Das bereits länger kursierende Gerücht, Amazon plane ein Verleih-Modell für E-Books, verhärtet sich:
A crafty code sleuth over at MobileRead uncovered one of Amazon’s secrets while investigating source code trying find a picture of the new Kindle Tablet that everyone is expecting Amazon to announce at a press conference they scheduled on September 28th.
I did some investigating of my own and it does indeed appear as if Amazon is getting set to introduce something called Prime eBooks, assumingly an ebook rental type of service, like NetFlix for ebooks, as part of their Amazon Prime subscription package.
Unabhängig davon, ob Amazon einen ‚Ebook-Verleih‘ in Bälde einführt oder nicht: On-Demand-Zugriff auf eine reichhaltige E-Book-Bibliothek, die mit einem festen Monatspreis analog zu Spotify/Simfy für Musik oder Netflix für Filme und Serien arbeitet, erscheint mir unvermeidbar.
Irgendwann wird irgendein Unternehmen so etwas anbieten. Amazon ist dafür mit seinem erfolgreichen Kindle-System natürlich prädestiniert. Einzig die Buchverlage sind wahrscheinlich meist noch nicht so weit.
Da in Deutschland der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Buchpreisbindung auch auf E-Books anwendet, stelt sich mir dabei allerdings folgende Frage:
Wäre ein On-Demand-‚Verleih‘-Dienst, eine Art Netflix für E-Books, mit der Buchpreisbindung vereinbar?
Helen Ragnarsdottir says
Nein, das ist natürlich nicht zulässig. Und die Buchpreisbindung gilt auch für ausländische Verlage, wenn das Buch für deutsche Abnehmer bestimmt ist. Der Verlag kann den Titel aber noch einmal mit anderer ISBN auflegen und einen Subskriptions- oder Serienpreis vergeben.
Der Anteil an Amazon-Verkäufen ist bei großen Verlagen für Unterhaltungsliteratur kaum von Bedeutung. Auf die kann das Staubsaugerwarenhaus Amazon kaum Druck ausüben. Ich war schon wochenlang Topten dort, aber die Zahl verkaufter Exemplare liegt dennoch weit unter einem einzigen mittelgroßen Buchgeschäft. Das wirkt auf Außenstehende vielleicht anders, besonders wenn sie viel im Internet sind.
Marcel Weiss says
„Nein, das ist natürlich nicht zulässig. Und die Buchpreisbindung gilt auch für ausländische Verlage, wenn das Buch für deutsche Abnehmer bestimmt ist. Der Verlag kann den Titel aber noch einmal mit anderer ISBN auflegen und einen Subskriptions- oder Serienpreis vergeben.“ Interessant, danke. Das mit der neuen Auflage unter neuer ISBN war mir neu.
Klaus says
Dass die Verkäufe für ein Top Ten Buch so schlecht sein sollen, kann ich mir kaum vorstellen. Können Sie vielleicht kurz erläutern, in welcher Liste genau sie unter den Top Ten Büchern waren, am liebsten mit Link?
Alexander Vieß says
Hallo Marcel,
ja, das ist wirklich eine spannende Frage, die aber so leicht nicht eindeutig zu beantworten scheint. Ich habe unsere Rechtsabteilung um eine Stellungnahme gebeten. Hier der Wortlaut von Herrn Sprang, Justiziar des Börsenvereins:
„Sie wollten wissen, ob Amazon (und anderen Anbietern) das Angebot einer Flatrate auch für deutsche E-Books rechtlich gestattet ist.
Diese Frage lässt sich leider nicht zuverlässig beantworten. Einerseits hängt die Antwort davon ab, um welche Art von Anbieter (E-Book-Plattform) es sich handelt und wie er sein Flatrate-Angebot im Einzelnen ausgestaltet. Andererseits ist die Frage, ob E-Books unter das deutsche Buchpreisbindungsgesetz fallen und ob die Preisbindung auch zur Anwendung kommt, wenn ein Anbieter aus dem EU-Ausland (Amazon hat seinen europäischen Hauptsitz und seine Server z.B. aus steuerlichen Gründen in Luxemburg) grenzüberschreitend an Endabnehmer in Deutschland verkauft, gerichtlich noch nicht entschieden worden. Insgesamt herrscht im E-Book-Markt bei vielen Fragen noch eine sehr große rechtliche Unsicherheit und ein Mangel an bestätigten Handelsusancen vor. Es wird wohl noch eine erhebliche Weile dauern, bis sich das ändert, da die Schaffung rechtlicher Regelungen nie mit der Geschwindigkeit technischer Entwicklungen mithält. (Mephisto, Faust I: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewge Krankheit fort; sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage: Weh dir, dass du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist leider nie die Frage.“)
Der Börsenverein geht bekanntlich mit der herrschenden Lehre davon aus, dass E-Books unter das Buchpreisbindungsgesetz fallen und auch auf grenzüberschreitende Verkäufe anwendbar sind. Sofern die Gerichte diese Ansicht teilen bedeutet das, dass der E-Book-Preis vom Verlag festgesetzt wird und kein Händler die Möglichkeit hat, preisgebundene E-Books verschiedener Verlage im Bundle zu einem Preis zu verkaufen, der unter der Summe der gebundenen Einzelpreise liegt.
