Hi,
willkommen zum ersten öffentlichen Briefing des Jahres und dem einzigen Briefing diese Woche. Ab nächster Woche erscheinen wieder zwei Briefings pro Woche auf neunetz.com, ein öffentliches und eins für Mitglieder.
Hinweis: neunetz.com läuft seit Ende letzten Jahres auf Ghost. Wer sich mit Email registriert hat, kann nun auch auf neunetz.com wieder kommentieren. Blogs, it’s a thing.
Marcel
Zitat des Tages
the slow-motion collision of two modes of organizing life: one hierarchical, industrial, and top-down, the other networked, egalitarian, bottom-up.
Martin Gurri in "The Revolt of the Public and the Crisis of Authority in the New Millennium"
Gurris Buch erschien vor über 10 Jahren. Wir sind immer noch mittendrin in dieser Slow-Motion-Kollision.
Gurris These sei hier nochmal wiederholt:
My thesis is a simple one. We are caught between an old world which is decreasingly able to sustain us intellectually and spiritually, maybe even materially, and a new world that has not yet been born. Given the character of the forces of change, we may be stuck for decades in this ungainly posture. You who are young today may not live to see its resolution.
Meta und der Umgang mit Inhalten, wir als Gesellschaft und der Umgang mit Inhalten im 21. Jahrhundert
Die hiesigen Reaktionen auf Mark Zuckerbergs Bekanntgabe letzte Woche, die Umstellung vom Faktencheck-Programm zu einer Community-Notes-Funktion, waren erschütternd. Fast alle deutschsprachigen Internetexpert:innen und Journalist:innen, die sich zu diesem Thema öffentlich äußerten, waren der einhelligen Ansicht, dass Meta falschen Informationen auf seinen Netzwerken künftig freien Lauf lässt.
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen -also in Worte, die nicht von Email-Filtern herausgefiltert werden würden-, wie unsinnig diese Position ist.
Die einzigen öffentlichen Gegenstimmen im DACH-Raum, die ich gesehen habe, waren Professoren auf LinkedIn. Go figure.
Zwei Dinge möchte ich machen.
- Eine grobe Einordnung, was Meta in Wirklichkeit vorhat.
- Ein grober Überblick, warum das sinnvoll ist und warum ein Verständnis der Gesamtsituation zwingend notwendig ist.
Zunächst eine Einordnung der Größenordnung, über die wir hier sprechen:
- Facebook hat aktuell etwas über 3 Milliarden monatlich aktive Nutzer:innen und 2,11 Milliarden täglich aktive Nutzer:innen.
- Alle Meta-Netzwerke zusammen (Facebook, Instagram, WhatsApp, Threads) kommen auf 3,29 Milliarden täglich aktive Nutzer:innen.
Neben einigen anderen Änderungen geht es um Folgendes:
Die Umstellung: Meta stellt (zunächst in den USA) sein Faktencheck-Programm ein. Dieses Programm ist eine Kooperation mit externen Redaktionen, welche ausgewählte Beiträge auf Korrektheit checken. Posts in den Meta-Netzwerken mit falschen Inhalten verlieren an Reichweite, weil sie algorithmisch heruntergerankt werden.
Dieses System wird nun ersetzt von einem Community-Feature, das sich in Namen und grober Funktionsweise an „Community Notes“ von Twitter/X orientiert.
Bereits an dieser Stelle sehen wir die erste falsche Information, die vielerorts verbreitet wurde. Community Notes auf X wird Elon Musk zugeschrieben. Damit ist es automatisch politisch eingefärbt.
Aber wie ich bereits im Mitgliederbriefing letzte Woche schrieb:
Community Notes wurde Anfang 2021 auf Twitter unter dem Namen „Birdwatch“ eingeführt und Anfang 2022 für alle US-Nutzer:innen verfügbar gemacht. Lang vor Musks Übernahme, die jede Bewertung dortiger Funktionen einzufärben scheint.
Musk hat die Funktion lediglich schneller ausgerollt als es das alte Twitter wahrscheinlich geschafft hätte.
