Auf der Netz:Regeln-Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung am vergangenen Wochenende hat Christian Sommer von der GVU den üblichen Fehler gemacht:
Er verwies auf das Experiment von Radiohead, das Album In Rainbows kostenlos zum Download anzubieten und es denn Fans zu überlassen, was sie bezahlen wollen. (Zu dem Experiment gehörten auch verschiedene Album-Editionen. Das wird aber meist vergessen.) Sommer benannte bedeutungsschwanger die 75 Prozent, die den kostenlosen Download annahmen, ohne zu zahlen. Also ganz klar, so Sommer: Das funktioniert ja wohl gar nicht.
Abgesehen davon, dass nicht klar ist, ob von diesen 75 Prozent nicht einige auf künftige Konzerte von Radiohead gingen und/oder Fans wurden: Diese Zahl ist relativ irrelevant. Die durch die Downloads entstandenen Kosten sind vernachlässigbar.Diese Zahl allein sagt noch nichts über Erfolg oder Misserfolg aus.
Entscheidend ist, welchen Umsatz dieses Vorgehen im Vergleich zur Alternative, dem 'normalen' Verkauf des Albums, gebracht hat. (Normal im Sinne von: So haben wir das immer schon gemacht, zumindest seit wir dank Massenfertigung mit Profit so viele Kopien herstellen und verkaufen konnten, wie es ökonomisch sinnvoll war.)
Wie ich bereits auf neumusik.com ausführte, war das Experiment seinerzeit ein voller Erfolg. Music Ally veröffentlichte 2008 eine Zusammenfassung des Ergebnisses:
The publisher will also confirm that Radiohead had made more money before ‘In Rainbows’ was physically released than they made in total on the previous album ‘Hail To the Thief’. It should be pointed out that Radiohead’s existing digital income was of course low, because they had withheld licensing the likes of iTunes.
The topline figure, though, is that there were three million purchases of In Rainbows, including physical CDs, box-sets, and all downloads – including those from the band’s own website and from other digital music stores.
Drei Millionen verkaufte Einheiten von In Rainbows, das von der Band digital kostenfrei beziehungsweise mit dem Zusatz "Bezahl was du willst" angeboten wurde, stehen vorherige Albumverkäufe über das 'normale' Vorgehen im Bereich von niedrigen Hunderttausenden gegenüber:
[..]according to Dyball there were a total of three million album purchases including the box sets, CDs and all downloads including iTunes and pay-what-you-like downloads via their official site. That’s an incredible number, given that their previous three albums sold in the low hundreds of thousands.
Wenn man für die Endnutzer kostenfreie Elemente in das eigene Geschäftsmodell einbringt, wird es immer eine hohe Zahl an Zugriffen auf diese geben. Diese 'Verschwendung' ist vollkommen normal. Sie ist sogar erwünscht: Erst die maximale Streuung sorgt für maximale Reichweite, und damit für maximalen Umsatz.
Das gleiche Muster lässt sich bei der Aufteilung in kostenfreie Accounts und kostenpflichtige Premium-Accounts beim Freemium-Geschäftsmodell beobachten und ist wie gesagt erwünscht und auch vorhersehbar:
Es sind, wenn man erfolgreich ist, immer (nur) 2-5% der User, die für Premium-Funktionen bezahlen.
Wir müssen uns an diese neuen Verteilungen gewöhnen, wenn wir die neuen Rahmenbedingungen verstehen wollen, innerhalb derer immer mehr Wirtschaftszweige agieren (müssen).
Sie sind die logische Folge extremst niedriger Grenzkosten.