Wer meine Artikel verfolgt, weiß, dass es keinen Diebstahl von geistigem Eigentum geben kann (auf netzwertig.com hatte ich vor einiger Zeit darüber geschrieben, dass 'geistiges Eigentum' in der Art, wie es gemeinhin von Bürgern verstanden und in den Medien dargestellt wird, so nicht existiert).
Die Mär vom Diebstahl immaterieller Güter (Informationsgüter) hat ihren Ursprung in einem naiven Verständnis von dem, was "geistiges Eigentum" ist, massivem Lobbyismus der Entertainmentbranchen gepaart mit Agendasetting selbiger und leider sehr schlechtem Journalismus in diesem Bereich.
Selbst Technologie-Publikationen wie T3N, die es besser wissen müssten, schreiben zum Beispiel vom Diebstahl von Texten. Texte, wie alle Informationsgüter, können nicht gestohlen werden. Das gilt natürlich genau so für die Begriffe Raubkopie bei illegalen Kopien und dem Vergleich von nicht autorisiertem Filesharing mit Diebstahl oder Klau.
Auf netzwertig.com hatte ich vor einem Jahr bereits auf einen österreichischen Richter verwiesen, der klarstellte, dass illegale Downloads niemals Diebstahl sind.
netzpolitik.org und Dirk von Gehlen verweisen auf einen Text in der Süddeutschen, der das Diebstahl-Missverständnis noch einmal beleuchtet.
Der Text stammt von Michael Hutter, Professor an der Technischen Universität Berlin und Direktor der Abteilung "Kulturelle Quellen von Neuheit" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Hier einige Auszüge:
Das gestohlene Fahrrad fehlt dem Besitzer, geistige Inhalte sind nicht weg, wenn sie erschlichen wurden. Geistige Inhalte sind öffentlich, die falsche Rede vom Diebstahl muss aufhören.
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Geistige Inhalte sind öffentliche Güter, das heißt, sie können von vielen gleichzeitig genutzt und sie können leicht erschlichen werden. Darin liegt ein Problem. Aber dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn die falsche Rede vom Diebstahl einer Sache aufhört.
Einen weiteren lesenswerten Text zum Thema hat der Rechtsanwalt Thomas Stadler in seinem Blog verfasst:
Unpassende Begriffe wie der der Raubkopie sind eine unmittelbare Folge der Fiktion vom geistigen Eigentum, das nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem tatsächlichen Eigentum gleichgesetzt und dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterstellt worden ist.
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Denn die Unterhaltungsindustrie hat in Wahrheit noch nie Geisteswerke verkauft, sondern - wie Hutter es in seinem Beitrag für die SZ nennt - immer nur Behälter. Diese Behälter heißen Bücher, Schallplatten, CD's, DVD's. Und seit man diese Behälter nicht mehr zwingend benötigt, hat sich gezeigt, dass Geisteswerke nicht wie Sachen festgehalten werden können und es neuer Mechanismen bedarf, wenn man weiterhin an ihrer wirtschaftlichen Verwertung partizipieren will.
In diesem Zusammenhang verweise ich nochmal auf meinen Artikel zum Thema, warum Labels, Filmstudios und Verlage neue Geschäftsmodelle brauchen.
Stadler bringt die aktuelle Lage rund um Filesharing auf den Punkt:
Am Ende wird die Frage nicht sein, ob der juristische Kampf gegen Filesharer legitim ist oder nicht, sondern allein ob er wirtschaftlich sinnvoll ist. Und das ist er nicht.
In der Tat.