In der FAZ haben Nina Müller und Marcus Schwarze die Funktionsweise beschrieben:
Wer sich bei X für die Community Notes anmeldet, erhält einen anonymen Nutzernamen und startet mit null Punkten. Steuert er eine bewertende Notiz für einen Beitrag bei, wird diese anderen in der Community angezeigt, aber noch nicht automatisch allen X-Nutzern. Erst wenn eine solche Notiz durch genügend andere Community-Mitglieder als hilfreich eingestuft wird, erscheint sie auch bei normalen X-Nutzern. Die Kennzeichnung „hilfreich“ entsteht folgendermaßen: Mit bis zu sechs zu setzenden Haken beurteilen die Community-Mitglieder, ob qualitativ hochwertige Quellen genannt sind, die Notiz leicht verständlich ist, sie sich ordentlich auf den Inhalt des Beitrags bezieht, sie wichtigen Kontext bereitstellt und neutral und unvoreingenommen ist.
Findet ein Mitglied so genügend Zustimmung bei anderen aus der Community, sammelt es Punkte – und bekommt so einen höheren Einfluss bei künftigen Bewertungen. Das Belohnungssystem zieht auch Punkte ab, wenn man Notizen anderer als hilfreich oder nicht hilfreich gekennzeichnet hat, die Mehrzahl etablierter Community-Teilnehmer allerdings zu einem anderen Schluss kam.
Es ist ein mehrstufiges Reputationssystem, sowohl auf Inhaltsebene als auch auf Akteursebene.
Das Ziel ist, mehr Kontext in den Informationsfluss der jeweiligen Plattform zu bekommen.
Die Unterschiede zwischen den zwei Ansätzen sind fundamentaler Natur:
- „Faktencheck“ deutet bereits auf eine binäre Antwort hin - sind die Fakten richtig oder falsch. Die Beantwortung dieser Frage ist oft gar nicht möglich. Bei den Community Notes geht es darum, ob die Zusatzinformationen als „hilfreich“ eingestuft werden.
- Es gibt keine neutrale Redaktion mit dem Blick von Nirgendwo, egal wie sehr sich die Journalist:innen darum bemühen. Es beginnt bereits bei der Frage der Themenauswahl in Medien. Diese Vorauswahl bringt bereits eine Einfärbung mit. Hier beim Faktencheck geht es um die Frage, welche Posts gecheckt werden.
- Eine Zusammenarbeit mit externen Redaktionen kann als System nur so viel liefern, wie die Redaktionen Output produzieren können. Ein Community-System kann nur dort liefern, wo aus dem Netzwerk heraus ein Interesse um Korrektur erwächst.
- Wo findet die Diskussion statt, was nun richtig ist oder nicht? Manchmal geht es um Sachverhalte, zu denen seriöse Quellen unterschiedliche Ansichten haben. (Effekte von Wirtschaftspolitik etwa) Beim Faktencheck-Programm findet diese Diskussion in den Redaktionen hinter der Tür statt. Die Journalist:innen entscheiden, was sie davon öffentlich machen.
Es gibt eine banale, aber sehr wichtige Wahrheit, die wir hier im Blick behalten müssen:
Kein System ist perfekt. Jeder dieser Ansätze hat eigene, sich aus den Strukturen ergebende Vorteile und Nachteile. Es ist nicht zielführend, einzig auf die Vorteile oder einzig auf die Nachteile eines Ansatzes zu zeigen und damit implizit den anderen Ansatz zu präferieren.
Die Frage ist, welcher der beiden Ansätze, also welcher der beiden möglichen Kompromisse, derjenige ist, der unter dem Strich, also wenn wir Vor- und Nachteile abwägen, der zielführendere ist oder sein kann. Welche Richtung also die vielversprechendere ist.
Die Antwort ist für mich als jemand, der sich professionell mit diesen Themen seit den Nullerjahren beschäftigt, sehr offensichtlich.
Nochmal für den Kontext: 3,29 Milliarden täglich aktive Nutzer:innen.
Wie viel Aktivität findet auf Netzwerken dieser Größenordnung statt?
Wie viel kann davon effektiv von externen Redaktionen begleitet werden?
Als Anhaltspunkt: Facebook beschäftigt ungefähr 40.000 Moderator:innen weltweit (entweder selbst oder über Subunternehmen). Diese Menschen müssen in ihren wahrlich nicht zu beneidenden Jobs weiterhin den automatischen Systemen von Meta dabei helfen, alle Inhalte zu moderieren, welche gegen die lokalen Gesetze verstoßen.
Es braucht also Vollzeitstellen weltweit in der Größenordnung von 40.000 Personen, um Inhalte dieser Art im Zaum zu halten. Wie viele Vollzeitstellen werden weltweit für das Redaktionssystem Fact Check bereitgestellt? Laut Meta waren 2021 mehr als 80 Organisationen in mehr als 60 Sprachen Teil des Programms. (Eine aktuellere Zahl habe ich nicht gefunden.)
