Anja Seeliger weißt in einem grandiosen Text im Perlentaucher-Blog auf die Konsequenzen des katastrophalen EuGH-Urteils für die Öffentlichkeit hin:
Was bedeutet das für das Informationsrecht der Öffentlichkeit? Angenommen, der Artikel hätte nicht in La Vanguardia gestanden, sondern in der Zeit. Das digitale Archiv der Zeit ist - wie das Archiv von etwa 300 vorwiegend deutschsprachigen Zeitungen - in der Geniosdatenbank durchsuchbar. Diese kostenpflichtige Datenbank wird vom Handelsblatt und der FAZ betrieben. Der Artikel über Costeja González wäre also öffentlich für alle, die dafür bezahlen. Alle anderen erfahren nichts. Möglicherweise hätte nicht einmal Herr Costeja González davon erfahren, dass diese Anzeige immer noch im Netz präsent ist.
Der EuGH hat uns gestern im Handstreich eine Zweiklassen-Informationsgesellschaft beschert. Die, die für Informationen bezahlen, wissen, wer pleite gemacht hat, wer schon mal verurteilt wurde oder wer vor zwanzig Jahren eine karriereschädliche Bemerkung gemacht hat. Die anderen - lernen von den Chinesen oder wissen es eben nicht. So wird die Informationshierarchie der vordigitalen Zeit langsam wieder restauriert.
Den Bezahlarchiven der Zeitungen könnten goldene Zeiten bevorstehen. Darüber sollten sie sich freuen. Nur über Datenschutz sollten die Zeitungen besser nicht mehr reden.
Deswegen findet die Mehrheit der deutschen Presseverlage ein für die Presse- und Meinungsfreiheit schlechtes Urteil nicht schlecht: Weil es auf Kosten der Öffentlichkeit den Index von Google und jeder anderen noch kommenden großen Suchmaschine abwertet und die kostenpflichtigen Datenbanken der Presseverlage aufwertet.
Es ist wie beim Leistungsschutzrecht: Im Zweifel ist den deutschen Presseverlagen und ihren Redakteuren das Gemeinwohl1 egal, wenn es um die vermeintliche Stärkung der eigenen Position geht. Opportunität vor allem.
oder auch nur die Unversehrtheit der in Deutschland ohnehin nicht stark ausgeprägten Pressefreiheit ↩