24. Okt. 2012 Lesezeit: 4 Min.

Der turbulente Markthintergrund zur Qype-Übernahme durch Yelp

Die gleiche alte Geschichte: Erneut verschwindet ein weiteres unabhängiges deutsches Webunternehmen, das vor allem im heimischen Markt erfolgreich war, aber nie aus Europa herausgekommen ist, weil es zwar früh mit dem initialen Produkt regional Netzwerkeffekte feiern konnte, den Machern aber irgendwann die konzeptionelle Puste ausging.

Wie beide Unternehmen heute bekanntgegeben haben, wird die Empfehlungsplattform Qype von ihrem US-Konkurrenten Yelp übernommen. Laut TechCrunch bezahlt Yelp zusammengerechnet 50 Millionen US-Dollar:

 It will pay €18.6 million for all of Qype’s shares and is adding another 970,000 shares of Yelp’s Class A common stock, for a total purchase price of approximately $50 million.

Yelp war 2010 auf den deutschen Markt gekommen, hat sich in den letzten Jahren aber sogar im webfreundlichen Berlin schwergetan. Es macht nicht den Eindruck als hätte Yelp in den letzten Jahren nennenswerte Fortschritte mit organischem Wachstum im deutschen Markt gemacht. (Man vergleiche das mit der Entwicklung von Facebook in Deutschland.) Ein Umstand, der sich allerdings auch ohne Qype-Übernahme geändert hätte. Den Grund findet man im letzten Abschnitt des Textes.

Paradigmenwechsel hin zum mobilen Web

Angesichts der letzten Bewertungen von Qype können die Investoren mit dem Übernahmepreis zufrieden sein. Deutsche Startups:

Die 2006 gestartete Bewertungsplattform Qype wurde in den vergangenen Jahren unter anderem von Vodafone Ventures, Advent Venture Partners, Partech, dw Capital und Wellington Partners unterstützt. Qype-Gründer Uhrenbacher war zuletzt noch mit 17 % am Unternehmen beteiligt. Insgesamt sammelte Qype in der letzten veröffentlichten Finanzierungsrunde Ende 2010 6,5 Millionen Euro ein. Im Herbst 2008 sammelte die Jungfirma zuvor 8 Millionen Euro ein. Die letzte bekannte Bewertung des Unternehmens lag beim Einstieg von Vodafone Ventures bei rund 43 Millionen Euro. 

Denn sowohl Qype als auch Yelp haben ein Problem. Sie sind Webdienste, die auf dem Desktop geboren wurden und dessen Logiken folgen. Sie lösen allerdings ein Problem, lokale Empfehlungen, das inhärent Smartphoneland ist. Ohne konzeptionelles Neudenken für diese Dienste wird Wachstum oder auch nur das Halten der Position schwierig.

Die größte Herausforderung von Yelp, das in den USA noch ein Juggernaut ist, sind deshalb mobil besser aufgestellte Lösungen für dieses Problem; und konkret: Foursquare.

Foursquare und die Herausforderungen für Yelp/Qype

Ich hatte es bereits zum Börsengang von Yelp im letzten Jahr erwähnt. Warum Foursquare das Zeug hat, zur ersten großen Plattform des mobilen Webs zu werden, hatte ich im November 2011 ausführlich analysiert:

Ob Prag oder Provinz, Foursquare scheint das Henne-Ei-Problem des ortsbasierten Webs – man fängt in jeder Region wieder bei Null an – schneller zu lösen als alle anderen und damit schneller als alle anderen überall präsent zu sein. Und das ist das Fundament, auf dem die Plattform, die Community, die Empfehlungsmaschine, die Apps und die Kooperationen gedeihen können.

Und hier, im mobilen Web, zeigte sich auch, dass Qype an die konzeptionellen Grenzen gelangt war.

Ich schrieb zum Yelp-IPO:

Yelps Website und mobile App sind allerdings recht gut gemacht und zum Beispiel hilfreicher konstruiert als jene vom deutschen Qype.

