Christian Stöcker auf Spiegel Online:
Wenn derzeit also über die vermeintlich allzu große Freiheit im Internet diskutiert wird, darf man eines nicht aus den Augen verlieren: Es gibt eben doch einen zentralen Unterschied zwischen der realen Welt und der digitalen. Im Netz ist absolute Rechtsdurchsetzung möglich. Aber ist sie wünschenswert? In der realen Welt müsste man, um Ähnliches zu erreichen, nicht nur alle Straßen und öffentlichen Plätze, sondern auch alle Privatwohnungen permanent videoüberwachen und die gesammelten Daten von automatisierten Systemen zur Gesichts- und Verhaltenserkennung auswerten lassen. Autos müssten mit GPS-Trackern ausgestattet werden, die Standort, Richtung und Geschwindigkeit jedes Fahrzeugs ständig protokollieren. Bei jeder festgestellten Straftat oder Ordnungswidrigkeit könnte dann automatisiert ein Strafzettel oder gleich ein Haftbefehl ausgestellt werden, den nur noch ein Richter unterschreiben müsste. In so einer Welt würde wohl kaum noch jemand bei Rot über die Ampel gehen, Geschwindigkeitsbeschränkungen würden höchstwahrscheinlich endlich eingehalten. Die Frage ist, ob wir in einer solchen Welt leben wollen.
Wie ich bereits seit längerem schreibe: Die lückenlose Durchsetzung des Urheberrechts im Internet ist möglich. Der Preis dafür ist allerdings jede Form von Privatsphäre im Digitalen.
Das Problem dabei: Weil Menschen in der Vernetzung miteinander Tätigkeiten auf vormals industriellem Niveau vollführen können, also auf einem Niveau, das Geschäftsmodelle direkt berührt, muss die Durchsetzung lückenlos sein, um effektiv sein zu können.
Das ist die Debatte, die eigentlich geführt werden müsste, aber nicht geführt wird. Was wollen wir? Und welchen Preis sind wir bereit zu zahlen?
Siehe dazu auch: Was ist uns wichtiger? Die Disneys dieser Welt oder unsere private Kommunikation?