Gehen wir großzügig von mittlerweile 90 Organisationen und jeweils 10 Vollzeitstellen, die über den Faktencheck von Meta refinanziert werden und dafür arbeiten: 900 Journalist:innen weltweit.
900 Menschen, die in 40 Wochenstunden virale Falschinformationen auf Netzwerken mit insgesamt 3,2 Milliarden aktiven Menschen bändigen sollen.
Wie realistisch erscheint uns dieses Bild?
Ich wäre nicht überrascht, wenn die eigentliche Zahl weitaus geringer wäre.
Selbst wenn es mehr Journalist:innen sind, die sich dem Faktencheck für Meta weltweit widmen: Ist das das bestmögliche System? Wie viel kann hier realistisch abgedeckt werden?
Leonhard Dobusch schrieb bereits 2018 auf netzpolitik.org: Wer Checkt Die Faktenchecker? Kontroverse Um Facebooks „externe Faktenprüfung“:
Während es in Deutschland nur einen und in den meisten Ländern wie zum Beispiel Österreich oder der Schweiz gar keine solchen externen Partner gibt, sind es in den USA gleich fünf an der Zahl: die Nachrichtenagentur Associated Press, die Non-Profit-Organisationen Factcheck.org und Politifact, der anzeigenfinanzierte Fact-Checking-Dienst Snopes.comsowie die – laut Wikipedia – neokonservative Wochenzeitung The Weekly Standard. Vor allem letzterer wird nun vorgeworfen, ihre Stellung als externer Faktenprüfer zu missbrauchen.
Und weiter:
Es zeigt sich also, dass politisch klar verortete Faktenprüfer wegen potentiell parteiischer Entscheidungen das ganze System externer Faktenprüfung in Zweifel ziehen. Vielleicht ist aber genau das auch notwendig, denn nur weil (vermeintlich) „unparteiische“ Medien Fakten prüfen, muss ihr Urteil nicht richtig(er) sein. In Deutschland hat gerade erst die Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf EU-Ebene gezeigt, wie schwer – wenn nicht überhaupt unmöglich – es ist, als Journalist nichtPartei zu sein. Vielleicht war die beste Idee von Plattformen wie YouTube und Facebook in der ganzen Fake-News-Debatte – um nicht zu sagen: Hysterie – jene, im Kampf gegen Falschmeldungen und Verschwörungstheorien auf Wikipedia-Einträge zu verlinken. Ein Treppenwitz der Internetgeschichte. Just jene freie und gemeinnützige Enzyklopädie, die in den ersten Jahren ihres Bestehens immer mit der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit ihrer Inhalte konfrontiert worden war, dient heute den großen, kommerziellen Plattformen als vertrauenswürdigste Quelle in strittigen Fragen. Der Grund dafür ist aber keineswegs, dass Wikipedia-Wissen über jeden Zweifel erhaben wäre. Im Gegenteil. Wikipedia-Wissen ist oft falsch oder alles andere als „neutral“. Aber Wikipedia und deren radikal transparente, nie abgeschlossene Aushandlung eines letztlich unerreichbaren „neutralen Standpunkts“ zeigt, dass, wer auf dem Boden der Tatsachen stehen möchte, schleunigst schwimmen lernen sollte. Nur weil wir nichts mit Sicherheit wissen können, ist das Ringen um Wahrheit nicht umsonst. Was Wikipedia auszeichnet, ist dieses Ringen um jedes Detail minutiös nachvollziehbar zu machen. Damit ist zwar auch kein absoluter Schutz vor Manipulation und Falschinformation verbunden. Aber alleine medialen Konsens wie Dissens unmittelbar als unendlichen, sozialen Konstruktionsprozess erlebbar zu machen, ist ein Fortschritt.
Der Verweis auf Wikipedia ist exakt der Punkt.
Wikipedia ist heute noch transparent und erfolgreich, weil es einen systemischen Weg gefunden hat, der Reputation und Transparenz in das Gesamtkonstrukt einbettet. Dieser Weg zeigt nicht nur das Resultat, sondern auch den mühsamen Weg zu diesem Resultat.
Wichtige Fragen für die Einordnung
Wir können Wikipedia für ein Gedankenexperiment nutzen.
