Mark Zuckerberg im Podcast-Interview mit Ezra Klein auf Vox (via):
Klein: One of the things that has been coming up a lot in the conversation is whether the business model of monetizing user attention is what is letting in a lot of these problems. Tim Cook, the CEO of Apple, gave an interview the other day and he was asked what he would do if he was in your shoes. He said, “I wouldn’t be in this situation,” and argued that Apple sells products to users, it doesn’t sell users to advertisers, and so it’s a sounder business model that doesn’t open itself to these problems.
Do you think part of the problem here is the business model where attention ends up dominating above all else, and so anything that can engage has powerful value within the ecosystem?
Zuckerberg: You know, I find that argument, that if you’re not paying that somehow we can’t care about you, to be extremely glib and not at all aligned with the truth. The reality here is that if you want to build a service that helps connect everyone in the world, then there are a lot of people who can’t afford to pay. And therefore, as with a lot of media, having an advertising-supported model is the only rational model that can support building this service to reach people. […]
But if you want to build a service which is not just serving rich people, then you need to have something that people can afford. I thought Jeff Bezos had an excellent saying on this in one of his Kindle launches a number of years back. He said, “There are companies that work hard to charge you more, and there are companies that work hard to charge you less.” And at Facebook, we are squarely in the camp of the companies that work hard to charge you less and provide a free service that everyone can use.
I don’t think at all that that means that we don’t care about people. To the contrary, I think it’s important that we don’t all get Stockholm syndrome and let the companies that work hard to charge you more convince you that they actually care more about you. Because that sounds ridiculous to me.
Die Rhetorik von Tim Cook spielt gerade sehr gut in die aktuelle Facebook-Debatte hinein; Cook nutzt die Gunst der Stunde, Apple von Facebook (und Google) abzusetzen.
Das ist auch gerechtfertigt. Apple ist in vieler Hinsicht ein Ausreißer unter den Tech-Giganten. Dank des Geschäftsmodells kann Apple anders mit persönlichen Daten umgehen. Das führt zu einem schlechteren Siri, aber auch zu "mehr Privatsphäre."
Trotzdem hat Zuckerberg recht im Interview. Es gibt verschiedene grundlegende Wege, Dinge anzubieten. Und nicht jeder Weg funktioniert für jede Art von Angebot.
Es ist kein Zufall, dass alle Social Networks kostenlos sind.1
Im nächsten Schritt: "Wenn du nicht der (zahlende) Kunde bist, bist du das Produkt." ist Bullshit. Prägnanter, viraler Bullshit zwar, aber trotzdem Bullshit.
Google und Facebook sind nur so lange erfolgreich, solang ihre Nutzer ihre Produkte nutzen. Im Fall von Facebook sind die Nutzer nicht nur Konsumenten sondern auch Lieferanten (Sharing!) der Inhalte, wie Ben Thompson neulich treffend festhielt. Ohne Nutzer kein Produkt.
Deshalb sind diese (und andere erfolgreiche) Tech-Konzerne so versessen darauf, eine gute User Experience zu liefern.2
Daraus folgt direkt die Besessenheit Facebooks, auf das "Engagement" zu achten. Also die Aktivität der Nutzer auf Facebook. Diese Kennzahl sagt Facebook, ob die Leute auf Facebook verweilen wollen oder nicht. Ob das, was sie auf Facebook sehen, ihnen gefällt oder nicht. "Engagement" ist eine konstant laufende Kundenbefragung.
Daraus wiederum folgen die bekannten negativen Folgen. Aber das ist nicht Facebook-spezifisch. Das gehört zum Thema Social Networks wie der Cliffhanger zur TV-Serie. Und natürlich können spezifische Cliffhanger schrecklich manipulativ sein und andere Serien auf Baseballschläger verzichten. Das ändert nichts daran, dass das Produkt -hier im Beispiel die Serie- eine Eigenschaft hat, die dafür sorgen soll, das man wieder einschaltet oder weiterschaut. Also das Produkt weiternutzt. Diese Eigenschaft kann sich sehr unterschiedlich manifestieren.
Direkt Facebook-spezifisch ist, wie sie nicht über die negativen Folgen nachgedacht und, als diese Folgen bereits außen offensichtlich waren, trotzdem nicht in der Lage waren, zügig zu reagieren. Dieses Verhalten konnte man bereits bei einigen Produktlaunches beobachten. Man denke etwa an Live-Video auf Facebook, bei dem Zuckerberg von Urlaubsvideos ausging und gefilmten Totschlag bekam. (Das ist sicher auch eine Folge der schlechten Corporate Governance bei Faceboook. Zuckerberg hält nachwievor die Mehrheit der Stimmrechte im Aufsichtsrat und ist somit relativ unantastbar.)
Das Ärgerliche an Cooks Rhetorik3 ist, dass sie zur journalistischen Hysterie und Einseitigkeit beiträgt: Wie bereits bei Google werden auch bei Facebook kategorieinhärente Eigenschaften mit dem spezifischen Verhalten eines konkreten Unternehmens vermischt - in beide Richtungen.
Nur Social Networks mit frühen Netzwerkeffekten sind erfolgreich. Ergo kostenfreie Nutzung. Ergo werbefinanziert oder zumindest querfinanziert über unterschiedliche Nutzergruppen, wie auch immer die Segmentierung aussieht. (Siehe etwa LinkedIn. Werbefinanziert ist letztlich eine Unterform von Querfinanzierung über Segmentierung.) Ergo Nutzerdatenauswertung. Denn den Zugang der einen (zahlenden) Nutzergruppe zur anderen Nutzergruppe zu verbessern, setzt voraus, die Informationsflüsse zu verbessern.
(Je besser und automatisierbarer dieser zu bezahlende Zugang, desto kleinteiliger kann er sein: auktionsbasierte Werbung für den Long Tail macht automatische Preissetzung möglich. Deshalb existiert sie, nicht weil Google und Facebook Auktionsfans sind. Ergo selbst Selbstständige und Kleinunternehmen können für wenige Euro Werbung schalten. Auf Google und Facebook. Ergo beide Unternehmen können den kompletten Werbemarkt abdecken.)
Diese und andere grundlegende Eigenschaften von Social Networks wie etwa die automatisierte (algorithmische) Sortierung der geteilten Inhalte müssen losgelöst von ihren Manifestationen bei Facebook et al betrachtet werden.
Aktuell tun Medien vielerorts so, als hätte Facebook sich für Werbung und kostenfreie Nutzung entschieden und dabei die Richtung ernsthaft selbst entscheiden können. Das stimmt natürlich nicht.
Das ist keine Grundlage, irgendetwas zu lernen, voranzukommen, vielleicht irgendwann auch einen vernünftigen Regulierungsrahmen zu finden.
- In diesem Zusammenhang sei mir ein Hinweis auf diesen Twitter-Thread von mir erlaubt. ↩
- Was nicht heißt, dass das Endergebnis zwingend "gut" ist. Es geht mir hier nur um die Motivation. ↩
- Welche aus Cooks Sicht wie gesagt völlig nachvollziehbar ist: Es ist im Interesse von Apple, möglichst viel Lärm um die Tatsache zu machen, dass man sich von Facebook, Google et al. sehr konkret beim Thema Datennutzung unterscheidet. (Deutsche Medien zum Beispiel werfen Apple gern mit allen anderen in einen Topf. Tech und Valley halt, alle gleich. Man lese daraus, was man möchte.) ↩