Zu Substack Notes (Substacks Twitter-Alternative), Substacks Haltung zur Moderation und dem Verge-Interview (siehe diesen Ausschnitt) empfehle ich meinen Text von vor einem Jahr.
Ich hatte über Plattform-Assoziation geschrieben als ein Framework für ein besseres Verständnis wie Verantwortung (also Moderation) für Inhalte in der Öffentlichkeit entsteht (zusätzlich zum gesetzlichen Rahmen):
Wann immer Öffentlichkeit Plattformprovider für Inhalte verantwortlich macht, hängt stark von der Assoziation der Inhalte mit der Plattform ab. [...]
Substack ist zwar eine Newsletter-Plattform, mit Kommentarfunktion, Podcast- und bald Videofunktion etc., aber sie sehen sich, trotz ihres Anschub-Programms, als einen Newsletter-Anbieter wie Mailchimp oder ConvertKit.
Seien wir ehrlich: Impfgegner, die reine Newsletter über letztgenannte Dienste verschicken, würden nicht im Guardian auftauchen. Nicht zuletzt weil ihre Aktivitäten privat wären und ihre Reichweite und Einkünfte schwerer bis gar nicht ermittelbar wären.
Aber selbst wenn Größe und Reichtum eines solchen Impfgegner-Newsletters öffentlich würde. Wer nach stärkerer Moderation bei Substack ruft, würde bei dieser hypothetischen Situation größere Bauchschmerzen haben, von Mailchimp oder ConvertKit eine Moderation der verschickten Inhalte zu fordern.
Vielleicht weniger starke Bauchschmerzen bei ConvertKit. Weil dieser Emaildienstleister auch Paymentfunktionen direkt mitbringt.
Aber was ist mit Stripe?
Substack, Patreon, ConvertKit, Ghost, sie alle setzen für Payments auf Stripe. Ist es ein Problem, eine Verantwortung für Stripe, dass über ihr Paymentangebot auf Substack Impfgegner reich werden?
Ich sage nicht, dass ich auf all diese Fragen endgültige Antworten habe. Ich tendiere, aber ich sitze noch nicht.
Was ich mit diesen Ausführungen sagen wollte ist, dass wir als Gesellschaft uns langsam an dieses Thema herantasten. Und dass unser Herantasten oft über nicht wahrgenommene, oft eher gefühlsgetriebene Plattform-Assoziationen, also Zuordnungen der Inhalte an unserer Ansicht nach Verantwortliche, geschieht.
Substack Notes erhöht die Plattform-Assoziation für Substack weiter, während Substack sich weiterhin wie ein Email-Dienstleister wie Mailchimp oder ConvertKit sehen will. Das ist nachvollziehbar (es ist bequem; die Ursprungsposition kommt vom Unternehmensanfang als Emaildienstleister und Freund der Publisher) geht aber nicht zusammen, das wird nicht gutgehen.
Man muss aber auch dazu festhalten, dass das Gesamtgebilde Substack tatsächlich einen Zwischenschritt zwischen verschiedenen Anbieterarten darstellt, was die Herangehensweise für Substack komplexer macht als es die meisten Betrachter von der Seitenlinie darstellen.
Der Punkt bleibt ein Jahr später der gleiche: Je stärker Distribution über die eigene Destination also Plattform, desto mehr Assoziation mit den Inhalten und mehr Verantwortung beim Dienstanbieter.
Daraus folgt: Substack Notes braucht Moderation. Und zwar über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus. Es ist eine Situation, in der keine Entscheidung auch eine Entscheidung ist.