Der Artikel zur Frage „Wer gewinnt in einer Flattr-Welt?“ hat einige interessante Kommentare hervorgerufen. Die Debatte ist meines Erachtens für eine breitere Öffentlichkeit interessant. Einige Auszüge aus den Kommentaren und Anmerkungen meinerseits:
Vielleicht habe ich ja Kachingle (noch) nicht ganz verstanden, aber ist es nicht so, dass bei Flattr eher das einzelne Content Element „belohnt“ wird und bei Kachingle die Besuchsanzahl auf der ganzen Site? Ich würde auch vermuten, dass bei Flattr ursprüngliche Beiträge eher gewinnen, während allerdings die erfolgreichen Kuratoren bei Kachingle besser da stehen könnten.
Das ist in der Tat interessant. Es kann gut sein, dass die verschiedenen Ansätze unterschiedliche Arten von Inhalten unterschiedlich stark belohnen werden. Wobei ich stark vermute, dass ein mittelfristig erfolgreiches System Elemente von Flattr (zu klickender Button pro Inhalt) als auch von Kachingle (Abo-System; ohne zusätzlich notwendige Tätigkeit, abgesehen vom Besuchen der Site) integrieren muss.
Während Kachingle mehr eine generelle Sympathiebekundung und Unterstützung für eine ganze Website ist, belohnt Flattr den einzelnen Beitrag. Ich glaube nicht, dass dieser „aufwühlend“ oder „emotionalisierend“ sein muss. Im Gegenteil, man kann einen Beitrag, der vor allem Aufmerksamkeit sucht und nichts substanzielles liefert, so getrost ignorieren und nicht-flattern. Dagegen kann man eine Einzelleistung eines Angebots belohnen, das man gar nicht generell liest und auf das man nur per Zufall gestossen ist.
Das geht noch einmal auf die Unterschiede der zwei Systeme ein. Ronnie Grob hat recht: Flattr kann potentiell mehr Einmalbesucher in einen monetären Einkommensstrom verwandeln als Kachingle. Kachingle ist in seiner aktuellen Form quasi ausschließlich auf Stammleserschaft ausgelegt.
In einem Internet, das zunehmend von Streams bestimmt wird und viele Leser von Angebot zu Angebot springen, könnte Flattrs Klick-Button besonders außergewöhnliche Zugriffs-Peaks von Durchlauferhitzern wie Facebook und Twitter besser monetarisierbar machen als Kachingles Abo-System, das diese Konsumform mehr oder weniger ignoriert.
Anders gesagt: Es kann für Publisher sinnvoll sein, beide Systeme einzusetzen, weil es Kachingle für Stammleser einfacher macht, während Flattr Einmalbesucher abfangen kann. Das ist ein weiterer Grund, warum ich glaube, dass ein erfolgreiches System beide Komponenten benötigt, weil erst dann beide Nutzungs-Szenarien abgedeckt sind.
Ronnie Grob spricht noch einen wichtigen Punkt an:
Es braucht dazu ein Bewusstsein der Belohnung des originären Inhalts. Wie man auch das Blog verlinkt, das eine Meldung zuerst bringt und nicht Spiegel Online, das sie ohne Link zusammenfasst, so muss man den Originalbeitrag flattern – und nicht etwa ein Crosspost oder eine Zusammenfassung.
Felix Schwenzel spricht einen interessanten Aspekt bezüglich der betroffenen Institutionen an:
angenommen, ein oder mehrere micropayment-modelle funktionieren, wer würde dann noch für verlage schreiben wollen? was passiert, wenn aufmerksamkeit sich über micropayment direkt in geld verwandeln lässt, fangen dann blogger auch an, aggressiv auf aggregatoren und suchmaschinen zu reagieren? werden schwanzvergleiche dann noch ernsthafter betrieben?
ich frage mich, könnte genau an dem moment, wo sich (eventuell) ein funktionierendes geschäftsmodell für journaliste inhalte etabliert, was sich verlage ja im prinzip seit einem jahrzehnt herbeiwünschen, genau das die verlage ruinieren?
Es ist in der Tat denkbar, dass ein etabliertes System nach Art von Flattr oder Kachingle ein weiterer Nagel im Verlagssarg ist, weil es im Grunde einen weiteren Aufgabenbereich der Verlage übernimmt, diesen aber auf die genuinen Eigenschaften des Internets anwendet.
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Noch zwei Anmerkungen zum Thema: Die Kachingle-Gründerin Cynthia Typaldos diskutiert in den Kommentaren zu meinem Artikel über Kachingle und das Henne-Ei-Problem über die Strategien von Kachingle und dessen Positionierung als zweiseitiger Markt. Vor einiger Zeit habe ich auch in der Trackback-Sendung von Radio Fritz ein kurzes Interview zu Flattr und co. gegeben. neunetz.com-Leser erfahren in der Trackback-Sendung allerdings nichts Neues.
Jörg Eisfeld-Reschke says
Vielen Dank für die Zusammenfassung der Debatte. Im Fazit stimme ich Dir bei der momentanen Ausrichtung völlig Recht: Kachingle ist für die Personen interessant, die das Konzept/den Ansatz eines Blogs unterstützen möchten. Flattr ist wunderbar für flatternde Netzschmetterlinge, die hier und da einzeln ausgewählte Inhalte unterstützen möchten.
Einen groben Vergleich hatte ich unter http://www.ikosom.de/2010/04/27/flattr-und-kach… geschrieben.
Roman says
Ich habe auf meinem Blog vor kurzem mein persönliches Problem mit Flattr beschrieben: Die Gebühren. Mir ist klar, dass auch diese Anbieter das nicht (nur) zum Spaß machen, aber es ist doch ein ungutes Gefühl, wenn man 10% seines eingesetzten Geldes abgeben muss. Warum? Klicke ich auf 100 Flattr-Button, dann ist die Dienstleistung von Flattr für einen Monat soviel wert wie 10 gute Artikel. Obwohl der Betrag vielleicht nicht so groß ist, störe ich mich doch an der Situation. Nachzulesen unter http://netzmelder.de/mein-problem-mit-social-pa…
marcel weiss says
Gebühren bleiben wohl nicht aus. 10 Prozent sind aber noch verkraftbar. Apple und Facebook nehmen 30 Prozent für AppStore respektive FB-Credits.
Andreas Von Gunten says
bei beiden Services würde ich eine Art Autopost zu Twitter und/oder Facebook Funktion noch sinnvoll finden, so, dass ein Tweet bzw. ein Statusupdate rausgeht, wenn ich einen Artikel geflatterd habe bzw. wenn ich eine Site neu Kachingle
marcel weiss says
Yep, das brauchen sie auf jeden Fall.
Walter says
Danke für die praktische Zusammenfassung ;-) Ich habe in meinem Blog auch noch Statements über Paymecredit und Rewrd.com zusammengetragen. http://e-byz.ch/community/flattr-kachingle-paym…
Offenbar kommt da noch einiges auf uns zu…
@ Andreas: Die Jungs von Flattr sind offen für gute Ideen und reagieren sehr prompt auf Feedback!