Christian Hufgard, Urheberrechtsexperte der Piratenpartei und Vorsitzender des Vereins Musikpiraten, hat sich die Entwicklungen der Künstlereinkommen anhand von Zahlen der KSK (das erwartete jährliche Einkommen der Künstler) und der GEMA über die Jahre von 1995 bis 2011 näher angeschaut.
Die Mitgliederzahl der KSK ist gewachsen:
Von 73.352 Mitgliedern im Jahr 1995 wuchs sie bis 2011 um den Faktor 2,3 auf 169.662.
Es verdienen heute also mehr Menschen ihr (weniges) Geld mit kreativem Schaffen.
Musiker verdienen inflationsbereinigt 2011 mehr als 1995:
Nach einem Abflachen der Einkommen bis 2007 stiegen sie wieder stark an. Bis auf den Bereich Wort, der im Vergleich zu 1995 1,3 Prozent weniger verdient, steht den Künstlern im Durchschnitt mehr Geld zur Verfügung. Am besten steht sogar die Sparte da, deren Rechteverwerter in der Öffentlichkeit am meisten klagen: Musik. Um 5,6 Prozent stieg das Einkommen inflationsbereinigt an.
Interessant ist die fehlende Korrelation zwischen Musikereinkommen und GEMA-Ausschüttungen:
Auffällig ist auch hier, dass gestiegene Einnahmen bei der GEMA nicht zu steigenden Einnahmenerwartungen der Musiker geführt haben. Ebenso ist der Einnahmenrückgang der GEMA nicht bei den Einnahmen der Musiker erkennbar.
Das könnte darauf hindeuten, dass die GEMA mehr Geld an Schlagererben denn an ausübende Musiker ausschüttet.
Die Studie wurde unter anderem auf irights.info von Tobias Schwarz und Matthias Spielkamp kritisiert:
Auch wenn der Zuwachs auf sehr niedrigem Niveau stattfindet, ist das erst einmal erfreulich für die Musiker. Allerdings unterschlägt die Rechnung, dass es in einigen Jahren zwischen 1995 und 2006 auch zu teils großen Einkommensverlusten kam. Der Einkommenszuwachs ist also kein Trend. Im Gegenteil: Legt man ein Szenario zugrunde, bei dem die Musiker seit 1995 jedes Jahr real, also inflationsbereinigt, ein gleichbleibendes Einkommen erwirtschaftet hätten, wären in den 17 Jahren 167.776 Euro pro Kopf zusammen gekommen. Tatsächlich waren es 166.924 Euro – also ein „Verlust“ von 852 Euro.
Und über die KSK-Zahlen und die Schlussfolgerungen:
An die Künstlersozialkasse melden die Musiker das so genannte Arbeitseinkommen, also die Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Betriebseinnahmen sind Einnahmen, die „unmittelbar mit der selbständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit zusammenhängen (z. B. Honorare, Tantiemen, Gagen)“, also auch „alle urheberrechtlichen Vergütungen, auch solche, die über Verwertungsgesellschaften bezogen werden (GEMA, GVL, Verwertungsgesellschaft Wort, Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst etc.).“
Somit wäre beispielsweise denkbar, dass Musiker aus Plattenverträgen und GEMA-Einkünften ein geringeres Einkommen beziehen als 1995, etwa weil die Umsätze mit Tonträgern stark gesunken sind, diese Verluste aber durch Musikunterricht und Auftragskompositionen für Werbung ausgleichen konnten. Allein aus der Höhe der bei der KSK gemeldeten Einkünfte können keine Schlüsse gezogen werden, wie sich die Verbreitung des Internets im Detail auf die Zusammensetzung dieser Einkünfte ausgewirkt hat.
Das stimmt. Allerdings zeigen die Entwicklungen der KSK-Zahlen vor allem, dass es den oft beschworenen Einbruch im Einkommen der Kreativen nicht gegeben hat. Hat sich der Einkommensmix im Zeitraum geändert? Mit Sicherheit. Die Zahl der Kreativen ist allerdings zusätzlich gestiegen. Und: gibt es einen Rückgang an veröffentlichter Musik und anderer Kultur in dem Zeitraum? Wenn nicht, wo liegt dann das Problem?
Zu diesem Punkt fehlen meines Wissens nach noch Zahlen für Deutschland. Es würde mich aber überraschen, wenn wir in Deutschland diesbezüglich siginifikante Rückgänge zu verzeichnen hätten.
In den USA ist die Anzahl der Veröffentlichungen von Musik, Büchern und Filmen in den letzten Jahren bekanntlich erheblich angestiegen.