17. Apr. 2012 Lesezeit: 2 Min.

Die Bedeutung des Urheberrechts wird überschätzt

Es ist erstaunlich, wie sehr selbst intelligente Menschen die Bedeutung des Urheberrechts überschätzen. Oft wird in der Debatte so argumentiert, als würde jeder einzelne kreative Schaffensprozess daran hängen, ob wir das Urheberrecht in der heutigen Form behalten oder nicht. Eine leichte Verkürzung der Schutzfristen und wir sehen nie wieder ein neues Musikalbum oder einen neuen Roman das Licht der Welt erblicken!

Das ist natürlich Quatsch.

Tatsächlich spielt das Urheberrecht für das Geschäft in ganz vielen Bereichen, wie etwa bei (Print-)Tageszeitungen, entgegen oft dahin geworfener Aussagen überhaupt keine Rolle. Für solche, für die es eine Rolle spielt, hängt die Rolle eng am gewählten Geschäftsmodell (Tonträgerunternehmen). Das Recht ist dann wichtig für von diesen Prozessen abhängige Unternehmen. Nicht zwingend aber für die Prozessunabhängigeren (die Urheber selbst etwa).

Die oft kaum vorhandene Bedeutung des Urheberrechts im Alltag merkt man meist erst dann, wenn man feststellt, dass ein schwächeres Urheberrecht gar keine negativen Auswirkungen hat. (Etwas, dass keiner der Urheberrechtsmaximalisten von Handelsblatt bis Tatort-Autor jemals empirisch feststellen wird, weil diese immer das Maximum des sich immer weiter ausweitenden Urheberrechts in Anspruch nehmen. Ihnen fehlt somit jede empirische Untermauerung ihrer Argumente. (Neben fehlender Theorie und innerer Logik der Argumente))

Malte Welding hat in der FAZ die Relationen ein wenig gerade gerückt:

Keiner verdient also so recht. Aber doch stehen ganz oben, so weit oben, dass der Autor sie niemals zu Gesicht bekommt, Leute, mit denen verglichen Lady Gaga Hartz-IV-Empfängerin ist. Piper gehört zum schwedischen Bonnier-Konzern, zusammen mit Ullstein, Pendo, Carlsen und einigen anderen deutschen Verlagen. Die Bonnier-Sippe gehört zu den reichsten Schweden. Man kann also nicht nur leben vom Schreiben, man kann sogar sehr gut davon leben - wenn man es nicht gerade selbst praktiziert. Halten wir also noch einmal fest: Bei „Spreeblick“ haben wir unsere Texte frei zur Verfügung gestellt, jeder hätte sie unter Verweis auf uns in seinen Blog stellen, verändern, bearbeiten, verhackstücken können. Unser Problem war kein zu schwaches Urheberrecht, unser Problem war eine zu schwache Aufmerksamkeit.

Das bringt es gut auf den Punkt: Für viele Kreativschaffende ist Unbekanntheit ein viel größerer Feind als zu viel Bekanntheit, die sich nicht gleich direkt monetarisieren lässt (Filesharing etc.).

Und natürlich helfen die neuen Informationstools enorm der Wissens- und Kulturproduktion, statt ihr zu schaden:

Darüber hinaus hätte mein erstes Buch leicht doppelt, wenn nicht dreimal so viel Zeit in Anspruch genommen, hätte es nicht Google Books und Google Scholar gegeben. Statt meine Zeit mit Fahrten in Archive zu verplempern, konnte ich die Busfahrzeit auf null reduzieren und entsprechend die Schreibzeit erhöhen.

Malte Weldings Aufruf, dass Künstler sich auf Geschäftsmodelle und das Geld verdienen einlassen müssen, dass sie anfangen, sich mit der Geschäftsseite zu beschäftigen, kann ich nur unterschreiben:

Künstler müssen eines: wissen, von wem sie Geld bekommen können. Und es von demjenigen fordern. Schnell sein. Mischkalkulationen anstellen. Solidarisch sein. Materialistisch sein. Und nicht: Geisterdebatten führen.

Gerade in den heutigen Zeiten ermöglicht die Verschiebung der Prozesse auch Kreativität beim Geld verdienen. Wenn neue Wege möglich werden, kann man sich auch als Kreativer emanzipieren und entweder von einer besseren Verhandlungsposition aus mehr heraushandeln oder einen eigenen Weg gehen, der vielleicht an den Rändern aufwendiger ist, aber auch mehr Freiheit mit sich bringt. Siehe hierzu auch: Erfolgversprechende Geschäftsmodelle im Filesharing-Zeitalter.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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