Axel Voss ist als Berichterstatter der Verhandlungsführer der bald, am 26. März, im EU-Parlament zur Abstimmung stehenden Urheberrechtsreform.
Axel Voss hat Vice ein Interview gegeben, dass die Gemüter erhitzt hat. Ein paar Anmerkungen.
Streit um Uploadfilter: Wie Axel Voss das Internet sieht:
Warum, denken Sie, wird die Debatte um die EU-Reform so leidenschaftlich geführt?
Mir scheint, viele betrachten die Möglichkeiten des Digitalen als Lebensinhalt.
Dieser Satz von Voss ist leicht dahingesagt. Er dachte sich sicher nicht viel dabei. Ein Interviewer bei der FAZ, SZ oder ZEIT würde dabei auch keine Augenbraue verziehen. Eher stumm zustimmend nicken.
Aber da steckt bereits ein Teil des Hauptproblems drin. Politiker wie Voss stehen mit beiden Beinen in einer Welt, in der "digital" eher ein Randelement ist. "Internet" spielt eine Rolle, aber keine zentrale.
Musiklabels, die früher CDs und noch früher Vinyl verkauft haben, Filmstudios, die früher Blu-Rays und DVDs und noch früher VHS-Kassetten verkauft haben, Medienunternehmen, die früher mehr Papier als heute verkauft haben; das sind die Akteure, die im Zentrum der Vosschen Welt stehen.
Und das gilt für die überwiegende Mehrheit der Politiker hierzulande und auf EU-Ebene.
Dass sie die Lebensrealität nicht nur der jungen Menschen ausblenden können, dass sie die grundsätzliche Funktionsweise von fast alle Bereichen des täglichen Lebens durchdringenden Onlinediensten nicht verstehen (Beweisstück A), ist nichts, was man 2019 Politikern noch nachsehen kann.
Die Realität der digital durchdrungenen Welt ist kein esoterisches Randthema, sondern das zentrale Gesellschaftsthema unserer Zeit neben dem Klimawandel.
Ich könnte jetzt einen amüsanten Vergleich schreiben und etwa fragen wie ein vergleichbarer Satz eines Politikers zur Autoliebe der Deutschen in der deutschen Öffentlichkeit angenommen würde. (Die ersten Seiten der Feuilletons des Landes wären sofort freigefegt für erbittertste Erwiderungen.) Aber irgendwann wird jeder müde.
Noch einmal:
Mir scheint, viele betrachten die Möglichkeiten des Digitalen als Lebensinhalt.
Die 4 an der Börse weltweit unangefochten höchstbewertesten Unternehmen der Welt: Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon.
Voss:
Wir wollen damit nur erreichen, dass Plattformen mehr Lizenzen mit Kreativen abschließen und sonst für Verstöße haften. Artikel 13 ist der Versuch, das Urheberrecht auch wirklich umzusetzen. Es bleibt aber immer eine Entscheidung der Plattform, was sie drauf lässt und was nicht.
Voss hat Recht, dass das Urheberrecht, wie es in Europa festgeschrieben wird, hier "nur" in der praktischen Umsetzung verschärft wird. Das macht es aber nicht weniger problematisch. Die Tatsache, dass es in Europa kein Äquivalent zum US-amerikanischen Fair Use gibt und das auch nicht in eine sogenannte Urheberrechts"reform" einfließt, massgeblich übrigens dank Voss himself, ist ein Skandal.
Ohne angemessene Schranken, die die heutige Realität widerspiegeln, ist das Urheberrecht unzeitgemäß. Dieses Unzeitgemäße soll mit Artikel 13 umso härter durchgesetzt werden, indem man Plattformen die Verantwortung für das bei ihnen Hochgeladene gibt.
Plattformen funktionieren anders als redaktionelle Medienunternehmen, sollen aber künftig wie sie (und härter) behandelt werden. Klassische Medien sind Gatekeeper. Sprich, die BILD entscheidet, Videos und Fotos von Amokläufen zu zeigen, um daneben Werbung zu verkaufen.
