10. Sep. 2019 Lesezeit: 2 Min.

Der E-Scooter als Symbol für den Umgang mit dem Neuen

Der E-Scooter als Symbol für den Umgang mit dem Neuen
e-scooter-2019

Micromobility geht den gleichen Weg wie jede neue Technologie. Aber selten waren die offensichtlichen blinden Flecken im begleitenden Diskurs so offensichtlich wie hier.

Dirk von Gehlen:

Haben Sie eine Meinung zu E-Scootern? Vermutlich schon. Denn wer sich in den vergangenen Wochen in urbanen Umfeldern bewegte, hatte mehr Kontakt zu Ansichten, Urteilen und Einschätzungen zu den neuen Elektrofahrzeugen als zu den E-Scootern selber. Denn zum Neuen haben wir im Wortsinn ausgesprochen gern eine Meinung. Meinung ist das beste Mittel gegen die verstörende Ratlosigkeit, die sich breit macht, wenn das Neue auf die Bildfläche tritt. Meinung immunisiert gegen die Verwirrung, gegen den Moment, in dem nicht alles erklär- und sortierbar ist. Dieser Moment dehnt sich gerade unter unseren Füßen aus, er nimmt an Größe und Bedeutung zu. Doch statt Meinungsfreizeit zu nehmen, reagieren immer mehr Menschen auf die Verstörung mit noch mehr Meiung. Und die E-Scooter illustrieren das besonders schön.

Wenn ich Sie frage, ob Sie auch eine Meinung zu Autos haben, wäre ich mir bei der Antwort nicht mehr ganz so sicher. Denn Autos waren ja schon immer da, die gehören doch dazu. Die normatische Kraft des Faktischen ist groß. Was da ist, wenn wir geboren werden, halten wir für normal. Keine Verstörung, weniger Meinung – und vor allem weniger Panik.

​Jede Stadt ist vollgestellt mit einer scheinbar unbeweglichen Blechlawine. Ein paar hundert E-Scooter und Leih-Fahrräder neuerdings auf den Gehwegen und Verbote müssen her. Der Unterschied im Neuen. Es ist wahrlich augenöffnend, wie blind wir gegenüber der Millionen Stahltonnen in unseren Großstädten sind, weil sie eben schon da waren, als wir aufwuchsen.

Technologiediskurse ähneln sich immer in Grundmustern; ebenso wie sich die Verbreitung von nützlichen Technologien in der Gesellschaft ähneln. (Die bekannte S-Kurve, Regulierungen) Selten war es allerdings so offensichtlich wie mit dem Auto in Deutschland am Vorabend des größten Mobilitätsumbruchs seit 100 Jahren.

Ich finde es immer hilfreich, mit Was-wäre-Wenn-Fragen meine eigenen Prämissen und die von anderen zu beleuchten und zu hinterfragen. Dirk von Gehlen macht es hier auch:

Was wäre eigentlich, wenn jemand heutzutage Autos erfinden würde? Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen jemand eine Technologie vorschlägt, die Menschen Mobilität verspricht – dafür aber 3275 Menschen im Jahr 2018 das Leben kostet?

​Undenkbar.

Der Verkehrsminister kommt seit Jahren damit durch, dass jährlich mehr Radfahrer*innen im Straßenverkehr ihr Leben lassen. Im ersten Halbjahr 2019 ist deren Zahl um 11,3 Prozent gestiegen.

Unmöglich. Alles verbieten. Untergang des Abendlandes.

Aber es war schon immer so. Also ist es Hintergrundrauschen.

(Fotoquelle)

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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