Das größere Problem ist dies: Jemand, der so tut, als sei „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ nur ein lästig langes Wort für „Staatsfunk“ und als sei Staatsferne bei einem solchen System ohnehin nicht zu erreichen, setzt die Errungenschaften eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst aufs Spiel. [...]
Schon aus Tatsachen wie der, dass der „Gründungsakt der öffentlich-rechtlichen Anstalten ein hoheitlicher Akt des Staates“ gewesen sei und es zur Gründung des ZDF einen „Staatsvertrag“ gegeben habe, schließen die Wirtschaftsleute der FAS, dass es sich um Staatsfernsehen handeln müsse: „So wie der französische Staat Atomkraftwerke betreibt, so betreibt der deutsche Staat Fernsehanstalten.“ [...]
Wer, wie die FAS, argumentiert, dass ARD und ZDF schon natur- und konstruktionsgemäß „Staatsfunk“ sind und nicht nur manchmal so wirken, weil da einiges schiefgelaufen ist, dem geht es nicht darum, für die Staatsferne dieser Sender zu kämpfen. Dem geht es darum, gegen ihre Legitimation und ihre Existenz zu kämpfen. [...]
Es gibt vieles, was an ARD und ZDF zu kritisieren ist, konkret wie grundsätzlich. Der Widerwille der Parteien, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Staatsferne zu gewähren, die ihm (und uns!) zusteht, ist erbärmlich. Und natürlich muss man auch die grundsätzliche Frage stellen, was die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der neuen digitalen Medienwelt ist. (Ein Thesenpapier, das ARD und ZDF darin eine größere und wichtige Rolle geben will, ist in den Medien der meisten Verlage weitgehend ignoriert worden.)
Man sollte denken, dass es die privaten Medien, die so sehr ihre Unverzichtbarkeit für die Demokratie betonen, als ihre Aufgabe ansähen, diesen Diskurs bestmöglich zu organisieren.
FAZ, FAS, Handelsblatt und co. als Propagandamaschinen in eigener Sache, das kennt man bereits vom Presseleistungsschutzrecht (LSR) vor ein paar Jahren oder der allgemeinen Berichterstattung über Facebook und Google und andere große Internetunternehmen.
Die Befangenheit, und die Schamlosigkeit, mit der diese Befangenheit zur Schau gestellt werden darf, ohne dass irgendeine größere Publikation hierzulande querschießt, ist das, was ich meinte, als ich in "Goodbye Gatekeepers" schrieb, dass die Massenmedien nicht reine Beobachter in eigener Sache sein können.
Das ist nicht überraschend. Nur Journalisten können arrogant genug sein um zu denken, dass Journalisten ansatzweise objektiv über die eigene Zukunft berichten könnten. Niemand kann das.
Aber die Diskrepanz ist, gerade in Deutschland, enorm. Das LSR hätte es ohne diese gigantische kognitive Dissonanz niemals als Gesetz geschafft. (Zur Erinnerung: Alle überregionalen Redaktionen und alle regionalen Redaktionen, die das LSR punktuell aufgriffen, haben Druck gemacht und, schlicht, Lügen verbreitet; sie haben nicht über Tatsachen berichtet. Bis heute hat es in der deutschen Journalistenwelt keine Aufarbeitung dieser beispiellosen Kampagne gegeben. Erfahren hat man davon nur in Blogs und zumindest einer Studie eines Medienwissenschaftlers.)
Zweifellos müssen die Öffentlich-Rechtlichen einen Platz online finden, der nicht identisch mit dem ist, auf dem gewinnorientierte Medien sitzen. Ein paar jüngere Gedanken dazu finden sich hier. Zweifellos ist das heutige ÖR-System zu einer so fundamentalen Veränderung aus sich heraus nicht in der Lage. Zweifellos ist aber auch, dass jede Existenzform der ÖR für die Siebenhaars dieser Welt unbefriedigend ist. Beim Handelsblatt glaubt man, die deutsche Medienlandschaft wäre gesünder ohne Öffentlich-Rechtliche.
Die Medienredakteure des Handelsblatts und der FAZ sehen online ein Nullsummenspiel zwischen den öffentlich-rechtlichen Medien und den privaten Medien. Natürlich gibt es eine Konkurrenzsituation. Aber das Geschäftsmodellproblem der privaten Medien liegt nicht darin begründet, dass es öffentlich-rechtlich finanzierte Texte online gibt.
Es ist natürlich gewissermaßen konsequent und die Grundlage für die, zum Teil hysterischen, Rufe nach Regulierung: Wer Medienexperte bei Handelsblatt, FAZ und co. ist, sieht die Gründe für die wirtschaftlichen Herausforderungen im Journalismus bei Google, bei den Öffentlich-Rechtlichen, bei Facebook.
Nur nicht bei FAZ und Handelsblatt selbst.