Der große Disput zwischen Amazon und dem Buchverlag Hachette letztes Jahr drehte sich um die Preisfrage für Ebooks. Amazon wollte, dass der Publisher jedes Ebook für 9,99$ anbietet. Hachett und andere Buchverlage wollten die Preise für Ebooks selbst festlegen, und höhere Preise verlangen. Die US-Buchverlage haben (technisch) den Streit gewonnen und setzten anschließend die E-Book-Preise selbst. Ergebnis: Die höheren E-Book-Preise haben mitgeholfen, die E-Book-Verkäufe zu senken:
HarperCollins, Simon & Schuster, and Hachette all reported declining e-book revenue in their last quarter (Macmillan doesn't report its earnings, and Penguin's deal with Amazon just went into effect in September). The industry on the whole saw a decline in sales too.
Korrelation oder Ursache? Schwer zu sagen. Sicher ist: Der Ebook-Markt boomt nicht. Und: Die höheren Preise helfen nicht.1 Auch wenn sie nicht allein dafür verantwortlich sein mögen.
Ist es nun strategisch dumm oder clever von den Buchverlagen, auf höhere Preise zu setzen, selbst wenn dadurch E-Book-Verkäufe zurückgehen?
Die Antwort auf diese Frage ist davon abhängig, was man betrachtet. Also welche Produkte und welche Zeithorizonte:
1. Nur E-Books, jetzt: Eindeutig nicht sinnvoll, mit hohen Preisen die Nachfrage zu drücken. (Sind E-Books preiselastisch, lässt sich mit niedrigeren Preisen mehr Gewinn machen.)
2. E-Books und Printbücher, jetzt: Die hohen E-Book-Preise führen nicht zwingend zu einem geringeren Gesamtumsatz. Sie schichten den Konsum zum Teil auch um zu Printbüchern. Wer ein günstigeres E-Book gekauft hätte, kauft jetzt vielleicht doch das Printbuch. Selbst wenn die Taschenbuch-Ausgabe so viel kostet wie das E-Book, hat der Buchverlag zumindest bei relativ gleichbleibendem Umsatz eins gewonnen: Die bereits existierende Abhängigkeit vom Branchenriesen Amazon steigt nicht weiter an.
3. E-Books und Printbücher, mittel- bis langfristig: Hier liegt die eigentliche Gretchenfrage. Print ist auch für Bücher nicht die Zukunft und je weniger die Inhalte der Buchverlage in digitaler Form stattfinden, je weniger sie digital konsumiert werden, desto weniger können Buchverlage Erfahrungswerte auf dem digitalen Markt sammeln. Dieser besteht für Buchverlage bereits jetzt aus mehr als PDFs, epubs und Kindle und die Buch-Produkte werden künftig sehr viel stärker zerbröseln2. Marktexpertise ist in dieser Phase überlebenswichtig. Aber was kann man lernen, wenn die Produkte in einer riesigen Black Box (Amazon) verkauft werden?
Eins ist sicher: Die Buchverlage werden auch mit hohen Ebook-Preisen die Digitalisierung der Buchwelt nicht aufhalten. Und weiter: Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen der Publisher ist natürlich offensichtlich, warum Amazon so viel Energie in die eigenen (Self-)Publishing-Initiativen steckt. Je unabhängiger von den Publishern das Amazon-eigene E-Book-Angebot wachsen kann, desto besser für Amazon.3
Für deutsche Buchverlage stellen sich dank der Buchpreisbindung sehr viel weniger Preisüberlegungen. Es ist nach wie vor eine offene Frage, ob das dem deutschen Buchmarkt wirklich hilft oder schadet.
- Der Wechsel von 9$ (Amazons Wunsch-Preis) zu über 10$, also von einstellig zu zweistellig, ist eine psychologisch wichtige Grenze, die, auch wenn sie irrational ist, selbst bei inelastischen Konsum-Gütern in der Regel zu einem Knick in der Nachfragekurve führt. (Das gleiche gilt für die Ein-Euro-Grenze.) ↩
- Sprich: Eine Entbündelung auf Service-Ebene die für Sachbücher und für Fiktion vollkommen unterschiedlich aussehen wird und längst im Gange ist. Beispiel: Wie viele Ratgeberbücher wurden längst von Foren & YouTube-Tutorials abgelöst? Wie viele Menschen kaufen keine Kochbücher mehr, weil sie alles, was brauchen auf chefkoch.de finden? ↩
- Je unabhängiger von den großen Publishern und ihren Inhalten desto besser für Amazon. Aus ähnlichen Gründen investieren Amazons Instant Video und Netflix im TV-Sektor in Eigenproduktionen. Besonders Netflix' jüngste aggressive Expansion in diesem Bereich sollte nicht überraschen. Das alles ist auch Folge der Verschiebung in den Aufgabenverteilungen (Amazon Kindle ist Buchladen und Buchregal in einem.) ↩