Plattformen dagegen sind Filter. YouTube entscheidet nicht darüber, was bei ihnen hochgeladen wird. Man kann prinzipiell alles hochladen. Danach wird gefiltert. Amokläufe, Pornographie, urheberrechtlich geschützte Werke (Hallo, contentID!) werden gefiltert.
Der entscheidende Unterschied zwischen den ersten beiden Inhaltsarten und der letzten Inhaltsart ist für alle, die sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen, offensichtlich: Amokläufe und Pornographie kann man am Werk selbst erkennen. Das Filtern ist selbst hier nicht hundertprozentig dicht, weil es immer ein Katz-und-Maus-Spiel ist, aber es ist technisch mit im Vergleich geringeren Kollateralschäden umsetzbar.
Das trifft nicht auf urheberrechtlich geschützte Werke zu.
Es gibt keinen technischen Weg, mit hundertprozentiger Sicherheit urheberrechtlich geschützte Werke zu erkennen.
Der Grund gehört in die ich-kann-nicht-fassen-dass-ich-das-ernsthaft-nochmal-aufschreiben-muss-Kategorie, mit Schleife:
- Urheberrecht wird automatisch ab Schöpfungshöhe verliehen.
- Das heißt unter anderem, dass mein kunstvolles Urlaubsfoto und das Lied, das meine Nachbarin mit ihrem Klavier spielt und aufnimmt, genauso urheberechtlich geschützt sind wie dieser Text, OHNE DASS IRGENDJEMAND ETWAS MACHEN MUSS außer das Ding abzuschließen.
- Wenn jetzt Axel Voss ein YouTube-Video hochlädt, in dem er mein Urlaubsfoto, das Lied meiner Nachbarin und diesen Text einbaut, dann Respekt erstmal, wie sind Sie denn an das alles gekommen, haben Sie keine Hobbies, das wüsste ich gern mal, aber YouTube kann in diesem Beispiel BEIM UPLOAD NICHT WISSEN, WER DAS URHEBERRECHT HIER KONKRET HÄLT. Voss kann das Foto von Flickr und das Lied von MySpace1 und den Text von diesem Blog runterladen, er kann das Foto von meinem privaten Fotoalbum von Facebook nehmen2 und Youtube hat keine technische Möglichkeit, diesen urheberrechtlich relevanten Vorgang irgendwie hundertprozentig dicht abzuleiten.
Es ist ein rechtliches, kein technisches Problem. Keine technische Meisterleistung der Welt kann diesen Umstand auflösen. Es ist unmöglich.
Wer etwas anderes behauptet, soll seine/ihre Lösung konkret an den obigen Beispielen aufzeigen. Keine Theorie, keine Verweise auf magische Filteralgorithmen, konkreter Ablauf.
Das aktuelle Urheberecht ist inkompatibel mit der mittlerweile allgegenwärtigen Upload-Funktion.
Dieses inkompatible Recht noch weiter zu verschärfen, ist nur eine Lösung für Leute, die keinerlei Interesse daran haben, was mit den Partizipationsmöglichkeiten auf den Plattformen passiert, egal ob es um Privatpersonen oder YouTube-Stars geht, die das dann betrifft.
Dieses Desinteresse trifft traurigerweise nicht nur auf Voss und die Union zu, auch wenn sie die treibende Kraft sind3, sondern auf alle im Bundestag und im EU-Parlament vertretenen Parteien, abgesehen von den Piraten auf EU-Ebene. Es sollte jedem ein Schauer über den Rücken laufen bei der Vorstellung was mit diesen Themen passiert, wenn Julia Reda von den Piraten nach der Wahl nicht mehr im EU-Parlament sitzt. (Sie tritt nicht wieder an. Und nein, ich sage nicht, dass man zur EU-Wahl Piraten wählen sollte. Es ist eher ein Ausdruck von Ratlosigkeit meinerseits.)
