15. Nov. 2018 Lesezeit: 4 Min.

"Waymo baut den Fahrer": Warum Waymos erster Robotaxi-Dienst einen eigenen Namen bekommt

"Waymo baut den Fahrer": Warum Waymos erster Robotaxi-Dienst einen eigenen Namen bekommt
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Wie bereits seit längerem bekannt, will Waymo noch dieses Jahr aus seinem Phoenix-Test (welcher vor einem Jahr startete) den ersten regulären, also für alle verfügbaren Robotaxi-Dienst machen. Im Dezember soll es nun losgehen.

Das interessanteste Detail, das nun über Bloomberg an die Öffentlichkeit kam, ist, dass der Dienst nicht unter Waymo sondern unter einem neuen, eigenen Namen firmieren wird:

Waymo, the secretive subsidiary of Google’s parent company, Alphabet Inc., is planning to launch the world’s first commercial driverless car service in early December, according to a person familiar with the plans. It will operate under a new brand and compete directly with Uber and Lyft.

Waymo is keeping the new name a closely guarded secret until the formal announcement, said the person, who asked not to be identified because the plans haven’t been made public.

Man kann Ende Dezember, Anfang Januar mit vielen Artikeln rechnen, die sich mit den Erfahrungen der ersten Kunden beschäftigen:

The first wave of customers will likely draw from Waymo’s Early Rider Program—a test group of 400 volunteer families who have been riding Waymos for more than a year. The customers who move to the new service will be released from their non-disclosure agreements, which means they’ll be free to talk about it, snap selfies, and take friends or even members of the media along for rides. New customers in the Phoenix area will be gradually phased in as Waymo adds more vehicles to its fleet to ensure a balance of supply and demand.

Was es bedeutet, dass Waymo den Dienst unter neuem Namen lanciert:

  • Die Waymo-Marke ist noch keine bekannte Endkonsumentenmarke. Man verliert also nichts.
  • Sollte die Herangehensweise, Angebot/ Technik, nicht erfolgreich sein oder, sagen wir, sogar zu größeren Unfällen führen, könnte die neue Marke auch wieder begraben werden. (Juristisch muss gar nicht der Robotaxi-Dienst schuld sein. Selbstfahrende Autos gemeinsam mit Autos mit Menschen hinter dem Steuer auf der selben Straße wird eine Herausforderung. Gleichzeitig werden Unfälle, bei denen selbstfahrende Autos involviert sind, sehr viel stärker medial unter die Lupe genommen. Öffentliche Wahrnehmung und daraus folgende Regulierung spielen eine große Rolle hier.)
  • Wichtiger aber als die ersten zwei Punkte: Waymo hält sich alle Optionen offen.  Und zwar Richtung Endkundenprodukte als auch Richtung Technologie-Zulieferer.

Das bringt uns zurück zu dem, was der Waymo-CEO im August diesen Jahres gesagt hat:

Waymo-CEO John Krafcik hat eine gute Metapher für den Waymo-Ansatz der selbstfahrenden Autos gefunden. Autohersteller bauen die Autos, Unternehmen wie Waymo bauen die Fahrer[...]

Diese Metapher erklärt gut die kommende Strategie des Google-Unternehmens.

Waymo wird zwar mit seinem eigenen Dienst gegen Uber, Lime, ÖPNV und co. antreten. Aber es setzt nicht alles darauf, dass diesem Dienst der Durchbruch gelingen wird. Waymo ist gut in der Technik (mit großem Abstand führend, wenn man den Disengagement Reports aus Kalifornien glaubt). Und das beste Geschäftsfeld wäre, wenn Waymo die ganze Kette kontrolliert und den Endkundenzugang selbst innehat.

Aber das wäre ungefähr so wie ein Google, das Android baut und das nur in eigene Hardware steckt. Das ist offensichtlich nicht das, was Waymo vorhat.

"Waymo baut den Fahrer." Diese Fahrer können für Waymos Robotaxi-Dienst fahren. Sie können aber auch für andere Anbieter oder Hersteller fahren. Waymo will seine Fahrer, sein Gehirn, überall sehen und für jedes Szenario eine passende Konstellation finden.

