13. Dez. 2011 Lesezeit: 2 Min.

Megaupload und die Umkehr der Rollen

Eine faszinierende groteske Geschichte: Der One-Click-Hoster Megaupload hat zu allgemeiner Überraschung am Freitag ein Promotionvideo veröffentlicht, in dem einige bekannte Musiker sich zu Megaupload bekennen:

Needless to say, the spectacle of P Diddy, Will.i.am, Alicia Keys, Kanye West, Snoop Dogg, Macy Gray, Chris Brown, The Game and Mary J Blige all declaring their love for Megaupload was too much for the IFPI and RIAA.

So weit, so überraschend. Aber die Geschichte wird noch interessanter und könnte aufgrund der Bekanntheit der Beteiligten auf beiden Seiten weitreichendere Folgen haben: Universal Music Group (UMG) hat als das Video bekannter wurde mittels Take-Down-Notice das Video von YouTube entfernen lassen. Wie man das eben so macht als Majorlabel. Allerdings hat Megaupload die Rechte an dem Video, womit der Take Down illegal ist:

“Let us be clear: Nothing in our song or the video belongs to Universal Music Group. We have signed agreements with all artists endorsing Megaupload,” Megaupload CEO David Robb told TorrentFreak this morning.

Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Plattformproviderhaftung nicht funktionieren kann. YouTube-Betreiber Google reagiert automatisiert auf alle Anfragen von regelmäßigen Anfragern wie UMG. Google entfernt dem DMCA folgend ohne zu prüfen, ob die Anfrage rechtens ist, weil das bei der Masse an Anfragen viel zu aufwendig wäre. Und genau deswegen gibt es die Unschuldsvermutung.

Megaupload wird nun seinerseits UMG verklagen.

Das ist alles eine interessante Umkehrung der üblichen öffentlich wahrgenommenen Verhältnisse. Die Majorlabels und ihre Vereinigungen wollen in der Öffentlichkeit immer als die Vertreter der Künstler erscheinen. Wenn diese auf einmal Werbung für eine 'Schurkensite' machen, ist das ein Riss im argumentativen Panzer der Rechteverwerter. Diese aber können das aktuell gar nicht gebrauchen: In den USA wird gerade mit SOPA ein Gesetz verhandelt, das Rechteinhabern sehr weitreichende Handhabe gegenüber 'Schurkensites' wie Megaupload geben soll. (Das Gesetz soll das Copyright in seiner jetztigen Form vollständig durchsetzbar machen. Logischerweise muss es dafür Bürgerrechte beschneiden.)

Megaupload und andere vergleichbare Hoster haben bereits 2010 BitTorrent als populärste Filesharing-Methode abgelöst. Deshalb konzentrieren sich Rechteverwerter seit längerem auf diese Anbieter in ihrem ewigen Kampf, der in den USA mit dem Ringen um SOPA einen traurigen Höhepunkt erfährt.

Und auf einmal feiern Musiker eine dieser 'Schurkensites' ab? Das geht auf keinen Fall. Dieser Hintergrund dürfte die Überreaktion von UMG erklären, die nun sehr wahrscheinlich nach hinten losgehen wird.

Amüsant ist auch zu beobachten, wie Journalisten, die ohne es zu hinterfragen immer der offziellen Narration der Majorlabels gefolgt sind, nun verwundert vor diesen Vorgängen stehen. Kilian Haller schreibt auf sueddeutsche.de etwa:

Es ist aus drei Gründen kaum zu glauben, was da über den Rechner flimmert: Es ist erstens einfach unglaubwürdig, dass Topverdiener des Musikgeschäfts einen Service bewerben, auf dem Nutzer Dateien tauschen und damit auch Songs kostenlos verbreiten können. [..]

Aber auch nach einer ausgiebigen Recherche gibt es keine Dementis, keine Beweise, dass es sich bei dem Werbecoup um ein Fake (also eine Fälschung) handeln könnte.


Sollte Megaupload tatsächlich die Rechte an allem in dem Musikvideo und Verträge mit den Künstlern haben, wovon man angesichts fehlender Dementi der Musiker ausgehen kann, könnte das noch eine sehr interessante und vor allem publicityträchtige Geschichte werden, bei der die Labels nur verlieren können. Und zwar sehr viel.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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