Sascha Lobo auf Spiegel Online:
Was die von Angela Merkel angesprochenen “digitalen Chancen” angeht - bei einer seit neun Jahren regierenden Bundeskanzlerin kann man den Status quo als Produkt ihrer Politik betrachten.
Dabei gibt es ein bestimmendes Schlagwort der Merkelschen Digitalpolitik: Versagen. Natürlich muss man hier differenzieren. Und zwar zwischen mutwilligem und fahrlässigem Versagen. Fahrlässig ist etwa, seit vielen Jahren nichts Messbares erreicht zu haben, was die dringend notwendige Glasfaserverkabelung der Bundesrepublik angeht. Mutwilliges Versagen wird es dort, wo Merkel die Netzneutralität verkauft, im Tausch gegen ein bisschen Netzausbau. Kaum ein Bereich, in dem das Problem des Merkelschen Politikansatzes kristalliner zu Tage tritt.
Neun Jahre Angela Merkel sind neun Jahre, in denen Deutschland die eigene Zukunft verschlafen hat.
Das reiche Deutschland liegt beim Glasfaserausbau im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz. Das ist allein Angela Merkels Verdienst.
Auch die nächsten drei Jahre unter Angela Merkel werden allem Anschein nach nicht anders aussehen.1 Angela Merkel wird höchstwahrscheinlich in die Deutsche Geschichte eingehen als die Bundeskanzlerin, die in ihren 12 oder mehr Jahren im Amt Deutschland visionslos in die Bedeutungslosigkeit geführt hat.
Es ist bemerkenswert, wie wenig medialen Gegenwind sie dafür erfährt.2
Sie ist als pure Machtpolitikerin die denkbar schlechteste Person an der Spitze des Landes in einer Zeit, in der Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen.
Tatsächlich ist statt Stillstand Rückschritt noch wahrscheinlicher. Weitere Gesetze für Axel Springer und die Abschaffung der Netzneutralität für mehr Telekom-Profit sind nur die offensichtlichsten Kandidaten. ↩
Mindestens ebenso bemerkenswert ist, wie wenig sie in der Internetstartupwelt dafür kritisiert wird. Angela Merkel ist direkt persönlich für die Grenzen des deutschen Digitalmarktes verantwortlich. Sie ist direkt dafür verantwortlich, dass es an Breitbandausbau fehlt. Sie ist direkt dafür verantwortlich, dass es nach wie vor viele gesetzliche Grauzonen gibt, die Onlinegeschäfte erschweren. Und ihr alternativloser Opportunismus ist auch der Grund, warum sie immer nur auf die Belange großer Konzerne hört. Diese Kanzlerin wird niemals junge “disruptive” Unternehmen auch nur ernst nehmen, solang sie nicht konstant öffentlich für ihr Verhalten kritisiert wird. ↩