Nachdem bereits einige kleinere Label Spotify in den vergangenen Monaten den Rücken gekehrt haben, zog der Distributor ST Holdings letzte Woche 234 von 238 der von ihm betreuten Label in deren Namen vom Streaming-Service zurück.
Unschön an der Aktion war vor allem die Art und Formulierung, mit der die Entscheidung bekannt gegeben wurde. Das Status-Update (offensichtlich auf Facebook, Genaueres ist der Quelle nicht zu entnehmen) “Haha – http://fuckspotify.com” verweist auf eine Webseite mit folgendem Inhalt:
Just a quick note to thank you ever so much for offering artists, musicians and songwriters everywhere the chance to preserve our credibility by offering us (spelled: dictating to us) royalty rates that even a crack-head would turn down. We really don’t like getting paid for our music, and thanks to you and other apps like you, we won’t have to be bothered by it.
Love & Kisses,
Every musician and songwriter in the world.”
Folgende Zahlen und Informationen wurden von ST Holdings an die vertretenen Labels übermittelt:
The following facts have been established.
All content is currently being removed from Spotify / Simfy / Rdio / Napster.”
Sollten die Zahlen stimmen, wäre dies in der Tat beunruhigend und würde Wasser auf den Mühlen derer sein, die Streaming-Services für eine nicht ausreichende Entlohnung von Künstlern verantwortlich machen.
Schlecht für Spotify ist an dieser Stelle, dass die von ihnen gezahlten Lizenzgebühren nicht offen gelegt werden. Laut paidContent sind weder von der britischen Verwertungsgesellschaft PRS For Music noch von Spotify selber Informationen erfragbar.
Im Gegenzug legen Künstler, Management-Agenturen und Labels nun – wie oben gezeigt – ihre eigenen Abrechnungsergebnisse offen; aber eben nicht standardisiert, sondern jeweils individuell geprägt. Folgerichtig fehlt auch hier eine echte Vergleichsmöglichkeit.
Ein Beispiel von Sam Rosenthal's Projekt Records, das ebenfalls bei paidContent zu finden ist, hier jedoch in einem längeren Zitat:
For a stream on Spotfy.... NOW READ THIS CLOSELY..... on average $0.0013 is paid to Projekt's Digital Distributor. 5000 plays generates around $6.50. In comparison, 5000 track downloads at iTunes generates $3487. To be clear: I am not suggesting that every stream would have been a sale at iTunes. Believe me, I understand the reality of the music business. This is just a comparison to make a point. Let's look at this another way: To earn the U.S. monthly minimum wage - $1160 - 892,307 plays a month are needed at Spotify. This is not a viable number for artists.
Es ist richtig, dass Streams und Downloads nicht vergleichbar sind. Denn kaum jemand käme auf die Idee, AirPlay und CD-Käufe gleichzusetzen. Allerdings schon der Gedanke, die Erträge aus Streams mit einem vollständigen (wenn auch Mindest-) Gehalt zu vergleichen, erscheint relativ abenteuerlich. Dass das Gehalt eines Musikers auf mehrere Quellen zurückgeht, sollte hinlänglich bekannt sein.
Nichtsdestotrotz erscheinen die Gewinne für Künstler aus dem Streaming-Geschäft gering. Wo aber ist der Haken?
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine aktuelle Stellungnahme von Erik Nielsen, Manager des britischen Septetts „A Genuine Freakshow“. Eine Offenlegung seiner Abrechnung zeigt:
“I saw the Spotify row starting, so went into my sales figures for A Genuine Freakshow for October 2011. In short, we got paid £7.29 for 1,923 plays,” he says. “This is based on £10.24 gross income minus 85p mechanicals, minus £2.10 PIAS distribution fees. And this is based on worldwide Spotify plays.”
Letztendlich zeigt sich Folgendes: Künstler, die Mittelsmänner wie Labels umgehen, laufen keine Gefahr, durch einen Label-Vertrag finanziell eingeschränkt zu sein und nur Bruchteile des Gewinns zu erhalten. Gewinne aus dem Streaming liegen somit deutlich höher, und Nielsen setzt sein Ergebnis in Beziehung zu einem Tweet von Jon Hopkins (“Got paid £8 for 90,000 plays. Fuck spotify,”):
“We’re self-released, and are obviously doing a hell of a lot better for it,” says Nielsen. “It highlights the crippling terms of record contracts, not necessarily of poor payments from Spotify’s end.”
Übrigens ist Erik Nielsen nicht nur als Manager für AGF tätig, sondern auch als Berater für Rocket Music Management - durchaus also kein bedingungsloser Vertreter der Do-It-Yourself-Geschäftsmodelle.
Ein weiterer Fehler, dem Jon Hopkins erliegt, ist sein Schluss, er erhalte von Radio 1 etwa £50 pro Wiedergabe:
Jon seems aggrieved that he received £8 for 90,000 Spotify plays. However his mistake is to compare a Spotify play against a Radio 1 play. Radio 1 has approx 11,000,000 listeners so if you do the maths that's 0.0000045p per listener. Spotify pays 0.000088p per stream (listener) according to Jon's own figures above. So by Jon's own maths, Spotify pays more.
So Kieron Donoghue, Gründer von Sharemyplaylists.
Dennoch, wie hoch die Ausschüttungen Spotifys an Künstler tatsächlich sind, bleibt unklar:
Spotify told paidContent today: “We have driven over $150 million of revenue to the music industry since our launch three years ago.” But it is unclear how much of that total has ever found its way back to artists, without which there would be no industry to speak of.