwareoption nach oben für Mobility-Plattformen: E-Scooter ganz unten, danach E-Bikes, dann Moped-artige E-Roller wie jene von Coup und danach geschlossene Pods bzw. Miniautos in Form von Citroën AMI und co.
- Im Gegensatz zu ‚größeren‘ Autos sind diese Miniautos günstiger im Betrieb und in der Anschaffung.
- Günstiger heißt auch: Es können mehr angeschafft werden.
- Mehr Vehikel = mehr Flächenabdeckung = mehr Kunden
Mehr Kunden = größere Wahrscheinlichkeit auf Plattformerfolg.
Diese kleinen Pods, für die in Deutschland sogar nur ein Mopedführerschein reicht, sind eine relativ attraktive weitere Diversifizierungsmöglichkeit.
Für die Mobility-Plattformen gibt es hier klare Skaleneffekte in Form von Netzwerkeffekten.
Für Miniauto-Hersteller wie Citroën entstehen nachgelagert dadurch klassische Skaleneffekte in der Herstellung, weil sie neben der Nachfrage bei den Endkunden die großen Mobility-Plattformen als Flottenkunden bekommen.
Die nächsten Pods/Miniautos werden also nicht nur hoffentlich etwas sexier aussehen, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch günstiger sein als der Ami.
Willkommen in der neuen Mobility-Welt.
Die großen Autohersteller werden gleichzeitig auf kurze Frist weiter gutes Geschäft mit SUVs machen. Vor allem weil die Marge dank des hohen Verkaufspreises so attraktiv ist.
Aus dem gleichen Grund sind SUVs strategisch relativ irrelevant.
Oder anders gesagt: SUVs sind insofern strategisch relevant, als dass sie organisatorisch die Unternehmen von marktgestalterischen Initiativen abhalten und sie die Unternehmen damit in das klassische Disruptions-Dilemma schubsen.
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