Wenn ca. 900 Journalist:innen ausreichen, um weltweit die Falschinformationen auf Netzwerken mit über 3,2 Milliarden Nutzer:innen einzudämmen, warum dann nicht das gleiche System für eine Onlineenzyklopädie benutzen?
Immerhin wären die zu prüfenden Inhalte in einer Enzyklopädie weitaus weniger als in Social Networks, in denen Milliarden von Menschen täglich viele Dinge verbreiten.
Die erste Frage:
Würde Wikipedia mit redaktionellen Faktenchecks funktionieren? Wäre es damit besser?
Oder auch: Warum funktioniert Wikipedia mit einem Community-Notes-ähnlichen Ansatz?
Die punktuelle Abdeckung des Faktencheck-Programms mit externen Partnern muss auch global betrachtet werden: 80+ Organisationen in 60 Sprachen klingt auf den ersten Blick nach viel, aber es macht auch deutlich: Es gibt viele Sprachen, in denen Facebook, Instagram und Co. verfügbar sind, ohne dass es Faktencheck-Redaktionen für diese Sprachen gibt.
Was ist mit diesen Ländern ohne Faktenchecker-Redaktionen?
Netzwerkansätze wie Community Notes sind die besseren Ansätze, weil sie skalieren. Sie haben zumindest das Potenzial zu skalieren. Das gilt nicht für das Faktencheck-Programm, mit all seinen weiteren strukturellen Nachteilen wie der Nichtöffentlichkeit der Entscheidungsfindungsprozesse.
Eine weitere Frage, die es zu bedenken gilt:
Wenn das redaktionelle System des Faktenchecks wie bei Meta der bestmögliche Weg für den Umgang mit zirkulierenden Falschinformationen auf den Meta-Netzwerken ist, dann wäre er das für alle Orte vernetzter Öffentlichkeit.
Nicht nur bei YouTube oder TikTok, sondern auch bei Mastodon und Bluesky.
Ich würde sehr gern eine Argumentationslinie sehen, die aufzeigt, warum ein Mastodon/ActivityPub, sollte es in gesellschaftlich relevante Sphären wachsen, mit redaktionellem Faktenchecksystem besser aufgestellt wäre, ja sogar eine logischere Evolution darstellen würde, als ein Mastodon mit Wikipedia-ähnlichen Community Notes für inhaltliche Dispute. (Wichtig: Wir sprechen hier nicht über illegale Inhalte.)
Ein Beispiel der irrigen Berichterstattung
Casey Newton titelt auf Platformer: Meta surrenders to the right on speech
Der Tech-Journalist Newton ist eigentlich ein Experte in diesen Themen. Ein paar Beispiele aus diesem Text:
Donald Trump’s surprising victory in the 2016 US presidential election sparked a backlash against tech platforms in general and against Meta in particular. The company then known as Facebook was battered by revelations that its network dramatically amplified the reach of false stories about Trump and his opponent, Hillary Clinton, and was used as part of a successful effort by Russia to sow division in US politics and tilt the election in favor of Trump.
Die Kritik an Facebook/Meta nach Trumps erstem Sieg, man erinnere sich an Cambridge Analytica und die Vorwürfe, Russland habe die US-Öffentlichkeit beeinflusst, wie könne die denn sonst Trump wählen, führten als Reaktion von Facebook direkt zum Faktencheck-Programm.
Newton schreibt hier über Vorwürfe, die nie mehr als das waren, die nie mit Beweisen unterfüttert werden konnten, und nennt sie „revelations“ - Enthüllungen oder Aufdeckungen. Er schreibt das fast acht Jahre nachdem das Programm aufgesetzt wurde und die USA erneut Trump gewählt haben.
Also, was ist es jetzt? Wurde Trump 2016 gewählt, weil Facebook damals kein professionelles Faktencheck-System hatte? Wenn ja, was ist dann 2024 passiert, mit diesem System?
Oder anders: Was hat sich heute konkret durch das Faktencheck-System verbessert oder geändert?
Meine These ist, dass es besonders unter Journalist:innen die Tendenz gibt, Redaktionen, also vergleichsweise kleine Hierarchien, zu überschätzen und die Meta-Plattformen, die größten Netzwerkplattformen für vernetzte Öffentlichkeit, zu unterschätzen.
Newton:
And while Community Notes has shown some promise on X, a former Twitter executive reminded me today that volunteer content moderation has its limits. Community Notes rarely appear on content outside the United States, and often take longer to appear on viral posts than traditional fact checks. There is also little to no empirical evidence that Community Notes are effective at harm reduction.