Axel Voss:
Und es geht nur um die Seiten, die ein Businessmodell mit urheberrechtlich geschützten Werken haben. Datingplattformen, Handelsplattformen, Nachbarschaftsplattformen sind nicht betroffen.
Ich hatte ursprünglich aufgrund eines missverständlich formulierten Satzes im Text der geplanten Urheberrechtsreform angenommen, dass auch Marktplätze betroffen sein können. Immerhin haben große Marktplätze auch aus genau den gleichen Dynamiken heraus Probleme mit Markenverletzungen, Produktfälschungen usw. usf.
Man muss nicht besonders zynisch sein, um eine direkte Verbindung zwischen diesen Ausklammerungen und der Tatsache zu ziehen, dass das das gesamte Geschäft des Konzerns dominierende Onlinegeschäft von Axel Springer seit langer Zeit selbst wiederum dominiert wird von Nischen-Marktplätzen. Wer weit über 70 Prozent seines Umsatzes außerhalb von Medien verdient, ist kein Presseverlag mehr. BILD und WELT helfen aber dabei, dieses Geschäft zu beschützen.
Hält Hand an Ohrhörer Ich erfahre gerade, dass wir frische Aussagen von Herrn Voss zu diesem Themenfeld erhalten haben. Wir schalten kurz zu Twitter. Frau Reda?
Auf der Pressekonferenz hat @AxelVossMdEP gerade bestätigt, dass Presseverlage mit schlechter Wahlberichterstattung gedroht haben, wenn Abgeordnete gegen die #Urheberrechtsreform stimmen. Er findet das nicht problematisch. 🤔 #Artikel11 #Artikel13 #SaveYourInternet
Vielen Dank.
Weiter im Vice-Interview mit Axel Voss:
In Zukunft können die Rechteinhaber einfach ihre Infos zu Lizenzen bei den Plattformen hinterlegen, wie das zum Beispiel jetzt schon Filmstudios machen. Das macht eine faire Vergütung möglich. Wenn ich sage, "Ich will mein Geschäftsmodell auf Diebstahl aufbauen", dann muss ich eben auch fair vergüten. Das hat YouTube mit seiner Quasi-Monopolstellung bislang nicht gemacht.
Es geht einfach um die Lizenzen. Es ist, wie ich schrieb, ein Konzerngesetz für eine Konzernwelt. Die Kollateralschäden spielen keine Rolle, denn sie werden von ihm nicht einmal thematisiert oder wenn, dann verharmlosend:
Hinsichtlich der technischen Lösungen sagen wir: Ja, es kann sein, dass was blockiert wird, was nicht blockiert werden soll. Man muss schon davon ausgehen, dass das nicht 100 Prozent funktioniert.
An einer Stelle im Interview spricht Voss auch über eine "Meme-Rubrik" bei Google. Google also "Memes" "erkennen" und damit vor'm Blocken schützen könnte. Lassen wir mal den Irrglauben außen vor, dass Memes im europäischen Urheberecht irgendwie geschützt wären, was sie nicht sind: Was er damit meinte, zeigte kurze Zeit später die CDU/CSU-Fraktion des EP auf Twitter, kommentiert von Rechtsanwalt Christian Solmecke:
Die @CDU_CSU_EP glaubt, Google könne Memes filtern und checkt nicht, dass Google in der Bildersuche einfach nur mit @AxelVossMdEP assoziierte Begriffe anzeigt. Kann denen mal jemand einen Digital-Grundkurs verkaufen? @Google #artikel13 #yes2copyright #wtf
Es ist für das Ergebnis völlig egal, ob sie's "checken" oder nicht: Diese Fehlinformation von Voss und seiner Fraktion hilft als Argument für die Aussage, dass technische Urheberrechtsfilter höchster Qualität möglich sind. Warum das Quatsch ist, steht oben im Text.
