2. Juli 2010 Lesezeit: 2 Min.

Im Web lässt man andere auf seinen Schultern stehen, um selbst erfolgreich zu sein

Markus Spath feiert 5 Jahre live.hackr (Glückwunsch!) und hat anlässlich dessen einen durchaus ergiebigen Rückblick auf die letzten fünf Jahre im Web gegeben.

Im Absatz "der parasit" fasst er den Grund zusammen, warum sich viele Manager von etablierten aber jetzt im Geschäftsmodell durch das Web bedrohten Unternehmen mit der Veränderung so schwer tun:

das nicht ertragen können, dass ein anderer aus der eigenen existenz ungefragt und ohne direkte bezahlung irgendeinen nutzen zieht.

Spath führt aus:

zeitungsverleger halten es nicht aus, dass eine nachricht ohne direkte bezahlung gelesen wird und dass google davon sogar finanziell profitiert, musikverwerter halten es nicht aus, dass ein track ohne bezahlung angehört oder als untermalung einer slideshow benutzt werden kann und dass google davon sogar finanziell profitiert, usw.

[..]

ich schneide mir lieber der finger ab, bevor ein anderer von meiner leistung profitiert, ohne dass ich direkt bezahlt werde oder mein explizites einverständnis gebe, und den finger schneide ich mir übrigens ganz sicher nicht ab, also fordere ich umfassende kontroll- und sanktionssysteme, die diesem treiben der nutznießer einhalt gebieten. die kosten für die systemische verunmöglichung von missbrauch sind aber üblicherweise um faktoren höher, als der tatsächliche schaden selbst.

Spath hat recht, wenn er schreibt:

man muss sich vom anspruch befreien, die gesamte wertschöpfungskette kontrollieren zu können und jeden tropfen wert abschöpfen zu müssen.

Tatsächlich ist die Zersplitterung von Ebenen der Wertschöpfungskette, die ehemals zusammengehörten, der Grund dafür, dass zunehmend mehr Geschäftsmodelle unprofitabel werden. Das betrifft zum Beispiel die früher unlösbare Kopplung von Produktion und Distribution bei Medieninhalten. Die zersplitterte Alternative ist effizienter.

So trivial es klingt, aber man muss es immer wieder sagen, weil es so wichtig, aber doch noch nicht überall angekommen ist:

Die Vernetzung des Webs hat vielerorts zu massiv gesunkenen Transaktionskosten geführt. Das wiederrum führte dazu, dass Kooperationen  das Web bestimmen, die so lose sind, dass sie von Vielen gar nicht als Kooperationen wahrgenommen werden. (Das profanste Beispiel ist der Hyperlink von einer Website zu einer vollkommen unabhängigen Website, welcher Traffic und damit Reichweite übergibt. Mittlerweile übernehmen APIs die nächste webweite Stufe dieses Vorgangs.)

Da solche Kooperationen im großen Stil oft in der dadurch entstehenden Gesamtheit wettbewerbsfähiger sind als die rein hierarchischen Alternativen, lösen sie diese oft ab. Anders gesagt: Nicht immer aber immer öfter schlägt das Netzwerk die Hierarchie. Aufgrund gesunkener Transaktionskosten.

Wer also so denkt..:

komplementär zu diesem grundgefühl kommt der anspruch, aus der verwertung eines produktes auch noch den letzten tropfen wert aussaugen zu wollen.

..läuft im Web grundsätzlich Gefahr, eine suboptimale bis unprofitable Strategie zu fahren. Denn bereits der nächste Konkurrent könnte auf das Netzwerk setzen.

Eine kurzfristige Sichtweise wird im Web stärker bestraft als in der Regel in der analogen Welt: Auch das ist eine Folge der Netzwerkeffekte, die zu exponentiellen Wachstumsraten führen.

Man könnte auch sagen, dass diejenigen, die niemanden auf ihren Schultern stehen lassen wollen, sich über die Opportunitätskosten dieser Entscheidung nicht im Klaren sind.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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