Das heutige Urheberrecht wird offen von Maximalisten bestimmt, welche jede Form von Kollateralschäden in Kauf nehmen, um ein maximal restriktives Urheberrechtskonstrukt auszubauen und zu erhalten.
Wie unverhohlen einseitig und ohne Rücksicht auf gesamtgesellschaftliche Interessen die Debatte über Urheberrecht, und damit darüber, wie wir unsere Kultur und unser Wissen organisieren, zugunsten von Konzernen geführt wird, kann man sehr schön daran sehen, wie schwierig es ist, eine globale Ausnahmeregelung im Urheberrecht für Blinde durchzusetzen. Eigentlich ein no-brainer: Die Ausnahmeregelung soll Behindertenverbänden eine rechtsverbindliche Urheberrechtsausnahme geben, um etwa Bücher in Blindenschrift zugänglich zu machen.
Wer aber Urheberrechtsmaximalist ist, will keine Ausnahmeregelung, für nichts und niemand, unter keinen Umständen. Und so wird über diese "Blindenschranke" seit vier Jahren diskutiert, weil sich die Verbände der Rechteinhaber mit Händen und Füßen wehren, und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass die Ausnahmeregelung aufgrund des Widerstands nicht zustande kommt. (Es stellt sich natürlich die Frage, warum die Konzernverbände bei diesem Thema überhaupt ein Mitspracherecht haben.)
Monika Ermert fasst den aktuellen Stand auf Carta lesenswert zusammen:
Business Europe warnte Mitte Mai in einem Brandbrief (veröffentlicht von der Aktivistenorganisation Knowledge Ecology International hier) den zuständigen EU-Binnenmarktskommissar Michel Barnier, es gehe einer bestimmten Gruppe von Nicht-Regierungsorganisationen und Schwellenländern letztlich darum, den Schutz des geistigen Eigentums zu schwächen. Der Brüsseler Verband geht sogar so weit, eine Vertagung der Verhandlungen in Marrakesch zu empfehlen.
Auch US-Verbände wie die Motion Picture Association of America gehören nach wie vor zu den Gegnern des Entwurfs, obwohl Videoinhalte und Filme längst aus dem geplanten Völkerrechtsvertrag ausgeschlossen wurden.
Wie immer in diesen Fällen steht Deutschland auf der falschen Seite:
Mitglieder des Europäischen Parlaments, die parteiübergreifend immer wieder die Forderungen der Blindenverbände unterstützt haben, nennen Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich als Bremser.