Voss hat natürlich auch Talking Points parat, die man genau so erwarten würde. Beliebtes rhetorisches Mittel ist es etwa, sich eine noch extremere Alternative auszudenken und zu behaupten, man würde sie mit dem eigenen bereits kompromisslosen Vorhaben verhindern:
Wie das technisch abläuft, wird eine Frage für die Entwickler sein. Schauen Sie, was die Kritiker nicht sehen: Wenn wir nichts machen, legt der Europäische Gerichtshof was vor, und zwar eindeutig zugunsten der Rechteinhaber. Da ist dann nichts mit Abstufungen und Ausnahmen.
Vor dem Hintergrund, dass die geplante Urheberrechtsreform auch nur deshalb so kompromisslos ist, weil Voss als Hardliner nur die Linie der klassischen Rechteverwerter verfolgt hat, ein, sagen wir, gewagtes Argument, das keine weitere Beachtung verdient hat.
Viele YouTuber kommentieren in ihren Videos aktuelle Ereignisse und nutzen dabei jede Menge Videoschnipsel. Kann es solche Videos mit Artikel 13 überhaupt noch geben?
Wie ist das denn genau? Ist das ein Blogger, der Videos aus den Tagesthemen auf YouTube einbaut? Das müsste man sich dann nochmal ganz genau anschauen.
Welche YouTube-Kanäle haben Sie denn abonniert?
Keinen.
Aber trotzdem: Wenn man da Follower hat, Hunderttausende, Millionen, dann muss man sich fragen, müsste ich mich denn eigentlich nicht um Rechte kümmern?
"Keinen."
Auf der heutigen Pressekonferenz sagte Axel Voss unter anderem: "Nur 1-5% der Plattformen im Netz sind von Artikel 13 betroffen". Worauf man nur antworten kann, wenn diese „1-5% der Plattformen“ (<- was für offensichtlich ausgedachte Zahlen) YouTube, Facebook & Twitter sind, dann entsprechen sie 75+% (<- auch Pi mal Daumen berechnet) der Internet-Öffentlichkeit. Voss ignoriert die Auswirkungen auf die Menschen. (Geht auch nicht anders.) Auch hier wieder: Urheberrecht ist komplex. Plattformen erlauben es auch Privatpersonen, öffentlich und unproblematisch Dinge zu machen. Sollte ein YouTuber, der von seinem Kanal lebt, sicherstellen, dass er oder sie sich innerhalb des Rechts bewegt? Absolut. Aber löst man Urheberechtsverletzungen an dieser Stelle am besten mit strengsten Gesetzen, die zu Uploadfiltern führen werden? Nein. Genau so wenig wie man BILD und co. von Verfehlungen sinnvoll abhält, indem man Kioske urheberrechtlich verantwortlich für das macht, was sie da an auf Papier gedruckte Buchstabenkotze verkaufen. Traurig ist das Festhalten an Verschwörungstheorien. Aber überraschend ist es leider auch nicht. Über eine angebliche Steuerung der Proteste gegen die geplante Urheberechtsverschärfung: > Was genau meinen Sie mit gesteuert?
Dass die so Tools zur Verfügung stellen, damit das Ganze los rollt und dann Wörter wie "Zensurmaschine" und "Uploadblocker" in Umlauf kommen.
Welche Belege haben Sie dafür?
Das wurde alles mal analysiert, und zwar von einem Herr Rieck in der FAZ.
[Anmerkung der Redaktion: Der Autor des FAZ-Textes, Volker Rieck, ist kein Journalist, sondern Geschäftsführer des Content-Protection-Dienstleisters "FDS File Defense Service", der für zahlreiche Rechteinhaber tätig ist.]
Es lohnt sich das Medienspiel hier zu betrachten.
Gehen wir also kurz auf die Metaebene:
- Die FAZ ist noch4 eine angesehene journalistische Institution in den gehobenen Schichten Deutschlands.
- Die FAZ veröffentlicht bei Urheberrechtsthemen grundsätzlich gern und im speziellen vor allem vor Verabschiedungen von Urheberechtsverschärfungen Texte von Lobbyisten, die nicht immer als Lobbyisten in der Zeitung gekennzeichnet werden.