Etwas, das Journalist:innen ebenfalls oft unterschätzen, ist die iterative Natur digitaler Technologie.
Was Twitter einst baute und jetzt im mit Panzertape zusammengehaltenen X läuft, ist nicht die bestmögliche Inkarnation einer Informationsarchitektur.
Was Meta kann, ist gut kopieren. Ein Feature eines Konkurrenten nehmen und es sehr viel besser implementieren. Man frage mal Snapchat.
Der Netzwerkkontext-Ansatz von Community Notes ist auf viele Arten ausbaubar. Es ist unter anderem auch denkbar, dass externe Quellen ebenso wie professionelle Redaktionen als Akteure neben den Amateuren eingebunden werden. Auch KI-Features zur Unterstützung sind denkbar. (Der optionale KI-Kontext zu Posts wie auf X kann ein weiterer Weg sein.)
Ein weiteres Beispiel im Text von Newton für die irrige Berichterstattung:
Today, imperfect as they are, Meta's systems accurately identify tons of misogyny, homophobia, bullying, harassment, and other forms of abuse and prevent their user base from seeing it. What Zuckerberg is saying is that it will now be up to users to do what automated systems were doing before — a giant step backward for a person who prides himself on having among the world's most advanced AI systems. Zuckerberg's rationale is that the systems make too many mistakes — and they do. Most people I know have been thrown in "Facebook jail" once or twice, typically for something quite innocuous. I once posted a tweet as an Instagram story that was wrongly designated as showing support for Al Qaeda. Taylor Lorenz reported this week that the company had accidentally prevented teens from searching for LGBTQ content for months.
Zuckerberg spricht bei seiner Bekanntgabe als auch im Podcast mit Rogan über die hohe Zahl der False Positives, die das aktuelle System mit seinen Automatismen und Filtern (neben dem redaktionellen Feigenblatt) verursacht.
Newtons eigene Erfahrung, dass nahezu alle seine Bekannten ein bis zwei Mal(!) bereits eine Accountsperrung erfahren haben, führt bei ihm nicht dazu, dieses Argument von Zuckerberg ernst zu nehmen.
Wir können nicht von Meta oder irgendeinem anderen Unternehmen erwarten, dass es sicherstellt, dass auf seinen Kommunikationsstrukturen, auf denen sich Milliarden Menschen öffentlich austauschen, alle „Fakten“ „richtig“ sind und über die wichtigen Themen auf die „richtige“ Art gesprochen wird.
Wie soll das funktionieren? Eine Schattenjournalist:in pro aktive Nutzer:in?
Stattdessen: Ein Bewusstsein darüber, dass jeder Ansatz ein Kompromiss ist, mit eigenen Nachteilen. Welcher ist der bessere?
Faktenchecks, Google und die EU
Wie wichtig dieses Thema ist, sieht man daran, dass die EU an die kleinen Hierarchien glaubt.
Google has told the EU it will not add fact checks to search results and YouTube videos or use them in ranking or removing content, despite the requirements of a new EU law, according to a copy of a letter obtained by Axios. Google has never included fact-checking as part of its content moderation practices. The company had signalled privately to EU lawmakers that it didn’t plan to change its practices, but it’s reaffirming its stance ahead of a voluntary code becoming law in the near future. In a letter written to Renate Nikolay, the deputy director general under the content and technology arm at the European Commission, Google’s global affairs president Kent Walker said the fact-checking integration required by the Commission’s new Disinformation Code of Practice “simply isn’t appropriate or effective for our services” and said Google won’t commit to it. The code would require Google to incorporate fact-check results alongside Google’s search results and YouTube videos. It would also force Google to build fact-checking into its ranking systems and algorithms. He said a new feature added to YouTube last year that enables some users to add contextual notes to videos “has significant potential.” (That program is similar to X’s Community Notes feature, as well as new program announced by Meta last week.)
(Hervorhebung von mir)
Ich meine, Axios spricht hier vom DSA, welcher von großen Plattformen verlangt, Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler und schädlicher Inhalte zu bewerten und abzuschwächen. Das kann man in der Tat in Richtung des alten Faktencheck-Programms von Meta deuten.
Es stellt sich hier die wichtige Frage, was in Brüssel als effektive Risikominimierung akzeptiert werden wird. Wenn nur als effektiv gesehen wird, wenn punktuell Journalist:innen aus Redaktionen in Plattformen eingebunden werden, dann haben wir ein Problem.
