25. Jan. 2024 Lesezeit: 4 Min.

Rabbit R1: Wenn der Bullshit-Detektor anschlägt

Rabbit R1: Wenn der Bullshit-Detektor anschlägt
Rabbit R1 - no subscription required ich schwör
Rabbit R1 - no subscription required ich schwör

Oje. In einem Interview mit Fast Company spricht der Rabbit-CEO Jesse Lyu über den R1. Der ehemalige Baidu-Mitarbeiter sagt unter anderem:

If Rabbit were simply an app, Apple could see his code, which Lyu feels would equate to sharing his company's IP. He'd need to create and maintain apps for both iOS and Android, which requires lots of ongoing investment for a high level of execution. And ultimately, Rabbit would be served up in the same trough of every other app. "Yes, you can be very successful on the App Store, but you have that lack of sense of security," says Lyu. "Like, what if tomorrow, there's a better app? Think of filter apps for Instagram. There's no loyalty whatsoever!"

Die Argumente gegen App und für Hardware vom Rabbit-CEO, und meine Kommentare dazu:

  • Apple kann den wertvollen Code von Rabbit sehen, wenn sie die R1-Funktionalität in eine App gießen: Das relevante LAM (Large Action Model, KI-gestütztes Screenscraping) läuft und kann nur in der Cloud laufen, in virtuellen Browsern, die den Diensten von Spotify bis Uber vorgaukeln, ein Nutzer wäre auf der anderen Seite. Apple würde davon auch dann nichts sehen, wenn das Enduser-Frontend kein niedliches Gadget sondern eine App wäre.
  • iOS- und Android-Apps sind aufwendig: Stimmt! Hardware ist aber aufwendiger. Ein völlig abwegiges Argument, zu unterstellen, es wäre einfacher, ein Gadget zu bauen, als Apps für iOS und Android zu bauen und zu maintainen. (Andererseits könnte das ein Hinweis darauf sein, wie lang man nach dem Kauf Support vom Unternehmen erwarten kann.)
  • Der Wettbewerb bei Apps ist größer als bei Gadgets: Stimmt! Weil Apps einfacher zu bauen und zu distribuieren sind.

Lyu deutet, was der Grund für die Hardware ist. Es ist das Interesse des Unternehmens, aus der Masse herauszustechen; nicht zwingend die für die User beste Form ihres Dienstes anzubieten. Und credit where credit is due: Rabbit sticht erfolgreich aus der Masse heraus.

Lyu weiter:

Its key processing happens in the cloud, where a user's data is more secure than it can be on most small batch hardware, which saves on hardware cost. Lyu adds that its unit costs leave considerable margins to spend on some AI processing it outsources, like understanding user intention via ChatGPT. (Their own analysis finds the heaviest users would run about $15/month in billings to OpenAI, which Rabbit will cover.)

Rabbit nutzt nicht eigene Modelle, zumindest nicht ausschließlich, sondern setzt auf kostenpflichtiges GPT von OpenAI. Ich war schon skeptisch bezüglich des R1 nach der Ankündigung, siehe meine Analyse. Weil das Screenscraping ohne eine Genehmigung der damit angebundenen Services keine nachhaltige Anbindung ist, vorsichtig ausgedrückt.

Aber was Lyu hier erzählt, ist nochmal eine ganze andere Nummer.

Das heißt, meine bereits negative Einschätzung bezüglich des R1 hat sich mit der Offenbarung, dass in der Rabbit-Cloud nicht eigene  (Open-Source-basierte) Modelle stecken, sondern ein Teil davon über OpenAI läuft, dramatisch verstärkt.

Mittlerweile gehe ich wie Benedicts Evans davon aus, dass das haarscharf an Betrug vorbei schrammt und die Grenze wohl eher überschreitet:

When companies are asked about stuff that makes no sense, and their replies also don't make sense, that is, rather often, a red flag for fraud.

Das wird ein böses Überwachen geben bei allen, die das Gerät vorbestellt haben.

Wenn Screenscraping als Basis von fast der gesamten Funktionalität nicht reicht für Skepsis, dann sollten spätestens bei einem 200$-Gerät, das nur funktioniert, wenn das Unternehmen konstant ein anderes Unternehmen bis zu 15$ pro User pro Monat für die Clouddienste im Hintergrund zahlt, alle Alarmglocken angehen. Deckungsbeiträge aus der Hölle. Implosion incoming.

"We do have a good margin, at least for the first generation," says Lyu. "The real scalable business is when people start teaching rabbits to do their own thing, so that you're essentially creating rabbits instead of apps."

Das angeblich abo-freie R1 wird kein Jahr ohne Shift hin zu kostenpflichtigen Funktionen überleben: 15$*12=180$. Egal wie gut die Gewinnmarge beim R1 ist, der Break Even Point wird in die falsche Richtung lang vorher überschritten. (Oder sagt man hier dann besser unterschritten?)

Selbst wenn die durchschnittliche Nutzung weit darunter liegt, dann fressen die OpenAI-Gebühren trotzdem die Umsätze von Rabbit. Die Frage ist nur, wie viel Luft das Unternehmen dafür haben wird. Endlich ist diese Luft aber so oder so.

Also: Entweder Rabbit wird von Microsoft übernommen, das Rabbit R1 zum Lossleader macht, Sataya Nadella ist immerhin schon Fan. Oder Rabbit ist ein Pyramidensystem, das nur so lange überlebt, wie neue Gadgetkäufer hinzukommen.

Ich finde es wichtig, das vor dem aktuellen größeren KI-Kontext zu betrachten: Vieles, was heute mit den KI-Modellen möglich ist, selbst mit veralteten Modellen wie GPT-3.5, war vor anderthalb Jahren nicht nur schwer sondern oft undenkbar. Vor diesem Hintergrund explosionsartig ansteigender Möglichkeiten lassen sich überzogene Versprechen, die mindestens langfristig nicht durchhaltbar sind, leichter verkaufen, wie man beim R1 sehen kann.

Das quirky Design von Teenage Engineering hat viele Leute über die Ungereimtheiten hinwegsehen lassen.

(Humane, das im Vergleich zu Rabbit mit sehr viel mehr Spott überzogen wurde, ist beim AI Pin vergleichsweise konservativer und vor allem ehrlicher in seinem Ansatz. Das Ergebnis: Man kann sich die Services nicht aussuchen. Man bekommt etwa Tidal für Musik vorgesetzt.)

Innerhalb von fünf Tagen ist der Rabbit R1 laut Angaben des Unternehmens auf 50.000 Vorbestellungen gekommen, was einem Umsatz von 10 Millionen US-Dollar entsprechen würde.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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