- Die FAZ gibt damit Aussagen von Lobbyisten den Anstrich der unvoreingenommenen Objektivität.
- Politiker wie Axel Voss können jetzt diese von der FAZ hübsch gemachten Positionen in anderen Interviews weitertragen. "Stand so in der FAZ!" sollte doch reichen, um jedes Gegenargument im Keim zu ersticken. FAZ=Wahrheit. Unumstößlich. Höchster Qualitätsjournalismus eben.
In diesem speziellen Fall war es nicht nur ein Dienstleister, der aus offensichtlichen Gründen massgebliches Interesse an einem bestimmten Ausgang der geplanten EU-Reform hat. Der Text war auch nachweislich falsch, die darin gemachten Aussagen bewusst oder unbewusst irreführend, siehe etwa Übermedien.de vom 1.(!)3..
Richtigstellungen zu diesen Themen wird man in der FAZ allerdings gar nicht bis selten finden. Und so kann ein Politiker wie Voss auf völlig falsche Aussagen verweisen und das klassischmedial informierte Publikum bleibt uninformiert.
Denn welche Redaktion in Deutschland würde ähnlich wie die Vice-Redaktion im Rahmen eines solchen Interviews zumindest auf die Befangenheit des als Quelle genannten FAZ-Autors verweisen?
Wir sehen hier ein Paradebeispiel dafür, wie (mehr oder weniger) subtil Öffentlichkeit beeinflusst werden kann.
Weiter im Interview:
Wikimedia hat Ihnen einen offenen Brief geschrieben mit der Bitte, die Uploadfilter-Regelung zu verhindern. Den haben ein gutes Dutzend Medienexperten und Technikverbände unterzeichnet.
Ja, aber wie soll man es denn sonst machen? Auch jetzt kommt immer nur die Idee mit Notice und Takedown …
… so nennt man die aktuelle Regelung, in der Plattformen rechtswidrige Inhalte erst löschen müssen, wenn sie darüber informiert wurden …
Filmschaffende sagen aber: "Nein, meine Sachen sollen gar nicht hochgeladen werden." Was also tun? Also hab ich nach dem Sommer den Vorschlag gemacht, dass wir noch die Plattform-Haftung in die Reform mit reinnehmen.
Noch einmal: Das veraltete, viel zu strikte Urheberrecht ist inkompatibel mit Plattformen, auf denen wir alle verschiedenste Dinge öffentlich hochladen können.
Es gibt, allgemein gesprochen, drei Wege die man einschlagen kann, um dieser Inkompatibilität zu begegnen:
- Urheberrechtsschranken so gestalten, dass das Urheberrecht mit der Uploadgesellschaft kompatibel wird. -> Prioriät: Upload und damit gesellschaftliche Partizipation vor Urheberrechtsschutz
- Augen zu und Strafen für Urheberrechtsverletzungen erhöhen und gleichzeitig Plattformen für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich machen. -> Priorität: Urheberrechtsschutz vor allem.
- Urheberrechtsreform, die eine Reform, keine Verschärfung wäre: Urheberrecht wieder registrierungspflichtig machen und den Ansatz der automatischen Schöpfungshöhe abschaffen. -> Priorität: Schutz kommerziell aktiver Kreativschaffender gewährleisten und gleichzeitig Partizipation und vernetzte Gesellschaft stärken.
Der aktuell eingeschlagene Weg ist Nummer 2. Nummer 2, also eine konstante Verschärfung des Rechts, ist quasi Tradition im Urheberrecht. Wir haben heute etwa absurd lange Urheberrechtsfristen, die niemand ernsthaft verteidigen kann, weil immer über Verlängerungen nie über Verkürzungen debattiert wird. Framing ist wichtig in der Politik, und deshalb bleibt die Kultur, mit der wir aufwachsen, Zeit unseres Lebens verschlossen. Mit etwas Glück wird kostenpflichtiger Konsum erlaubt.
