11. Juni 2019 Lesezeit: 2 Min.

Micropayments für Journalismus funktionieren nicht, Episode 736: Auch Blendle gibt auf

Als man hierzulande den niederländischen Dienst Blendle als die Rettung des Journalismus feierte, schrieb ich in "Blendle und das Transaktionskostenproblem bei Micropayments":

Ein Grund, der schon immer gegen Micropayments für Presseartikel sprach, liegt in den Transaktionskosten für Micropayments. Niedrige Preise sind mit Transaktionskosten verbunden, die sehr viel mehr über die eigentliche Transaktion bestimmen als der eigentliche bezahlte Preis. In diesem Fall kommen, wir haben das hier und anderenorts bereits unzählige Male durchgespielt, auch noch mentale Transaktionskosten, wie es u.a. Clay Shirky 2003 nannte, hinzu[...]

Journalismus im Speziellen und Micropayments sind maximal inkompatibel, wie ich 2015(!) schrieb:

Man liest selbst den besten journalistischen Text nur einmal. Musikstücke, vor allem die, die man sogar kauft, hört man öfter an. Noch wichtiger: In der Regel hat man den Song, den man kaufen will, bereits oft gehört -im Radio, auf YouTube, in einer TV-Serie-. Man kennt also schon das Informationsgut, das jetzt erworben wird und weiß bereits, dass es gefällt und den zu bezahlenden Preis wert ist. Das kann für journalistische Texte niemals gelten.

Und, auch wenn es sich bis zu denjenigen, die sich ein iTunes für journalistische Erzeugnisse wünschen, noch nicht herumgesprochen zu haben scheint: Das iTunes-Modell des Song-Verkaufs wird gerade im Massenmarkt von Streaming, also auf Geschäftsmodellebene vom Flatrate-Modell, abgelöst.

Das große Vorbild ist also kaum vergleichbar und wird zusätzlich gerade langsam aber sicher obsolet.

Jetzt gibt Blendle die Idee von den Micropayments für einzelne journalistische Inhalte als wesentliche Erlösquelle auf und schwenkt auf „Premium-Abos“ um.

Nieman Lab:

One of the more promising micropayment startups has been Blendle, the Dutch startup with millions of dollars in investments from The New York Times, Nikkei, and Axel Springer. Even last year, two more investors put $4 million into the company. But Blendle has yet to turn a profit and is now pivoting away from micropayments to premium subscriptions, cofounder Alexander Klöpping told a Dutch newspaper last week. (H/T to Dutchnews.nl, which had the news in English.)

​Die bis dato von Blendle an Publisher insgesamt(!) ausgezahlte Summe ist mit 8 Millionen Euro(!) absurd gering und wirft die Frage auf, warum die Änderung der Ausrichtung erst jetzt kommt:

In all, Blendle has paid out a total 8 million euros to publishers in its five years of existence, Klöpping said. But now, “quarters per article are not going to make the difference.”

​Als Abonnement-Dienstleister/Mittelsmann rutscht Blendle in eine andere Position in der Arbeitsteilung der Branche, was neue Herausforderungen mit sich bringt:

high-profile publishers NRC and De Telegraaf pulled out of deals to be included in the premium subscription or reduced their presence in the app. (NRC was blunt about why: “Despite all our sympathy, we sincerely fear that in the medium term Blendle is not good for journalism.” It said it considered Blendle’s subscription product evidence it was “fishing in the pond of our subscribers.”) In 2017, Blendle laid off 9 of its 67 employees.

Wie dem auch sei: ​Das Beste an dieser Entwicklung ist, dass die Idee des ‚iTunes für Journalismus‘ jetzt (hoffentlich) endgültig tot ist.

​Twist am Ende: Auch ​ein ‚Netflix für News‘ ergibt, aus anderen Gründen, wirtschaftlich für die meisten Publisher keinen Sinn. Die Lösung ist nicht Aggregation.

​Mehr zum Thema:

​* Blendle und das Transaktionskostenproblem bei Micropayments
​* Blendle: Wer braucht ein „iTunes für Zeitungsartikel“?

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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