Markus Beckedahl hat aktuell mit einem Satz in einem WDR5-Interview eine kleine Diskussion unter Juristen losgetreten:
„Jeder, der das Internet aktiv nutzt und Medienkompetenz zeigt, begeht die ganze Zeit Urheberrechtsverletzungen.“
Telemedicus hat anlässlich der Diskussion fünf Beispiele für die vielen kleinen Urheberrechtsverstösse im Weballtag gesammelt:
1. Kommentierte Links in Blogs
2. Das Einbinden von Videos aus Videoportalen
3. Passfotos im Internet
4. Unklare Lizenzbestimmungen bei „freien” Inhalten
5. Vervielfältigungen in der Cloud
Telemedicus' Fazit:
Denjenigen, die täglich von ihrer Medienkompetenz Gebrauch machen, indem sie moderne Kommunikationsformen des Web2.0 nutzen, hilft das aber wenig. Diese Leute sind auf praxistaugliche und eindeutige Lösungen angewiesen. Dem Blogger, der ein Youtube-Video in sein Blog einstellen will, hilft es wenig wenn man ihm sagt, dass zum Inline-Linking noch keine höchstrichterliche Lösung vorliegt. Soll er das Video einstellen, um dann in 5 Jahren vielleicht zu erfahren, ob es nun legal war oder nicht? Oder verzichtet er lieber darauf?
Seit Jahren weisen einige (unter anderem ich) darauf hin, dass unautorisiertes Filesharing nicht das eigentliche Problem ist sondern nur ein Folge eines umfassenderen Phänomens. Was früher schwer kopierbar war, ist jetzt mit einem Klick vervielfältigbar und oft ist dieser eine Klick bereits verboten. Das Urheberrecht ist hoffnungslos veraltet. Dass unautorisiertes Filesharing den Löwenanteil der Aufmerksamkeit bekommt, liegt an dessen Auswirkungen auf größere Unternehmen.
Das grundsätzlichere Problem ist aber, dass zum einen viel zu viel automatisch urheberrechtlich geschützt ist und praktisch alles, was man mit minimalstem Aufwand im Netz mit diesen geschützten Werken machen kann, sofort eine Verletzung des Rechts darstellt.
Erst vor kurzem zur AGB-Diskussion zu TwitPic hatte ich das angesprochen:
Ein Dienst, der Usern das Hochladen eigener Inhalte ermöglicht, kann in der Regel auf verschiedensten Geräten abgerufen werden, vielleicht bietet er auch zusätzlich noch eine API (Programmierschnittstelle), die das Verbreiten der Inhalte an andere Dienste erlaubt. Aber auch ohne die API sieht sich der Dienst einem Problem gegenüber: Er muss in einem rechtlichen Rahmen agieren, der immer noch darauf setzt, dass Kopieren teuer ist (und das Kopieren ist streng genommen jeder Abruf der Inhalte auf der Plattform) und die Urheber geschützt werden müssen.
Wir alle sind Urheber und müssen vor jedem Kopiervorgang unserer Werke, den wir nicht genehmigt haben, geschützt werden.
Damit unter diesen archaischen Bedingungen ein Dienst wie TwitPic agieren kann, benötigt er weitreichende Befugnisse.
Es ist gut, dass langsam die kleinen alltäglichen Urheberrechtsverstöße im öffentlichen Diskurs ankommen. Nur so können wir uns der tatsächlichen rechtlichen Schieflage nähern.
Es ist dabei erstaunlich, wie vehement der Widerspruch auf Juristenseite gegen den eingangs erwähnten Satz ausgefallen ist. Rechtsanwalt David Ziegelmayer schreibt:
Die „medienkompetenten“ Nutzer, unter ihnen auch die Netzaktivisten, wissen ganz genau, was erlaubt und verboten ist [..]
Das könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Anderenfalls hätte es beispielsweise vor Jahren nicht massenweise Abmahnungen wegen Bockwurstbildern gegeben.
Das aktuelle Urheberrecht ist nicht nur kompliziert sondern oft auch kontraintuitiv. Also genau das, was ein Recht, mit dem jeder Bürger täglich in Berührung kommt, nicht sein sollte.
Ich schließe mich Telemedicus an:
Die Kritik an der Äußerung von Beckedahl dürfte vor allem deshalb so heftig ausgefallen sein, weil viele Urheberrechtler die Verbreitung von Medienkompetenz gerade als Lösung ihres Dilemmas sehen. Wer Medienkompetenz hat, respektiert auch das Urheberrecht - angeblich. Die genannten Beispiele, die längst noch nicht das Ende der Fahnenstange markieren, zeigen aber, dass so einfach nicht funktioniert.