Die deutsche Onlinemedienlandschaft ist Brachland. Noch.
Im Gegensatz zu ihren US-Vertretern stellen die deutschen Presseverlage ihre Printinhalte mehrheitlich nicht online. Online finden sich dafür abgeschwächte, oft wie etwa im Falle der SZ boulevardisierte, Versionen der Printausgaben mit wenigen Printartikeln, vielen Agenturmeldungen, Bildergalerien und suboptimalen Artikeln von einer unterbesetzten Online-Redaktion.
Relaunches werden gar klammheimlich dazu verwendet, die online gestellten Inhalte noch weiter zurückzufahren.
Dieses Vorgehen ist natürlich das gute Recht der Presseverlage. Sie können mit ihren Produkten machen was sie wollen.
Aber das hat nicht nur Auswirkungen auf unsere aktuelle Demokratie, in der eine ganze Generation in ihrem bevorzugten Medium von den Intellektuellen des Landes nicht mehr angesprochen wird, weil diese darin praktisch nicht stattfinden.
Es drängt auch eine weitere Frage auf.
Aber zunächst eine kurze Exkursion: Es ist mittlerweile auch abseits der Internetbranche etabliert, dass die bestimmenden Plattformen, die kommerzielle Infrastruktur auf der viele Dienste im Web aufsetzen, aus den USA kommen: Google, Apple, Facebook, Amazon, YouTube, Twitter etc. Eine Entwicklung, die man bereits 2008 ausmachen konnte, die aber erst im Laufe des letzten und diesen Jahres bei allen Vertretern von Wirtschaft und Politik angekommen ist.
Dieser Umstand hat zur Folge, dass zum Beispiel Inhalteanbieter wie Presseverlage mehr oder weniger auf Plattformen wie Google, Facebook und Apple für ihr Geschäft angewiesen sind.
Die Frage, die ich mir seit geraumer Zeit stelle, ist folgende: Was passiert, wenn hierzulande weder klassische Presseverleger noch Quereinsteiger aus dem Internet es schaffen, eine der Marktgröße angemessene Onlinemedienlandschaft aufzubauen? (Eins der wenigen großen Branchenerfolge ist das E-Commerce-Blog Exciting Commerce, für das ich als Autor tätig bin.)
Die Antwort: Es wird das gleiche passieren, dass wir auch bei den Plattformen und Webdiensten wie Groupon sehen: In Deutschland werden lokale Ableger von ausländischen Unternehmen die Märkte bestimmen.
Das populäre Mobiltech-Blog BGR hat vor wenigen Wochen bekanntgegeben, dass sie Mitte November einen deutschen Ableger starten werden.
Auch das Wall Street Journal will im Januar 2012 nach Deutschland kommen. Als reines Digital-Angebot:
Das Wall Street Journal Deutschland solle dabei auf einer Webseite und mittels mehrerer Smartphone-Apps und Tablet-Ausgaben eine Mischung von Gratis- und Bezahlangeboten für deutsche Leser zur Verfügung stellen.
Und nun hat AOL bekannt gegeben, was manchen in der Branche bereits bekannt war.
Die Huffington Post kommt nach Deutschland:
Das US-Nachrichtenportal "Huffington Post" soll innerhalb der nächsten sechs Monate einen deutschsprachigen Ableger bekommen. Dies berichtet der Brachendienst "Meedia". Jimmy Maymann, bei der "Huffington Post"-Mutter AOL für den Inhalteausbau zuständig, ließ am Mittwoch via Twitter verlauten: "Ja, wir kommen nach Deutschland, wenn wir den richtigen Partner gefunden haben".
In den USA liegt die Huffington Post mittlerweile in der Reichweite auf Augenhöhe mit der Website der New York Times, des reichweitenstärksten Medienangebots im Web weltweit.
Beim noch im November kommenden französischen Ableger kooperiert die linke Huffington Post mit der linken Le Monde. Es ist praktisch sicher, dass die Huffington Post auch in Deutschland mit einer eher links eingestellten Publikation zusammenarbeiten wird.
Wall Street Journal, Huffington Post, BGR. Warum wagen sie alle einen Angriff auf den deutschen Online-Medien-Markt? Weil sie einen Markt sehen, der bisher schlecht bedient wird. Oder wie Jimmy Maymann, bei AOL Huffington Post Media für den Ausbau der Inhalteangebote verantwortlich, es gegenüber Meedia ausdrückt:
"Es gibt in Deutschland Raum für Innovationen." Gemeinsam mit dem Partner, der laut Maymann noch nicht feststehe, werde die inhaltliche Positionierung festgelegt. "Deutschland ist ein interessanter Markt für Nachrichtenangebote", sagte der Manager.
Die deutschen Presseverleger haben geglaubt, wenn man Brachland nicht bestellt, verschwindet es einfach wieder. Sie werden schmerzlich feststellen, dass sie falsch lagen.