1. Feb. 2010 Lesezeit: 2 Min.

Kulturflatrate und die Angst der Befürworter vor den Details

Ich beschäftige mich jetzt schon eine Weile mit der Kulturflatrate. Nicht weil ich sie befürworte oder interessant finde, sondern weil ich die Idee für potentiell ausgesprochen gefährlich halte. Interessant an dieser Debatte ist immer wieder, wie die Befürworter auf dem Diskussionsstand von vor ein paar Jahren stehen geblieben sind. Zum ersten Mal las ich von dem Konzept im 2003 erschienenen Buch "Mix, Burn & R.I.P." von Janko Röttgers. Seit damals haben sich die Argumente der Befürworter nicht weiterentwickelt (zumindest nicht die Argumente, von jenen die öffentlich dafür eintreten). Genauso wenig weiterentwickelt hat sich das Konzept. Noch immer wird allgemein von einer Pauschalabgabe geredet, ohne die konkrete Ausgestaltung aufzuzeigen.

  • Wo wird die Abgabe eingesammelt?
  • Was wird die Bemessungsgrundlage der Ausschüttung?
  • Wer wird ausschüttungsberechtigt?
  • Wie hoch werden die Verwaltungskosten sein?
  • usw.

All das scheint keine oder eine nur untergeordnete Rolle zu spielen. Beispielhaft Peter Glaser in einem Beitrag für Deutschlandradio Kultur:

Solche Pauschalvergütungen sind im Übrigen nichts Neues. Mit Verwertungsgesellschaften wie der GEMA oder der VG Wort sind Erfahrung und Infrastruktur dafür längst vorhanden. Auch zur Erhebung der Downloads - also was wie oft heruntergeladen wurde - gibt es inzwischen von spezialisierten Unternehmen wie BigChampagne eine Reihe von Verfahren. Von dieser neuen Messweise würden übrigens viel mehr Urheber profitieren als bisher.

Zum einen darf grundsätzlich bezweifelt werden, dass der gesamten(!) Musikbranche eine weitere Verwertungsgesellschaft wie die GEMA wirklich helfen wird. Zum anderen gibt es schwerwiegende Argumente gegen diese vermeintlich offensichtliche Lösung der Downloaderhebung als Bemessungsgrundlage, über die ich unter anderem im Juni letzten Jahres auf netzwertig.com ausführlich schrieb:

Downloads als Grundlage: Die Idee, Downloads als Bemessungsgrundlage nehmen zu können, basiert auf der irrigen Annahme, man könne einen kostenlosen Download mit dem Kauf eines Tonträgers gleichsetzen. Da der Download dem Konsumenten nichts kostet, führt das zu unzähligen Problemen:
Ich kann Musik runterladen, die ich nie anhöre also auch nie konsumiere. Was wird dadurch möglich:
-Industrielle Manipulation durch die großen Majorlabels
-Mittels Botnet aufgesetzte verteilte Downloads von ‘pfiffigen’ Indie-Musikern
-Aktivisten, die nicht möchten, dass Britney Spears und co. XY vom Kuchen bekommen, veranstalten Aktionen, wie etwas alle Werke aller Künstler herunterzuladen, deren Name mit F beginnt.
-Künstler bieten nur Bundle-Downloads an, welche die Gesamtverbreitung ihrer Werke künstlich hochtreibt (Ich will nur Album 08/15, muss aber die drei vorhergehenden als ZIP-Datei mit herunterladen.)
-Um das eigene Idol zu unterstützen, kann man Freeware-Programme nutzen, welche automatisch nach Ablauf einer wie auch immer gearteten Datenspeicherung, die bereits heruntergeladenen Werke ein weiteres Mal herunterlädt und anschließend sofort wieder löscht. (Das Gleiche gilt natürlich in noch weit stärkerem Maße für jedes Szenario, in dem Downloaddaten nicht für einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden)
-usw. usf.
Fazit: Da kostenlose Downloads keine mit Kosten verbundene Entscheidung darstellen, sind sie ungeeignet zur Messung der Nutzung und damit völlig ungeeignet als Ausgangsbasis für eine Bemessungsgrundlage.

Ich bin für die Legalisierung dessen, was nahezu jeder Jugendliche heute macht, weil es für ihn möglich ist (warum ist es möglich: weil für keinen Beteiligten zusätzliche Kosten anfallen). Ich bin für das Erkunden neuer Geschäftsmodelle in der Musikbranche und andere durch die digitale Disruption betroffenen Branchen. Ich bin nicht dafür, Hals über Kopf ein Verwaltungsmonstrum einzuführen, von dem eben nicht klar ist, ob es tatsächlich denen helfen wird, denen es helfen soll. Glaser schreibt:

"Es geht", sagt der Mediensoziologe Volker Grassmuck, "gar nicht mehr um das Ob einer Flatrate, sondern nur noch um die Frage, wie und zu wessen Gunsten."

Und genau diese Fragen werden einfach nicht diskutiert.

Es ist wirklich bemerkenswert, wie wenig die Befürworter der Kulturflatrate zu Diskussionen bereit zu sein scheinen, die über das Niveau von 2003 hinausgehen.

Siehe für eine ausführliche Analyse des Kulturflatrate-Konzepts aus meiner Sicht den Artikel auf netzwertig.com vom Juni 2009:

Kulturflatrate: Pro und Contra

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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