Wie bereits breit in der deutschen Blogosphäre berichtet, startete heute das neue Newsportal zoomer.de von Holtzbrinck (ich hatte hier schon über zoomer.de berichtet).
Ausführliche Artikel findet man bei meinen Blogwerkkollegen von medienlese und bei mrtopf, der auch mit vielen Screenshots aufwartet. Und mehr wie gesagt via Rivva.
Auf die einzelnen Aspekte einzugehen, spare ich mich also mal. Ein paar Punkte, die ich dennoch erwähnen möchte:
1. Inhalte: jetzt.de-Klicklord Dirk von Gehlen hat festgestellt, das man wohl zum großen Teil Agenturmeldungen einsetzt. Was die Frage aufwirft, was die 40-Mann starke Truppe dort den ganzen Tagen macht. Bilder zu süddeutschesken Galerien zusammenfriemeln? Eher mittelprächtige Kurztexte schreiben, in denen sie ein Abflauen des Hypes um Twitter herbeiphantasieren (Ernsthaft, was ist das mit den Deutschen und ihrem Hypecalling-Fetisch?)? Was man auf zoomer.de so macht, sieht man schon in diesem Beispieltext: Nicht verlinken. Gerademal für Twitter konnte man sich einen Link nach außen abringen, für den Gegenstand des Textes, Twitxr (Idee für ein neues Geschäftsmodell: Vokale an Startups verkaufen), hat es nicht mehr gereicht. Schlechte Ausbeute für das 'erste echte Internetnachrichtenportal' (siehe unten).
2. Noch etwas zu meinen Blogwerkkollegen von der medienfront:
Was eine grundsätzlich gute Idee ist - die Ordnung der Nachrichtenflut anhand des Interesses der Leser -, weckt hier Misstrauen. Wer weiß, ob ich nicht gerade ein wichtiges Thema verpasse, nur weil sich andere nicht dafür interessieren? Sorgt die Redaktion dafür? Der Klick geht dann im Zweifel weiterhin an Spiegel Online.
Meines Erachtens falsche Annahme zur Zielsetzung und Abgrenzung. zoomer.de soll ja gar nicht die Anlaufstelle für alle 'wichtige Themen' sein (was auch immer das Wichtige sein soll) und muss es auch nicht. Eben gerade die andere Grundlage der Gewichtung kann/könnte zoomer.de Vorteile gegenüber Spon et al verschaffen. Besonders interessant, da, wer es mit den 'wichtigen Themen' ernst meint, sowieso nicht auf die ins Boulevardeske neigende (<-Untertreibung) Online-Redaktionen von Spon et al setzt, sondern auf die Algorithmen von GoogleNews. Da kann zoomer.de als Ergänzung nebenher gut koexistieren während die Startseiten der anderen von GoogleNews substituiert werden.
Davon abgesehen haben besonders die deutschen Redaktionen letztes Jahr mehrfach bewiesen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die wichtigen Themen tatsächlich nach vorn zu holen. Stichwort Vorratsdatenspeicherung, wo waren da die Titelseiten, die Onlineaufmacher und -kampagnen? Redaktionen, Hierarchien, yadda yadda yadda. Zurück zu zoomer.de:
3. Man kann bei der Registrierung vorbildlich auswählen, dass die eigenen Daten nicht zur Personalisierung der Werbeeinblendungen verwendet werden. Nur versteckt sich diese Auswahl hinter einem Link. Und wenn man sie anwählt, ergibt das anschließend eine Fehlermeldung. Das Anmelden ist mit dieser Auswahl, so scheint es, zur Zeit nicht möglich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
4. Die Anmeldung funktionierte auch nicht, nachdem ich personalisierter Werbung zustimmte. Erst meinte zoomer, mein Passwort wäre falsch. Also versuchte ich mein Passwort zurückzusetzen. Auf der Seite dafür meinte zoomer dann, meine Emailadresse (an die die Accountaktivierungsmail bereits einging) sei invalid. Woraufhin ich fluchte und aufgab.