Qype hätte mit einer Kooperation und/oder Integration von Foursquare und anderen Diensten wichtige Daten ansammeln können, die die eigene Position hätten stärken können.

Mehr kleinteilige Daten in Form von Checkins hätten die Reviewdaten stärken können. Qype hätte Erfahrungen sammeln können, die dem großen US-Konkurrenten gefehlt hätten. Siehe hierzu etwa meine Ausführungen von August 2010.

Stattdessen hat Qype das Gleiche wie Yelp gemacht: Eine schlechte Checkin-Funktion ohne langfristige Strategie dahinter in die eigene App integriert. Stephan Uhrenbacher von Qype aus dem Jahr 2010 zufolge scheint es eine Entscheidung von Qype gewesen zu sein, diesen Weg zu gehen, statt eine von außen erzwungene:

Wir haben Gespräche mit Foursquare geführt, uns dann aber dazu entschieden, unser eigenes Checkin-System aufzubauen. Das bietet sich auch an, immerhin besitzen wir ja eine umfassende Location-Datenbank. Auf diese wiederum greifen andere Location Based Services über die Qype API zu.

Fast könnte man meinen, das wäre typisch für deutsche Webgründer: Immer versuchen alles selbst zu machen und am Ende unter anderem auch gerade deswegen mit dem Gegenteil dastehen; nämlich als Ableger eines US-Anbieters.

Qype, das wie studiVZ und Xing ein nur auf wenigen nationalen Märkten erfolgreicher Dienst war, sah sich nicht nur einem international wesentlich größer aufgestellten Konkurrenten gegenüber, sondern auch einem Paradigmenwechsel durch das kommende mobile Web.

Mit innovativen Ansätzen hätte Qype dank guter regionaler Basis mehr werden können. Dafür schienen aber die Visionen gefehlt zu haben.

Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Exit für alle Beteiligten auf der Qype-Seite ausgesprochen erfreulich.

Die neuen iOS-Karten als Heilsbringer für Yelp

Meine Aussicht auf Yelp, die zum Zeitpunkt des Börsengangs nicht sehr positiv ausgefallen war, hat sich in der Zwischenzeit etwas relativiert. Das liegt weniger am Produkt von Yelp und mehr an Apple: Denn Yelp ist einer der Partner für die neuen Karten auf iOS. Yelp selbst und die Reviews von Yelp sind damit mit einem Schlag zumindest im populären mobilen Betriebssystem iOS auf eine Stufe gerutscht, die im Web und auf Android und vorher auf iOS Google vorbehalten war.

Die iOS-Integration von Yelp ist eine Distributionsgoldmine. Allein deshalb sind Yelp-Reviews für Geschäfte mit einem Schlag wichtig.

Auch diese Entscheidung von Apple könnte in die Übernahmegespräche eingeflossen sein. Es ist zumindest eine interessante Randnotiz wert, dass Apple sich nicht die Mühe gemacht hat, hierzulande neben Yelp auch Qype, das wesentlich mehr Ergebnisse hat, zu integrieren. Wenn es für Qype keine Möglichkeit gibt, eine vergleichbare Partnerschaft mit Apple zu erlangen, wäre der Ofen mittelfristig so oder so aus gewesen - denn man erinnere sich: im mobilen Web liegt die Zukunft für Dienste wie Qype und Yelp.

(Warum Qype nicht bei den Apple-Karten dabei ist, spielt dabei gar keine so große Rolle. Vielleicht haben Yelp und Apple einen internationalen Deal abgeschlossen. Yelp hat naturgemäß einen besseren Blick auf seinen Markt als Apple, und dürfte die Vorteile besser erkannt haben. Oder Apple macht es sich leicht und sich selbst hier zum Kingmaker. So oder so: Allein die Tatsache, dass Qype, der Platzhirsch auf dem wichtigen deutschen Markt, kein iOS-Maps-Partner zum Launch war, spricht Bände.)

Man darf gespannt sein, inwiefern es Yelp gelingen wird, die Datenbanken zusammenzuführen. Vor allem deutsche iOS-User würden sich über eine erfolgreiche Übertragung der Daten freuen.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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