Es ist nur logisch, dass der Robotaxi-Dienst vor diesem Hintergrund einen eigenen Namen bekommt.

Hier nochmal Krafcik in Bloomberg vom Sommer diesen Jahres:

[Waymo Chief Executive Officer John Krafcik’s] goal is to build what he calls “the driver,” an integrated suite of hardware and software that makes self-driving possible, and then to put the technology to work across four areas of transportation: ride-hailing services, trucking, personal vehicles, and public transportation. The strategy leans heavily on partnerships, especially for vehicles.

“Car companies make cars, and that’s what they should do,” Krafcik says. “Self-driving companies should make drivers.”

Warum das sinnvoll ist: Waymo baut nicht unabhängige, 'autonome' Fahrer im Sinne von, sagen wir, Reifen, die wenn sie einmal vom Band gegangen und an ein Auto montiert wurden, in der Regel keinen Kontakt mehr zum Reifenhersteller haben. Waymos Fahrer sind vielmehr die Endkundengeräte, die auf die Daten (die Erfahrungswerte) aus der Cloud, also aus Waymos 'Zentrale', zugreifen. Waymos 'Fahrer' sind nur gut, weil sie auf das gesamte gelernte Waymo-System zurückgreifen können.

Und, hier wird es jetzt auch strategisch interessant, sie senden natürlich Daten zurück in die 'Zentrale', ins System, das dadurch besser werden kann.

Dieser Datennetzwerkeffekt ist der Grund, warum Waymo sich möglichst alle Optionen offen hält. Eigener selbstfahrender Taxi/Uber-Dienst? Na klar, warum nicht. Waymo als Zulieferer für alle Hersteller, die diese Technik nicht auf dem gleichen hohen Niveau bauen können? Warum nicht!

Je mehr Waymo-'Fahrer' auf den Straßen Erfahrungen zurück ins System spielen können, umso besser wird die Waymo-Technologie.

Strategisch bedeutet das auch, dass Waymo den vielversprechendsten Weg geht, um den eigenen technologischen Vorsprung uneinholbar zu machen.  Autohersteller können auf Waymo verzichten. Aber wenn sie deshalb schlechtere selbstfahrende Systeme am Markt haben, wenn dieses Merkmal zum wichtigsten Aspekt geworden wird, dann verlieren sie rasant Marktanteile. Wer Waymo integriert, kann dagegen schnell Marktanteile gewinnen. Selbst als kleiner oder neuer Hersteller. Das Gleiche gilt für On-Demand-Mobility-Anbieter wie Uber oder Lyft. Wer aber Waymo integriert, sorgt gleichzeitig dafür, dass der Vorsprung von Waymo noch größer wird.

Die Business-Seite ist also relativ deutlich sichtbar nun. Die große unbekannte Variable ist, wie groß der technologische Unterschied zwischen den Anbietern, die an selbstfahrenden Systemen arbeiten, tatsächlich ist und wie leicht oder schwer dieser Unterschied  überwunden werden kann.

Meine Hypothese: Noch ist der Vorsprung von Waymo kein Graben rund ums Geschäftsmodell. Sollte Waymo es allerdings schaffen, in den nächsten Jahren schneller als andere zum einen Robotaxi-Dienste aufzubauen und gleichzeitig die eigene Technologie in Neuwagen verschiedener Hersteller zu bekommen und in die Netzwerke anderer On-Demand-Anbieter zu kommen (Uber, Lyft, etc.), wird der dadurch entstehende Daten-Feedbackloop Waymo uneinholbar nach vorn katapultieren.

Das ist noch keine Gewissheit. Aber die Tatsache, dass Waymo aktuell vorn liegt und diese Strategie bereits vorantreibt, macht es sehr wahrscheinlich.

Google hat 2009 angefangen, selbstfahrende Autos zu entwickeln. Die Abteilung wurde im Dezember 2016 als Waymo zur Alphabet-Tochter umgewandelt.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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