Weiterführende Quellen
Ich empfehle allen, die sich für das Thema interessieren, die Joe-Rogan-Folge mit Mark Zuckerberg zu hören. Da ist es, ich hätte nicht gedacht, jemals so einen Satz zu tippen. Rogan ist und bleibt ein Nutjob. Man muss einiges ausblenden. Aber man bekommt ein gutes Gefühl dafür, was Zuckerberg denkt und, vielleicht ebenso wichtig, wie er es in der Öffentlichkeit präsentieren will.
Lesenswert dazu der Faktencheck von Mike Masnick auf Techdirt: Rogan Misses the Mark: How Zuck’s Misdirection on Gov’t Pressure Goes Unchallenged:
So, first, calling it “censorship” is misleading, because it’s just how you handle violations of your rules, which is why moderation is always a better term for it. Rogan has never invited me on his podcast. Is that censorship? Of course not. He has rules (and standards!) for who he platforms. So does Meta. Rejecting some speech is not “censorship”, it’s just enforcing your own rules on your own private property. [...] But it wasn’t the White House that pressured Zuck into following the CDC position. Meta (alone among the major tech platforms) publicly declared early in the pandemic (for what it’s worth, when Trump was still President) that its approach to handling COVID misinformation would be based on “guidance” from official authorities like the CDC and WHO. Many of us felt that this was actually Meta abdicating its role and giving way too much power to government entities in the midst of an unclear scientific environment.
Ebenso Masnick über die ursprüngliche Bekanntgabe der Änderungen bei Meta: The Good, The Bad, And The Stupid In Meta’s New Content Moderation Policies:
Zuckerberg’s announcement is a tacit admission that Meta’s much-hyped AI is simply not up to the task of nuanced content moderation at scale. But somehow that angle is getting lost amidst the political posturing. [...] This isn’t to say that fact-checking is useless. It’s helpful in a limited set of circumstances, but too many people (often in the media) put way too much weight on it. Reality is often messy, and the very setup of “fact checking” seems to presume there are “yes/no” answers to questions that require a lot more nuance and detail. Just as an example of this, during the run-up to the election, multiple fact checkers dinged Democrats for calling Project 2025 “Trump’s plan”, because Trump denied it and said he had nothing to do with it. But, of course, since the election, Trump has hired on a bunch of the Project 2025 team, and they seem poised to enact much of the plan. Many things are complex. Many misleading statements start with a grain of truth and then build a tower of bullshit around it. Reality is not about “this is true” or “this is false,” but about understanding the degrees to which “this is accurate, but doesn’t cover all of the issues” or deal with the overall reality. So, Zuck’s plan to kill the fact-checking effort isn’t really all that bad. I think too many people were too focused on it in the first place, despite how little impact it seemed to actually have. The people who wanted to believe false things weren’t being convinced by a fact check (and, indeed, started to falsely claim that fact checkers themselves were “biased.”) Indeed, I’ve heard from folks at Meta that Zuck has wanted to kill the fact-checking program for a while. This just seemed like the opportune time to rip off the band-aid such that it also gains a little political capital with the incoming GOP team. On top of that, adding in a feature like Community Notes (née Birdwatch from Twitter) is also not a bad idea. It’s a useful feature for what it does, but it’s never meant to be (nor could it ever be) a full replacement for other kinds of trust & safety efforts.
Das Timing
Masnick legt im letzten Text auch den Finger in die eigentliche Wunde, Zuckerbergs Timing und Framing:
So, if a lot of the functional policy changes here are actually more reasonable, what’s so bad about this? Well, first off, the framing of it all. Zuckerberg is trying to get away with the Elon Musk playbook of pretendingthis is all about free speech. The timing of all of this is obviously political. It is very clearly Zuckerberg caving to more threats from Republicans, something he’s been doing a lot of in the last few months, while insisting he was donecaving to political pressure.
Hier würde ich allerdings noch etwas hinzufügen. Erstens finde ich es wie John Gruber recht deutlich, dass Zuckerberg hier etwas macht, das er sowieso machen wollte und es so aussehen lässt, als würde er es für Trump machen. Das schafft Sympathie in Washington.
