Die Idee des Leistungsschutzrechts für Presseverlage, die mittlerweile ihren Weg von Deutschland nach Österreich gefunden hat, war trotz der anhaltenden Diskussion über die letzten Monate notwendigerweise immer vage. Die Öffentlichkeit wusste nicht, was die Verlage sich genau wünschen und diese wussten es entweder auch nicht oder wollten das nicht öffentlich diskutiert sehen.
Jetzt wurde irights.info ein Gesetzesentwurf zugespielt, der dort auch analysiert wird. Das ist insofern nicht überraschend, als dass irights.info und besonders Matthias Spielkamp sich seit der ersten Forderung der Verlagsvertreter intensiv und kritisch mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage auseinandersetzen. Der Entwurf kann als PDF hier heruntergeladen werden.
Jetzt also kann man sich erstmals mit konkreten Forderungen beschäftigen.
Wie bereits absehbar war, soll eine neue neue Verwertungsgesellschaft gegründet werden. Ver.di und DJV wollen die bereits jetzt hoffnungslos überforderte VG Wort damit betrauen. Die Verlage wollen eine neue Verwertungsgesellschaft gründen.
Die Befürchtungen, ein Leistungsschutzrecht hätte weitreichende Folgen, findet man in diesem Entwurf bestätigt. irights.info:
Die Definition des Leistungsschutzrechts als „Ausschließlichkeitsrecht“ zeigt im Übrigen, dass die in den vergangenen Monaten oft gehörte Äußerung der Verleger, es gehe ihnen nicht darum, kontrollieren, erlauben oder verbieten zu können, sondern nur um eine wirtschaftliche Beteiligung an den Handlungen der Nutzer, ein Lippenbekenntnis war. Denn um Geld zu generieren, würde ein bloßer Vergütungsanspruch genügen. Ein Ausschließlichkeitsrecht unterscheidet sich von einem Vergütungsanspruch in ganz wesentlichen Aspekten. Am bedeutendsten erscheint, dass der Nutzer eines Ausschließlichkeitsrecht vor jeder Verwendung des jeweiligen Inhalts Rechte einholen muss, statt lediglich für die Nutzung zu zahlen.
Der Nutzer soll künftig vor jeder Verwendung die Rechte einholen. Es ist offensichtlich, worum es hier geht: Die Verleger wollen einen Verhandlungshebel gegen Google und co.
Neben "gewerblichen Nutzern" (Personen, die Presseerzeugnisse am Arbeitsplatz lesen, dazu gleich noch mehr), würde das Gesetz alle Suchmaschinen und News-Aggregatoren betreffen, irights.info:
Beide Entwürfe sehen keine Unterscheidung zwischen News-Aggregatoren und allgemeinen Suchmaschinen vor. Auch Microsoft/MSN wäre nach diesem Entwurf „ein Nutzer“, weil in den Suchergebnissen der Suchmaschine „Teile von Presseerzeugnissen“ angezeigt werden.
Gleiches gilt natürlich für die Google-Suche und alle anderen Dienste dieser und anderer Arten. Der Social-Media-Aggregator Rivva müsste im Zweifel ebenso zahlen, wie der Perlentaucher und ähnliche Dienste
Der Rechtsanwalt Thomas Stadler ist anderer Ansicht:
Denn Google vervielfältigt und verbreitet keine Presseerzeugnisse und gibt diese im urheberrechtlichen Sinne auch nicht öffentlich wieder, zumindest wenn man der Auslegung des Bundesgerichtshofs aus der Paperboy-Entscheidung folgt. Weder Dienste wie Google News noch Links auf Presseartikel wären deshalb von diesem Leistungsschutzrecht betroffen.
Stadlers Schlussfolgerung:
Letztlich handelt es sich um eine schnöde Geräteabgabe zu Lasten von Unternehmen, der es allerdings wegen des fehlenden Zusammenhangs von Presseerzeugnissen und gewerblicher Computernutzung an jedweder sachlichen Grundlage mangelt.
(Hervorhebung von mir)
Die Analyse von irights.info macht klare Aussagen: Der aktuelle Gesetzesentwurf läuft auf eine Monopolisierung der Sprache hinaus, wenn selbst Formulierungen schützenswert werden. Auch Blogger, unabhängig ob kommerziell oder nichtkommerziell, müssen eventuell Verträge mit der Verwertungsgesellschaft abschliessen, wenn sie sich auf Presseerzeugnisse beziehen würden.
Meine Vermutung, dass kommerzielle Teamblogs gesetzlich zu Presseverlegern werden könnten, scheint sich zu bewahrheiten. heise schreibt:
Als Presseverleger werden alle gefasst, die eine "wirtschaftliche und organisatorische Leistung" erbringen, "um das Presseerzeugnis herzustellen".
Die Verlage wollen auch Personen, die ihre kostenlos im Netz verfügbar gemachten Inhalte am Arbeitsplatz konsumieren, abkassieren. Wie das gehen soll? Man will die Speicherung der Inhalte im Cache des Rechners als gesetzlich zu regelnde Vervielfältigungsehen.
Besser lässt sich der Clash der industriellen Gesellschaft mit der digitalen Gesellschaft nicht veranschaulichen.
Lustig auch, dass die Verlage öffentlich-rechtliche Angebote aus dem Angebot aussschließen wollen. irights.info:
So wollen die Presseverlage ihre Auseinandersetzung mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten offenbar auch über das Leistungsschutzrecht weiterführen. Diesen soll ein solches Recht nämlich nicht zustehen, da sie „nicht als Presseverleger im Sinne dieses Gesetzes“ gelten. Tagesschau.de ginge also leer aus.
Die komplette Analyse von irights.info ist unbedingt lesenswert. Das Fazit der irights.info-Redaktion:
Würde der Gesetzgeber diesen Forderungen Folge leisten, würde das unweigerlich zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen und die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigen, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist. Die Entwürfe machen mehr als deutlich, dass die vielfältigen Kollateralschäden mit gesetzlichen Formulierungen nicht vermieden werden können. Sie sind vielmehr eine Folge der Idee des Leistungsschutzrechts für Presseverleger selbst.
(Hervorhebung von mir)
Ebenfalls lesenswert ist die Zusammenfassung bei heise.
Es bleibt weiterhin vieles unklar. Etwa, wie die Rechte künftig erfasst werden sollten.
Anmerkung am Rande: Dass ein so wichtiger Gesetzesentwurf in einem Blog veröffentlicht wurde, und in Blogs diskutiert wird und das alles praktisch ohne Beteiligung der großen Presseverlage und ihrer Publikationen stattfindet (einzige Ausnahmen: heise und ein ZEIT-Blog), ist bemerkenswert und zeigt, dass es mit der Wahrnehmung des demokratischen Auftrags nicht weit her ist, auf den sich die Verlage wiederrum beziehen, um die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes zu rechtfertigen.
Die zurückhaltende bis komplett fehlende Berichterstattung der deutschen Presseerzeugnisse bezüglich dieses Gesetzes, das von Verlagsvertretern gegenüber Kritikern als wichtig und für Journalismus und Demokratie überlebensnotwendig beschriebenen wird, begleitet bereits die gesamte Debatte.
Die Diskrepanz zwischen von Verlags-Lobbyisten vorgetragener Bedeutung des neuen Rechts und dem Schweigen der deutschen Presse hierzu ist offensichtlich.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.