16. Mai 2019 Lesezeit: 2 Min.

AliExpress und die Frage, was eigentlich mit Europa passiert, wenn der Onlinehandel global wird

Wish hat als mobiler Marktplatz erstaunliche Marktanteile aufgebaut mit dem simplen Ansatz, chinesische Verkäufer direkt auf westliche Märkte zu bringen, und damit für Schlagzeilen in den Branchenmedien gesorgt. AliExpress, Alibabas internationaler Arm, nimmt ebenfalls an Fahrt auf.

Diese Marktplätze sind die internationale Ladenfläche der chinesischen Wirtschaft.

Jochen Krisch auf Exciting Commerce:

In den letzten 5 Jahren haben sich die Umsätze von AliExpress & Co. verzehnfacht. Sie liegen allerdings immer noch erst bei gut 5% der Gesamtumsätze von 56,1 Mrd. Dollar bzw. bei unter 10% des Marktplatzgeschäfts[...]

Solange Alibaba Lazada noch zum Marktplatz umbaut, gibt es keine aktuellen GMV-Zahlen. Die 10 Mrd. Marke hat AliExpress erstmals 2016 geknackt[...]

Bekannt sind hingegen die Zahl der aktiven Nutzer. Diese haben sich Alibaba zufolge bei AliExpress & Co. seit 2016 von 60 Millionen über 90 Millionen (2017) auf 120 Millionen verdoppelt.

Spannend ist der Vergleich von AliExpress mit Wish, das im letzten Jahr bereits auf Umsätze von 1,9 Mrd. Dollar gekommen ist.

Wish und AliExpress machen's sich einfach: Sie ersetzen im Alleingang gleich mehrere Stufen der internationalen Wertschöpfungskette im Handel und können dadurch Preise verlangen, bei denen europäischen Konsumenten die Ohren schlackern. Mit niedrigen Preisen kann man immer Leute locken und hier müssen dafür nicht einmal mit temporären Rabatten vorübergehend Margen geopfert werden. Der Margenwegfall findet woanders in der Branche statt..

Wish und AliExpress kämpfen lediglich mit langen Lieferzeiten, aber das spielt überraschend keine so große Rolle, wenn die Produkte eben für einen Bruchteil als bei den europäischen Konkurrenten angeboten werden können.

Hinzu kommt, dass Wish, AliExpress und co. Logistikstrukturen aufbauen und ausbauen, um eben diese Lieferzeiten zu verringern. Die Einkommensströme sind offensichtlich: Verkäufer, die vom Marktplatzanbieter bereitgestellte absatzmarktnahe Lagerflächen nutzen, werden künftig besser gerankt und mehr Umsatz machen.

Das klassische Marktplatzservices-Geschäft, gebündelt mit dem algorithmengetriebenen Absatz, wie man es ähnlich von Amazon kennt.

Die große Frage hier bleibt nur, welche Rolle Marken und Hersteller künftig einnehmen werden. (Sprich: Wann werden chinesische Marken hierzulande als begehrt gehandelt?)

Eine noch größere Frage treibt mich seit längerem um: Was passiert auf den europäischen Märkten, wenn die Belt and Road Initiative (beziehungsweise One Belt One Road (OBOR)) Früchte trägt?

Egal unter welchem Namen: China wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit Infrastrukturprogrammen global geopolitisch Gewicht aufbauen, um Einfluss zu nehmen und die eigene Wirtschaft zu stärken. Um das Offensichtlichste aufzuschreiben, auch wenn es schmerzt: Diese Infrastruktur wird den Güteraustausch sehr viel einfacher, also schneller, günstiger, effizienter machen.1

Sprich, das kommt auch vor allem den Marktplätzen zu gute, die chinesische Produkte auf Märkte weltweit bringen.

Bei jeder Produktkategorie, bei der heute auf der Rückseite "Made in China" aufgedruckt ist, wird der lokale Handel dann künftig kaum noch eine Rolle spielen, wenn er nicht einen ähnlichen Direktansatz etabliert.

Aber wie weit kann das gehen? Welche Dynamik wird das annehmen?

Meine Vermutung ist, dass das trotz aller bereits heute öffentlich vorgetragenen Sorgen eine weitaus größere Dynamik annehmen wird als die meisten vermuten.

Denn OBOR wird oft ohne den Brandbeschleuniger Internet gedacht. OBOR + leicht skalierende Handelsplattformen, vulgo Marktplätze, ist Wirtschaftsdynamit.

Oder noch einmal anders, um die Gewichtung der beiden Aspekte des globalen Handels deutlich zu machen:

Während viele Angst vor den Folgen von OBOR haben, die sich irgendwann in vielen, vielen Jahren manifestieren werden, bauen dAlibaba, Wish, JD und, ja, auch Amazon Logistikstrukturen auf, die vieles davon bereits morgen ermöglichen werden. Sie werden mit OBOR dann nur noch weiter verstärkt und beschleunigt.


  1. Was schlecht für den hiesigen Handel sein wird, kann im Gegensatz übrigens gut für große Teile der deutschen herstellenden Wirtschaft mit ihren starken Marken sein.
Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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