29. Juli 2013 Lesezeit: 2 Min.

Auf einmal entdecken alle, dass Axel Springer kein Presseverlag mehr sein will

Michael Spreng fasst den Verkauf von "Abendblatt" und anderen Blättern nüchtern so zusammen:

“Abendblatt”, “Hörzu” und die anderen verkauften Blätter erwirtschafteten bei 512 Millionen Euro Umsatz eine Rendite von 95 Millionen. Eine Traumrendite. Die meisten deutschen Unternehmen hätten gerne solche Zahlen. Es gab also keine dringende unternehmerische Notwendigkeit für den Verkauf. Aber der frühere Verlag Axel Springers ist auf dem Weg zum Digitalunternehmen. Print stört dabei nur. Preisvergleichsportale statt gedrucktem Wort. Andere Verlage verkaufen schon Tierfutter. Das wird bei Springer auch noch kommen.

Die Axel Springer AG trennt sich vom Papiergeschäft, von der journalistischen Altlast, solang es noch geht. Nur wer nicht aufgepasst hat, hat den Konzern bereits vor dem Verkauf noch als Presseverlag bezeichnet. Mehr als alle anderen deutschen Medienunternehmen ist die Axel Springer AG pragmatisch auf dem Weg in ein rein digitales Geschäft, das mit Journalismus zu tun haben kann aber nicht muss und es deswegen immer seltener tut.

Das ist so offensichtlich wie vorhersehbar. Im Mai 2012 sagte ich im Interview für die Heinrich-Böll-Stiftung zu dieser Entwicklung auch in Hinblick auf das damals kommende und nun beschlossene Presseleistungsschutzrecht:

Früher war Werbefinanzierung direkt an das Presseprodukt gekoppelt, es war ein festes Bündel. Man musste gezwungenermaßen den Journalismus mit produzieren, um über Werbung Geld einzunehmen. Wenn nun aber ein großer Konzern sein Kleinanzeigenportal von seiner Online-Publikation losgelöst hat, findet ja auch die Kostenrechnung vollkommen anders statt. Wenn es entkoppelt ist, lässt sich natürlich sagen: Wir können mit diesem Anzeigenportal genauso gut oder viel mehr verdienen, warum sollen wir dann unsere Publikation, die keinen Gewinn abwirft, damit noch quersubventionieren?

Das ist auch für die Politik interessant: Wenn der Springer-Konzern seine Gewinne immer weniger mit Journalismus bestreitet und gar nicht mehr darauf angewiesen ist, weil er seine Anzeigenportale und Angebote unabhängig von den journalistischen Angeboten betreiben kann, dann ist es nicht sinnvoll, solchen Unternehmen zusätzliche Rechte zu geben oder Gesetze in ihre Richtung zu formulieren. Der Springer-Verlag ist schon jetzt schon nicht mehr darauf angewiesen. Und die Entbündelung zeigt meines Erachtens deutlich: Man sollte sich nicht zu sehr auf die heute etablierten Institutionen versteifen. Sondern lieber darauf achten: Wie findet der gesamte Prozess des Journalismus und die Aufgabenverteilung statt, was können wir da unterstützen?


Nun haben wir relativ offensichtlich leider eine Politik auf Bundesebene, die an all diesen Themen keinerlei Interesse hat, wahrscheinlich den Geschehnissen intellektuell auch gar nicht folgen kann selbst wenn sie wöllte.

Denn sie informiert sich, wo auch sonst, in den klassischen Printmedien, welche selbst vollkommen überfordert mit ihrer eigenen Branche sind. Als Beweis kann man die vielen aufgeschreckten Berichte zum Verkauf der Axel-Springer-Hefte sehen, die zeigen, wie desolat die hiesige professionelle Medienbeobachtung ist.

In der FAZ etwa, die Seite an Seite mit Axel Springer die Lügenkampagne für das Presseleistungsschutzrecht (LSR) vorantrieb, schreibt nun ausgerechnet Michael Hanfeld, selbst für den einen oder anderen LSR-Hardlinerartikel im Hause verantwortlich, dass der Axel-Springer-Konzern es nun den 'Online-Oligopolisten' gleich tun wolle. Man möchte Hanfeld fragen, ob er enttäuscht ist, dass Axel Springer kein gemütlicher deutscher Monopolist, so wie es die Presseverlage die letzten Jahrzehnte waren, mehr bleiben möchte. Michael Hanfeld ist sich schließlich auch nicht zu schade zu fragen, "was Springers Kampf um das Leistungsschutzrecht für Verlage eigentlich sollte" ohne den Versuch einer Antwort zu liefern. Ungläubiges Schulterzucken. Das ist die Reaktion des Expertens, der als Redakteur im FAZ-Feuilleton zuständig für „Medien“ ist .

Man kann Axel Springer um solche unfähigen Kritiker beneiden.

Und Angst haben. Angst um die deutsche Presse, die nicht mehr im Ansatz weiß, wo vorn und hinten ist.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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