Christian Heller hat einen sehr lesenswerten Artikel über das in Deutschland die Internetdebatten oft dominierende Thema Datenschutz auf Carta veröffentlicht.
Einige Ausschnitte aus dem sehr langen Artikel:
Bei genauerem Hinsehen, das sollen die folgenden Ausführungen skizzieren, ist Datenschutz aber vor allem auch: Ideologie und Instrument bestimmter Vorstellungen von Staatsrecht und geistigem Eigentum; Rettungsanker für bestehende Ordnungen im Guten wie im Schlechten und Schutzversprechen für fragwürdige identitäre Logiken.
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Politische Apparate der Medienpädagogik, des Jugendschutzes, der Gesetzgebung werden angerufen und frohlocken über jede verliehene Kompetenz zur Eindämmung von Freiheitsexzessen. Privatwirtschaft in ihrer Profitgier sei hier nicht vertrauensfähig; “zivilgesellschaftliche” (d.h. staatlich geförderte) und staatliche Kontrolle muss her. Hier spätestens zerbricht das Bild des Kampfes um Datenschutzes als Zwei-Fronten-Krieg: Datenschutz heißt, auf den Staat setzen.
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Der Eigentumsbegriff im Datenschutz wird besonders absurd dort vorgeführt, wo vor der Entwicklung persönlicher Daten hin zur Massenware gewarnt wird. Man soll sich bewusst machen: Persönliche Daten werden für Profitzwecke gesammelt und ausgewertet. Daraus soll die Konsequenz gezogen werden dies für illegitime Ausbeutung zu halten – je schlimmer, desto mehr Profit daraus entstehe. Das setzt aber gerade voraus, dass persönliche Daten im Zusammenhang von Eigentum, Geld-Wert und Handelbarkeit begriffen werden -und dann mit ihnen zu knausern, um ihren Wert zu sichern oder zu steigern, anstatt sie durch großzügiges Teilen zu entwerten, zu vergesellschaften. Das Paradoxe nämlich ist: Sind Daten öffentlich und verfügbar, statt privat und gesperrt, bezahlt niemand mehr Geld für sie – sie hören also auf, Ware zu sein.
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Die gegenwärtige Daten-Explosion und Erosion des Privaten lässt sich als Bedrohung oder als Chance begreifen; in jedem Fall erschüttert sie bisherige Verhältnisse, Privilegien, Sicherheiten. Es ist verführerisch, sich in dieser Verwirrung an die vermeintlichen Sicherheiten des Status Quo zu klammern. Eine Welt im Fluss erfordert aber nicht nur immer wieder die Rechtfertigung von Neuem gegenüber dem Alten, sondern auch umgekehrt immer wieder die Infragestellung des Alten durch das Neue.
Hervorragender Artikel. Unbedingt lesen!