Stefan Niggemeier, der aktuell on a roll ist:
Wir freuen uns schon, wenn Apple über die Arbeitsbedingungen in China berichtet oder Coca-Cola über die Segnungen der Globalisierung.
Ja, das ist ein guter Test für die Qualität, für die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Mediums: Wie es mit Themen umgeht, die es selbst betreffen.
Die deutschen Zeitungen versagen gerade in spektakulärer Weise bei diesem Test. Sie demonstrieren jedem, der es sehen will, dass sie uns im Zweifel nicht zuverlässiger informieren, als es irgendein dahergelaufener amerikanischer Konsumhersteller täte.
Es ist eine bittere Ironie, dass sie diesen Beweis im Kampf für ein Gesetz liefern, dessen Notwendigkeit sie im Kern damit begründen, dass sie als zuverlässige Informanten der Bürger unverzichtbar und unersetzbar sind.
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Die deutschen Zeitungen haben genau den Test nicht bestanden, anhand dessen die Untauglichkeit möglicher Ersatz-Verleger wie Apple und Coca-Cola dargestellt werden sollte. Sie haben ihre eigenen Leser verraten, als würden sie die nicht mehr brauchen, wenn sie nur Google besiegen könnten.
Besonders die FAZ erscheint dieser Tage nicht mehr wie eine journalistische Publikation. Dort schreibt Reinhard Müller auf der Titelseite in einem Text (der voll von faktischen Fehlern ist) über Kritik von breiter Front gegen das geplante Gesetz:
Aber sind nicht auch die Jugendorganisationen aller Parteien dagegen? Erklärt uns nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die Verlage müssten eben mehr investieren? Weisen nicht Professoren auf das angeblich überholte »Geschäftsmodell Zeitung« hin? Gewiss: Wer sein Geld nicht selbst verdienen muss oder vom Staat bezahlt wird (also von allen Steuerzahlern unabhängig von seiner Leistung getragen wird), der kann leicht den Marktliberalen spielen. Es kostet ja nichts.
Er bezieht sich auf die gemeinsame Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht und 16 führende Urheberrechtler, in der einhellig das geplante Presseleistungsschutzrecht abgelehnt wird.
Reinhard Müller verantwortet bei der FAZ die Seite »Staat und Recht«, auf der vor drei Jahren Jan Hegemann, ein bezahlter Interessensvertreter von Axel Springer, als scheinbar unabhängiger Experte für das Leistungsschutzrecht werben durfte. An gleicher Stelle erschien in diesem Jahr erneut versteckte Eigenpropaganda: ein weiterer Gastkommentar pro Leistungsschutzrecht von einem vermeintlich unabhängigen Experten, der in Wahrheit ein Verlagsvertreter ist.
Das wirkt so irreal, dass man es einmal durchdenken und kurz sacken lassen: Der Leiter der Seite "Staat und Recht" der FAZ spricht führenden Juraprofessoren des Landes implizit die Expertise ab, sich sachkundig zu einem geplanten Gesetz äußern zu können.