5. Community und Mitmachen: Deshalb konnte ich auch nicht prüfen, ob folgende Annahme stimmt, da ich dazu aber nix in den Artikeln über zoomer.de gefunden habe, gehe ich mal davon aus:
Wenn ich einen Artikel bewerte, passiert erstmal nicht mehr, als dass dieser anders auf der Seite gewichtet wird und das eventuell Auswirkungen auf die Ausrichtung meiner Seite hat. Gibt es eine Seite auf der alle meine positiv bewerteten Artikel aufgelistet sind? PersonalNews-Seite Spotback handhabt das so. Quasi als eine Art Bookmarking (am besten noch durchsuchbar)? Falls nicht, dürfte die Beteiligung auf zoomer.de geringer ausfallen als erwartet. Denn das funktioniert nur richtig gut, wenn die Mikro- und Makrointeressen auf einer Seite beiderseits bedient werden. Ich hatte diese Problematik im Artikel zu Readburner, da aber in anderem Zusammenhang, schonmal angesprochen.
Denn wenn ich nicht direkt (sichtbar!) etwas für mich daraus ziehe, wenn ich etwas bewerte, dann mache ich das nur wenn ich eine enge, und ich meine wirklich enge, emotionale Bindung zur Seite/Community habe. Angesichts der Tatsache, dass die Seite zu einem Großteil redaktionell betrieben wird, dürfte das schwierig werden.
Und wo wir schon dabei sind, wie wäre es mit personalisierten RSS-Feeds? Also einem Feed mit nur von mir positiv bewerteten Stories? Gibt es natürlich nicht. Denn:
6. Technik: Mit RSS-Feeds hat man es nicht so auf zoomer.de. In Deutschland startet 2008 eine neue Nachrichtenseite, die cutting edge sein will, und sie behandelt die wichtigste Neuerung im Nachrichtengeschäft seit Erfindung des Telegrafen als könne man eigentlich auch ganz darauf verzichten. Go figure.
Zum Mitschreiben: Ein Feed für eine ganze Nachrichtenseite ist nahezu nutzlos. Gib mir Kategorien, etc etc
Und wo wir gerade dabei sind: Ich mag ja den Wickert. Aber ich werde nicht permanent in der Hoffnung auf einen neuen Videokommentar von ihm auf die Seite klicken. Give me a goddamn Videopodcastfeed! Ich meine, wo sind wir denn hier? 1999?
(Das ist wie beim Holtzbrinck-Produkt watchberlin. Erst schafft man es ewig nicht, die Videos auch außerhalb der wuschig machenden Flashumgebung anzubieten, und dann gibt man schließlich nur einen Frißoderstirb-Feed für alle(!) Videos zusammen raus. Ich würde ja gern Martenstein und Wirres von dort abonnieren, aber so nicht, Freunde der Nacht.)
Fazit
Grundsätzlich finde ich es begrüßenswert, dass mal jemand in Deutschland versucht, dem alten Nachrichtenportalgeschäft etwas Neues abzuringen. Aber das Ganze ist (wieder mal) sehr, sehr halbgar. Gerade in einer Zeit in der es neuartige Newsseiten wie Digg, reddit, Newsvine und Spotback schon eine gefühlte Ewigkeit gibt, erwarte ich einfach mehr als eine personalisierbare Agenturzweitverwertungsseite mit eigener Votingmöglichkeit. Zumindest Grundfunktionen, wie Feeds zu allem Möglichem und Unmöglichem ist bei einer neuen Nachrichtenseite ein Muß.
Man ist eben erst gestartet, deshalb kann das schon noch was richtig Gutes werden. Allerdings würde ich den Machern hinter zoomer.de und Holtzbrinck sowieso generell etwas für die Zukunft wünschen: Mehr Mut.
Und ansonsten: Das man von sich selbst als das erste echte Internetnachrichtenportal spricht, das ist zunächst erstmal nur eins: unverschämt. (Und es ist das übliche, aggressive PR-Wischiwaschi, das zeigt, das man eben nicht im Netz mit all seinen Konsequenzen angekommen ist [ja, aggressiv und wischiwaschi, PR ist immer auch ein bisschen schizophren, amazing, isn't it?])
Und ich verbitte es mir als Mitglied der 14- bis 35jährigen webaffinen Deutschen im übrigen, mich zu einer sogenannten 'Generation StudiVZ' zu zählen. So weit kommt's noch.