5. Juni 2014 Lesezeit: 1 Min.

Es geht nicht um die Zukunft des Journalismus, sondern um die Zukunft der Öffentlichkeit

Thierry Chervel zeichnet in seinem Artikel im Perlentaucher-Blog über Krautreporter ein präzises Bild der heutigen Öffentlichkeit und der Herausforderungen für die Zukunft:

Repräsentanten des alten Systems wie Frank Schirrmacher oder Mathias Döpfner malen gern die dunklen Seiten des Netzes aus und bekennen ihre Angst vor Google, aber sie handeln in ihrem eigenen Interesse, das sie gern als das der Allgemeinheit verkleiden. Über die Idee des offenen Netzes haben sie noch nie ein Wort verloren, im Gegenteil, ihnen geht es um Exklusivität und die eigene Präzeptorenrolle.

Diese Präzeptoren spielen ihre Hauptrolle in der aufgeklärten Öffentlichkeit mit immer weniger Überzeugungskraft. Die Hauptfrage ist nicht, wie sie suggerieren, ob der Journalismus eine Zukunft hat, sondern wie Gesellschaften sich eine freie und reichhaltige Information organisieren. Das offene Netz ist heute der einzige denkbare Ort einer breiten Öffentlichkeit.


In Deutschland wird es deshalb nicht nur dringend notwendig, den alten Präzeptoren die Deutungshoheit endgültig zu nehmen, sondern auch, dass konstruktiv über die heutige Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien gesprochen wird. Chervel:

In Zeiten fehlender Geschäftsmodelle für unabhängig finanzierte Medien fallen die über 200 Euro jährlich, die die Bürger für "Tatort" und "heute journal" obligatorisch hinblättern, zu sehr ins Gewicht. Sie beschneiden die Medienetats der Bürger und erschweren somit Innovation, wie sie die Krautreporter verkörpern. Das Spielgeld der Bürger für Neues ist zu gering. Acht Milliarden Euro – nicht viel weniger als für die Kirchen, genauso viel wie für das gesamte Kulturleben sämtlicher Bundesländer und Gemeinden – werden in einen Apparat gesteckt, der dem Medienwandel mühsam und lustlos hinterherhinkt.

Mit einer Debatte über die Öffentlich-Rechtlichen ist es in Deutschland leider wie mit einer Debatte über digitale Themen allgemein: Die Eigeninteressen der privaten Massenmedien vergiften jede öffentliche Debatte.

Denn es geht letztlich nicht, wie es etwa Hans-Peter Siebenlobby vom Handelsblatt gern hätte, um die Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen, sondern um deren überfällige radikale Modernisierung.

Chervel weiter:

Die Idee einer öffentlich-rechtlich geförderten Öffentlichkeit müsste also ganz neu formuliert werden. Der ursprüngliche Mangel, der die Anstalten legitimierte – die raren Frequenzen, die keinen neuen Hugenbergs ausgeliefert werden sollten – existiert nicht mehr. Die Gefahr lauert von anderer Seite: Zu schützen und zu entwickeln wäre vor allem die Idee des offenen Internets: freie Information, Open Access, Open Source.

Moderne, digitale Öffentlich-Rechtliche Angebote wären ein wichtiges Standbein einer starken Netzöffentlichkeit, weil sie nicht nur eigene Angebote bereitstellen würden sondern auch die allmendebasierte Peerproduktion von zum Beispiel Wikipedia und anderen Projekten und auch die Arbeit der privaten Massenmedien als Informationslieferant unterstützen würden.

Aber alas.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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