Siehe etwa die New York Times:
Mr. Zuckerberg, 40, has regularly spoken to friends and colleagues, including Marc Andreessen, the venture capitalist and Meta board member, about concerns that progressives are policing speech, the people said. He has also felt railroaded by what he views as the Biden administration’s anti-tech posturing, and stung by what he sees as progressives in the media and in Silicon Valley — including in Meta’s work force — pushing him to take a heavy hand in policing discourse, they said.
Des weiteren: Was wäre besseres Timing gewesen? Hätte Zuckerberg diese Änderungen irgendwann vor der US-Wahl vorgenommen, alle Journalist:innen wie Newton und alle Demokraten hätten sofort wieder ihren Sündenbock gefunden. (Es lohnt sich, diesen Reflex einmal zu reflektieren.)
Gleichzeitig: Die Änderungen und die MAGA-Werbetour bei Rogan bereits vor dem TikTok-Bann zu starten, bringt, again, Sympathie bei Trump, die sich auszahlen könnte.
Tech und die Welt
Konzerne mit Produkten, die global populär sind, sollten nicht gegen die Regierung ihres eigenen Landes arbeiten, wenn sie maximal erfolgreich sein wollen.
Genau das ist aber nach 2016 passiert. Tech, allen voran gerade Facebook mit seinem Faktencheck-Programm, wie es von der US-Presse gefordert und begrüßt wurde, arbeiteten mehr oder weniger offen gegen die Trump-Administration. Die nachfolgende Biden-Administration hat anschließend stark gegen Big Tech gearbeitet. Ein Beispiel: Wie Facebooks Libra gekillt wurde, der damalige Libra-CEO David Marcus neulich auf X:
At last, Chair Jay Powell was ready to let us move forward in a limited way. The story, as I heard it, is that Jay Powell was told by Treasury Secretary Janet Yellen at one of their biweekly meetings that allowing this project to move forward was “political suicide,” and she would not have his back if he let it happen. I wasn’t in the room when this conversation happened, so take these words with a grain of salt, but effectively this was the moment Libra was killed.
Shortly thereafter, the Fed organized calls with all the participating banks, and the Fed’s general counsel read a prepared statement to each of them, saying: “We can’t stop you from moving forward and launching, but we are not comfortable with you doing so.” And just like that, it was over.
I can confirm Dem leaders called Visa with similar messages. Our crypto team had to backtrack our support.
Keine Gesetzesverstöße, keine öffentliche Regulierung, sondern Hinterzimmer und Machtausübungen in Form von Androhungen ausführlicher Audits an alle Banken, die sich in die Nähe des Themas wagen.
Man kann zu diesem expliziten Thema und zu Big Tech allgemein stehen, wie man mag, losgelöst davon bleibt diese Frage: Welche Handlungsoptionen bleiben einer Branche in so einer Situation? Die Demokratische Partei in den USA war sich sicher, dass sie als „kleineres Übel“ von den Tech-Branchen immer gegenüber Trump und den Republikanern vorgezogen werden würden. (Siehe etwa Not Boring: Why the Democrats Lost Tech)
Das ist auch der Hintergrund für die Zurückhaltung der Biden-Regierung gegenüber der EU, die in den letzten Jahren immer aggressiver gegen Apple, Google, Meta vorgegangen ist.
Man stelle sich vor, man baut die größten Unternehmen des Landes auf, die in jeder Hinsicht Wirtschaft und Gesellschaft dominieren, und wird bei internationalen Disputen nicht von der eigenen Regierung unterstützt.
Ich finde es persönlich erschütternd, wie viele Personen im Tech-Sektor nun so tun, als hätte es den Sturm auf das Capitol nicht gegeben.
Aber gleichzeitig: Trump wurde gewählt. Dieses Mal kann niemand auf Russland und Facebook zeigen. Und: Trump ist dieses Mal mit seiner Regierung sehr nahe an Tech.
Deshalb wollen nahezu alle US-Tech-Unternehmen auch möglichst nahe an dieser neuen tech-freundlichen US-Regierung sein.
Zuckerberg, den man niemals unterschätzen sollte, ist hier für maximalen Impact geradezu chirurgisch vorgegangen.
Für uns in Europa bedeutet das vor allem, dass es erstmals massiven politischen Gegenwind aus den USA gegen die EU-Regulierung der großen US-Tech-Unternehmen geben wird.
Buckle up.
🤖 KI
ChatGPT Tasks - KI-Agenten und Tech-Iterationen
- OpenAI hat mit der Einführung von „Tasks“ eine neue Beta-Funktion für ChatGPT gestartet, die das Planen von Prompts ermöglicht.