Der dritte Weg ist der einzige Weg heraus aus der heutigen Inkompatibilitätsmisere, ohne das Urheberecht abzuschaffen und ohne die gesellschaftlichen Errungenschaften für Öffentlichkeitsbildung durch das Internet zu verlieren.
In technischen Begriffen gesprochen bedeutet eine Registrierungspflicht für Urheberrechtsschutz eine Umkehr vom "opt out" (=ich verzichte auf meine Urheberrechte) hin zu einem "opt in" (=ich nehme explizit Urheberrechte wahr).
Abseits des Urheberrechtsschutzes für kommerzielle Interessen könnte man andere Rechte (Persönlichkeitsrechte) mit medialen Erzeugnissen verknüpfen.
Damit wären viele Probleme gelöst. Eine staatliche Anlaufstelle mit APIs würde Plattformen wie Instagram, YouTube etc. ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Werke zu erkennen. Diese Plattformen müssten nicht Mutmaßungen über JEDEN Upload anstellen, wie es heute der Fall ist. (Im letzten Satz steckt, übrigens, der simple Grund, warum "große Plattformen" sich entgegen mancher Mutmaßungen nicht auf die Reform freuen können. Sie würden zwar im Gegensatz zu kleineren Anbietern überleben können. Aber sie müssten trotzdem weite Teile ihres Angebots massivst beschneiden.)
Auch dieser Weg würde nicht alle Probleme lösen. (Oft wissen nicht einmal die Rechteinhaber, wer jetzt konkret welche Rechte an was hält zum Beispiel.) Aber es wäre ein guter Kompromiss.
Wie so oft ist der bestdenkbarste Weg leider auch auf absehbare Zeit der unwahrscheinlichste. Für eine Wiedereinführung der Registrierungspflicht urheberrechtlich geschützter Werke müsste man die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst von 1886 zurücknehmen und international ein neues Copyright-Regime aushandeln.
Theoretisch möglich, natürlich. Aber dafür braucht es den politischen Willen. Es wäre eine Mammutaufgabe mit ähnlich enormen Vorteilen für die gesamte Gesellschaft.
Fragen wir Axel Voss, den mächtigsten Politiker der EU wenn es um die Weiterentwicklung des Urheberrechts geht, wie es um seinen politischen Gestaltungswillen steht:
Es gibt durchaus alternative Vorschläge für ein neues Urheberrecht, zum Beispiel Fair Use, was Nutzerinnen und Nutzern deutlich mehr Rechte einräumt, wenn sie aus urheberrechtlich geschütztem Material etwas Eigenes erschaffen. Was halten Sie davon?
Da könnte man mal drüber nachdenken. Aber das passt nicht so richtig in unser System. Ich hab ja auch schon mal ganz andere Ideen ins Parlament reingebracht, zum Beispiel: Kommt, lasst uns doch Filmchen bis zu 30 Sekunden kostenfrei machen! Aber dafür krieg ich da keine Mehrheit. Meine Mitarbeiter sagen schon immer, wir haben dir doch so viele schöne Ideen mitgegeben. Aber da bin ich nur Mittler und kann mich ja immer nur im Rahmen der Möglichkeiten bewegen.
Keine weitere Fragen. Ihr Zeuge.
~
- Hehe, little easter egg, right there. ↩
- Disclosure: Ich bin nicht mit Axel Voss befreundet, weder auf Facebook noch sonst irgendwo. I mean, come on. ↩
- Wie so oft übrigens, wer erst mit dieser Farce namens Urheberrechtsreform als Gründer erkennt, dass die Union schon allein aus Eigeninteresse unwählbar ist, hat die letzten 10+ Jahre sehr fest geschlafen. Noch fester geschlafen, wenn man Vorsitzender eines Startup-Verbands ist, der sich auch politisch für die Belange von digitalen Unternehmen einsetzen will. ↩
- Ich weiß es doch auch nicht. ↩