Markus Spath über die jüngsten Entwicklungen bei Google:
Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter, besteht der eigentliche Wert von Google im Glauben der Welt an die Genialität von Google. Wir gehen zu Facebook oder Twitter, weil dort unsere Freunde Dinge posten. Aber wir gehen zu Google, weil wir glauben, dass sie wissen. Google war das paradigmatische lacansche subject supposed to know. Es war eine Black Box, die man Beliebiges fragen konnte, und die ohne grössere Umwege die richtigen Antwort lieferte. Auch wenn nicht immer alle Ergebnisse ‘richtig’ waren, sie waren noch immer richtiger als bei allen Anderen, und ein, zwei Verfeinerungen weiter hat man das Gewünschte gefunden.
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Mit Google+ und der Sozialisierung der Suchergebnisse macht sich Google nun nicht nur angreifbar, sie zersetzen die Ordnung des Imaginären selbst. Wenn sie neben dem Suchergebnis anmerken ‘weil der Autor 15.000 Follower auf G+ hat’ oder ‘weil das der und der Kontakt geshared haben’ schreiben, ich aber weiß, dass derjenige vom jeweiligen Thema keine Ahnung hat und besser nicht als Hauptreferenz zitiert werden sollte, und wenn das Ergebnis dann auch noch nicht gut ist, oder wenn Google Vermutungen über das, was ich wohl meine, in die Suchergebnisse hineinfakturiert und mir deshalb falsche Antworten auf Fragen liefert, die ich gar nicht hatte, dann bringen sie das Konzept ihrer eigenen Dummheit selbst auf den Tisch.
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Nur am Rande gesagt: das Kultivieren von Features, die Geeks mögen, macht auch – gerade für Google – geschäftlichen Sinn, weil die dortigen Aktivitäten oft erst durchsickern, nachdem sie eine Zeit lang gegärt haben, die später aber das Salz in der Suppe werden, die Gesamtqualität erhöhen, die ein Indikator für Trends sind, der dann ein paar Jahre später der Mainstream wird, etc., aber das wäre Thema für einen eigenen Rant.
Er identifiziert 7 Problemfelder/Gründe für Googles jüngstes Verhalten:
- Selbstüberschätzung
- Lack of Leadership
- Mangel an Geschmack
- Trägheit
- Neid und Gier
- Infantilität
- Degeekification
Sehr lesenswerte lange Analyse des Gesamtbilds des noch immer wichtigsten Internetunterehmens.
Interessanterweise hat er die letztjährige Übernahme von Motorola Mobility durch Google, das zum Übernahmezeitpunkt weniger Mitarbeiter als die übernommene Unternehmensparte hatte, gar nicht erwähnt. Dort droht mir organsiatorisch sehr viel Ungemach für Google.
Und auch Android wird in der Analyse nicht angesprochen. Schade: Android ist enorm wichtig für Googles Post-PC-Strategien und ist gleichzeitig auf dem Weg in seine eigene Katastrophe. (Mehr dazu in einem späteren Artikel.)