- Nutzer:innen können einmalige oder wiederkehrende Prompts/Aufgaben zum Beispiel für tägliche Updates und Websuchen festlegen.
Klingt banal. Das ist natürlich nur der erste iterative Schritt Richtung Agents. Also proaktive, autonome KI.
Zwei Dinge, die hier massive Implikationen haben:
- Eine große Anzahl an Aufgaben, für die vorher dedizierte Apps nötig waren, lassen sich hier mit einfacher Sprache einrichten.
- Ein wesentlicher Teil von Funktionen wie dieser wird auch auf der Seite des Anbieters in Form von Systemprompts erstellt. Siehe Willison: ChatGPT reveals the system prompt for ChatGPT Tasks
Es wird das Ende der Vorherrschaft des „There’s an app for that“.
🦾 Robotik
Neura Robotics: 120 Mio. € für humanoide Roboter aus Deutschland
(Humanoide) Roboter sind das nächste Smartphone. Wir brauchen mehr davon in Deutschland. Neura Robotics aus Metzingen arbeitet daran und hat in einer Series B gerade 120 Mio. € eingesammelt.
Vishal Singh in Silicon Canals:
Founded in 2019, NEURA Robotics has developed collaborative robots (cobots) with advanced sensory capabilities, enabling them to see, hear, and perceive touch. These robots use reflexive sensory processing for autonomous and predictive actions.
The company developed MAiRA, the world’s first cognitive cobot combining AI and robotics, capable of autonomous operation and interaction with humans.
NEURA Robotics is developing robots intended for collaboration with humans in industries like manufacturing, logistics, and healthcare.
In the past year, NEURA Robotics has doubled its workforce to over 300 employees and experienced a 10-fold increase in revenue. Under the leadership of founder and CEO David Reger, the company has secured an order book valued at €1B.
Aus der Pressemitteilung:
The round was led by Lingotto Investment Management, with participation from BlueCrest Capital Management, Volvo Cars Tech Fund, InterAlpen Partners, Vsquared Ventures, HV Capital, Delta Electronics, C4 Ventures, L-Bank, founder David Reger, and others.
⚖️ Regulierung
TikTok ist erst der Anfang
Der eventuell, vielleicht, vielleicht auch nicht, man weiß es nicht und niemals, aktuell sieht es nach „ja“ aus, bevorstehende TikTok-Bann in den USA basiert auf einem Gesetz, das ausländisch kontrollierte Apps („controlled by a foreign adversary“) zwingt, sich an Käufer in den USA oder befreundeten Nationen zu verkaufen. Egal wie Trump mit TikTok umgehen wird, dieses Ownership-Gesetz kann auch andere Apps treffen. Für die deutsche Wirtschaft jetzt nicht zwingend das größte Problem aktuell. Noah Smith: TikTok Is Just the Beginning
Dazu passend Jochen Krisch in Umsatz-Update: Wo steht TikTok Shop 2024 in den USA und anderswo? :
TikTok Shop bleibt der E-Commerce-Player, auf den es zu achten gilt. Ersten Schätzungen zufolge soll TikTok Shop in den USA im ersten vollen Jahr auf ein GMV von 9 Mrd. Dollar gekommen sein. Damit wären die USA für TikTok Shop aus dem Stand der wichtigste Markt außerhalb Chinas
✴️ Mehr Wissenswertes
Tech in der EU: Tamara Djurickovic in AI investment surge: The 10 biggest deals in Europe in 2024 :
As stated in the Tech.eu report “European Tech 2024: The big picture”European AI companies raised nearly €3 billion through 137 deals, which is about 35% more than the year before.
French companies took the top spot in terms of countries, securing over €1.3 billion across 14 deals (almost half of all AI investments in Europe in 2024). German companies followed in second place with €910.3 million raised over 23 deals, while the UK ranked third with €318.1 million raised over 33 deals.
Fotosharing auf Bluesky: John Voorhees in A Bluesky-Based Photo-Sharing App Is Coming :
Sebastian Vogelsang, the Berlin-based developer of Skeets, an alternative to Bluesky’s official client, is working on a new photo-sharing app called Flashes that is built on the same codebase as Skeets.
Es handelt sich um eine App eines Drittanbieters, die lediglich die Timeline nach Bildern filtern wird. Mehr Vielfalt auf dieser Ebene ist immer gut.
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