Christoph Kappes auf Spiegel Online über das rechtwerkzeugsgläubige Mantra "Nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt!":
- Erstens ist Regelungsgegenstand nur auf Mikro-Ebene das Handeln einzelner. Aus Makro-Sicht handelt es sich um ein komplexes soziotechnisches System mit einer Vielzahl von Akteuren, das möglicherweise eigenen Gesetzmäßigkeiten auf höherer Ordnung unterliegt. Ein halbes Dutzend Erklärungsversuche in Soziologie und Ökonomie verweisen beispielsweise auf "technische Evolution", "Ko-Evolution" und ähnliches, was drastisch vereinfacht vor allem auf eines hinausläuft: Es passiert genau das, was Möglichkeiten schafft und mehr Komplexität erlaubt. Das könnte sowohl eine Erklärung dafür sein, dass Menschen Tausende schlechter Filme herunterladen, die sie in diesem Leben kaum noch sehen können, als auch dafür, dass sich hochwertige Kulturgüter und Wissen schneller verbreiten als je zuvor. Im Grunde muss man diesen Mechanismus bewundern, der bei Transaktionskosten gegen Null die Ressourcen wundersam vervielfältigt - das gelang Jesus mit Broten und Fischen, jedoch nicht weltweit, sondern nur am See Genezareth. - Zweitens [..] Recht ist nicht vorgegeben "da", sondern erst das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, bei dem man das faktische Handeln größerer Bürgergruppen nicht ignorieren sollte, wenn das Recht noch Akzeptanz finden soll. - Drittens zeigt der Glaubenssatz selbst Technikgläubigkeit, nämlich an die von Recht als Werkzeug sozialer Steuerung. [..]