23. Juli 2015 Lesezeit: 2 Min.

Argumentationsfiguren der Urheberrechtsmaximalisten

Argumentationsfiguren der Urheberrechtsmaximalisten

Leonhard Dobusch auf netzpolitik.org über Argumentationslinien von Urherberechtsmaximalisten:

Jede Stärkung von Urheberrechten, sei es durch längere Schutzfristen oder durch Ausweitung des Schutzbereiches (z.B. neue Leistungsschutzrechte) wird ausschließlich positiv gesehen. Urheberrecht kann demnach nicht „zu stark“ sein und jede Einschränkung des Schutzniveaus (z.B. durch neue oder erweiterte Schrankenregelungen) wird abgelehnt bzw. als prinzipieller Angriff auf das Urheberrecht gewertet.

Eine derartige Position verkennt aber, dass es nicht nur zu wenig Schutz – häufig und oft fragwürdig als „Tragedy of the Commons“, Tragik der Allmende bechrieben –, sondern auch zu viel Schutz geben kann. Der US-Urheberrechtsforscher Michael Heller spricht in diesem Zusammenhang von „Anti-Commons“ oder „Gridlock“, der aus zu weitreichenden und verteilt gehaltenen Rechtspositionen resultiert. Fehlen bei der Tragedy of the Commons Anreize zu produzieren und kommt es deshalb zu Unterversorgung und -nutzung, führt die Tragedy of the Anti-Commons aus anderen Gründen – zu komplizierte und damit teure Rechteklärung – zu denselben negativen Ergebnissen. Ein Beispiel für Anti-Commons-Probleme sind Mashups, Klangcollagen aus einer größeren Zahl vorhandener Songs, die sich zwar wachsender Beliebtheit in sozialen Netzwerken erfreuen – David Wessel aka Mashup Germanyverfügt über mehr als 250.000 Facebook-Fans – aber mangels praktikabler Rechteklärung weder im Radio gespielt noch verkauft werden dürfen. Selbst die bloße nicht-profitorientierte Veröffentlichung ist entweder mit Abmahngefahr verbunden oder nur bis auf Widerruf durch Plattformbetreiber wie Soundcloudmöglich. Übermäßig weitreichende Urheber- und Leistungsschutzrechte führen so dazu, dass eine ganze Kunstform marginalisiert wird.

tragedy of the commons vs. tragedy of the anti-commons

Seinem Fazit kann ich nur zustimmen:

Die Penetranz und Akzeptanz urheberrechts-extremistischer Argumentationsfiguren im aktuellen Urheberrechtsdiskurs ist einer der Gründe dafür, dass jede auch noch so moderate Anpassung des Urheberrechts an die Anforderungen einer digitalen Gesellschaft unendlich schwer fällt. Es ist deshalb an der Zeit, diese Positionen als Extrempositionen zu erkennen und zu benennen.

Diese Schieflage des Diskurses wird sich aber, vor allem im von den konservativen Ländern Deutschland und Frankreich geführten Europa, auf längere Zeit nicht ändern. Dafür sind die hiesigen Industrien zu stark eingebettet und zu der Technologiesektor zu schwach.

Spannend wird es in den USA, wenn 2023 das Copyright für Mickey Mouse ausläuft. Disney wird erneut versuchen, aus diesem Grund eine Schutzfristverlängerung zu erwirken, könnte aber erstmals scheitern.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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