Vor einigen Tagen ist den sonst sehr gefassten Autoren des Perlentauchers angesichts der Einseitigkeit der öffentlichen Auseinandersetzung mit digitalen Themen doch einmal die Hutschnur geplatzt:
Im Leitartikel auf der Seite 1 der FAZ möchte Eckhard Lohse dringend Schutz vor den "Gefahren des Internets" - des Internets, nicht der Politiker, die uns mittels digitaler Technologien massenhaft ausspionieren. Im Gegenteil, gerade diese Politiker sollen's nach Lohses Wunsch richten. Im Feuilleton fragt Jordan Mejias: Müssen wir Angst vor Supercomputer Watson haben? Klar, Angst! Mehr Angst, mehr, mehr, mehr.
Dazu passt was, Dirk von Gehlen über eine Zigarettenwerbekampagne schreibt:
Die Digital-Skepsis scheint in diesem Land plakattauglich zu sein. Sie ist so ausgeprägt, dass sie als Transportmittel für ganz andere Botschaften dient: Was überall mit Abschreckbildern von Raucherbeinen und Lungenkrebs bedacht wird, kann in diesem Land noch als Ausweis des Guten und Wahren gelten – wenn es mit dem Digitalen kontrastiert wird. Es sei besser mit drei Freunden am Strand zu rauchen, will das Plakat mir erklären, als mit 361 anderen auf Facebook abzuhängen. Der mir bekannte Stand der Krebsforschung kommt zu anderen Ergebnissen, aber die treten zurück gegen das Grundgefühl, das die Kampagne bedient: Irgendwie ist das Digitale doch nicht ganz geheuer.
Wenn beim nächsten Mal irgendwer gegen die smarte neue Welt anschreibt, muss man sich das in Erinnerung rufen. Das Digital-Evangelistentum, das damit bekämpft werden soll, gibt es in Deutschland nicht nur fast gar nicht, es wird vor allem überlagert von einer Stimmung, die im Digitalen etwas Unwahres, Unschönes, Unechtes erkennt. Fast muss man der Kampagne dankbar sein, dass sie dies so offen zu Tage fördert. Aber nur fast.