Auch auf dem Boden dieser Ansicht gibt es aber für E-Book-Plattformen durchaus Möglichkeiten, zu Abomodellen bzw. Flatrates zu kommen. So können E-Books bspw. mit Zustimmung der Verlage nicht verkauft, sondern von Händlern vermietet werden (was für den Kunden heißt, dass sie ihm nur zeitlich begrenzt per Download überlassen werden, was durch technische Schutzmaßnahmen bewerkstelligt werden kann – ein im Markt vorhandenes, allerdings als unentgeltliche Leihe ausgestaltetes Beispiel hierfür ist die von öffentlichen Bibliotheken angebotene „onleihe“ von E-Books). Da das Buchpreisbindungsgesetz nur Verkäufe, nicht aber Vermietungen von Büchern regelt, wäre eine Flatrate als monatlicher, vierteljährlicher oder jährlicher Mietpreis für eine definierte Zahl downgeloadeter E-Books vorstellbar, sofern die Verlage mitspielen und der E-Book-Plattform den Betrieb eines solchen Modells mit ihren Büchern gestatten.
Im Rahmen von Verkäufen wären Abomodelle für E-Books mit einigen preislichen Limitationen vorstellbar, wenn als Anbieter die Verlage selbst für ihre eigenen Titel agieren – sie legen dann unter dem Buchpreisbindungsgesetz sog. Serienpreise fest, die allerdings vordefiniert sein müssen. Auch denkbar ist die Einräumung von Lizenzen für E-Book-Ausgaben von Handelspartnern, wie wir sie bei gedruckten Büchern insbesondere von den Angeboten von Buchclubs kennen. Ein „Amazon-Buchclub“ für E-Books könnte E-Books verschiedener Verlage im Bundle zu „Flatrate-Preisen“ anbieten, die unter den gebundenen Einzelpreisen liegen. Er bräuchte dann aber in jedem Einzelfall eine vertragliche Gestattung des Verlags, wäre bei den Preisabständen zu den Originalausgaben beschränkt und müsste presserechtlich die Haftung für die Inhalte seiner Lizenzausgaben übernehmen.
Wie gesagt: Das von Amazon angekündigte Geschäftsmodell ist vom Sachverhalt her noch so diffus, dass es rechtlich nicht zuverlässig beurteilt werden kann. Grundsätzlich sagen kann man nur, dass Flatratemodelle, bei denen der Kunde die Auswahl aus einer großen Anzahl von E-Books mit verschiedenen Ladenpreisen treffen kann, hinsichtlich der Tantieme der Autoren eine rechtliche und administrative Herausforderung sind. Letztlich kostet jedes Buch bei jedem Verkauf dann ja einen anderen Preis (da dieser davon abhängt, mit welchen anderen Titeln der Kunde das E-Book unter der Flatrate erwirbt). Die Autorenbeteiligung am erzielten Verkaufspreis muss entweder Fall für Fall errechnet (was auch mit modernen Softwaresystemen nicht trivial ist) oder pauschaliert ausgeschüttet werden („rough justice“) – und die gewählte Abrechnungsart muss vom Autor vorab im Verlagsvertrag akzeptiert sein (was bei Backlisttiteln in der Regel nicht gegeben ist).
Herzliche Grüße
Dr. phil. Christian Sprang
Rechtsanwalt
und Mediator
JustiziarBörsenverein
des Deutschen Buchhandels e.V. „
Beste Grüße
Alexander Vieß
Redakteur Web & Social Media
Börsenverein des Deutschen Buchhandels
[Edit: Ein paar Formatierungen rausgeworfen]
Marcel Weiss says
Vielen Dank für diesen sehr interessanten Kommentar, Alexander. Ich werde das in einem weiteren Artikel hier auf neunetz.com noch einmal aufnehmen.