Andreas Knie, Professor für Soziologie an der TU Berlin, im Interview mit dem Freitag:
Im Moment wird der öffentliche Raum durch private Stehzeuge enteignet …
… was soll das sein, ein Stehzeug?
Ein Fahrzeug, das herumsteht, bis sein Eigentümer auf die Idee kommt, es mal wieder zu bewegen. Gehen Sie davon aus, dass es 850.000 Blechkutschen zu viel gibt in Berlin.
Wie kommen Sie darauf?
Wir haben rund 1,3 Millionen Autos in der Stadt. Tatsächlich könnten wir die Transportleistung dieser Million auch mit 350.000 Autos schaffen. Das heißt, es stehen Hunderttausende Autos nutzlos in der Gegend herum. Stellen Sie sich mal vor, wie viel Platz die wegnehmen! Das meine ich mit Okkupierung öffentlichen Raums durch Privateigentum.
Warum ist es so schwer, vom Auto loszukommen?
Weil das Auto ein staatlich garantiertes Versprechen für ein gutes Leben war. Und deshalb ein dichtes rechtliches Gestrüpp dafür sorgt, dass der Besitzstand Limousine abgesichert wird. Das Steuerrecht, das Straßenrecht und die Straßenbaupolitik waren im Wortsinne bahnbrechend für das Auto. Ergebnis: Wir haben massenhaft Autos, weil der Kfz-Halter der Privilegierte unter den Bürgern ist. Wir leben, so gesehen, noch wie in den 1950er oder 1960er Jahren.
Andreas Knie hat eine gute Art, aufzuzeigen, wie eingeschränkt wir aufgrund unserer Alltagserfahrung unseren aktuellen Gebrauch von Automobilen wahrnehmen.
Das notwendige Umdenken, notwendig nicht nur für Umwelt und Lebensqualität sondern auch für den Wirtschaftsstandort, wird der Autonation Deutschland sehr schwer fallen.
Wenig überraschend hinken auch hier die deutschen Massenmedien den internationalen Entwicklungen und der damit rasch näher kommenden fundamentalen Veränderung hinterher.
(In meiner persönlichen Erfahrung sind etwa Redakteure deutscher Zeitungen sehr viel konservativer was die Einschätzungen zur Entwicklung der Automobilnutzung angeht als diejenigen, die in der betroffenen Branche arbeiten. Go figure.)