Anders als es die Zeitungen bei Online-Relaunches verlautbaren, wird ihr Internetangebot immer knapper.
Die FAZ hat mit dem Relaunch auch das Online-Inhaltsverzeichnis abgeschafft, es gibt also, abgesehen vom Namen und vereinzelt online gestellten Artikeln, keine Verbindung mehr zwischen Print-FAZ und FAZ.net:
Deutlich wird das an der Aufgabe einer kleinen, oft unbemerkten Rubrik im bisherigen Auftritt der FAZ, der „FAZ Texte“. Hier konnten Nicht-Abonnenten der Zeitung durch Lektüre der Überschriften und Unterzeilen immerhin feststellen, was in der Zeitung steht: Die Rubrik war ein Inhaltsverzeichnis der Printzeitung. Tendenziell jeder Artikel der Zeitung war hier aufgeführt. Als Abonnent konnte man sich einloggen und den Artikel am Erscheinungstag als html-Datei lesen. Diese Rubrik ist, so scheint es, nun abgeschafft.
Stattdessen werden Abonnenten nun auf das E-Paper verwiesen, das in 3 Monaten zusätzlich(!) zum Printabo kostenpflichtig wird – Moment, ja doch, es ist noch 2011.
Undigitaler geht es nicht.
Das gilt natürlich, wie bereits mehrfach hier erwähnt, auch für andere Onlineangebote deutscher Presseverlage. Thierry Chervel:
Aus der Süddeutschen Zeitung ist online praktisch nichts mehr kostenlos zu lesen. Ein Online-Inhaltsverzeichnis der SZ, aus dem der Leser immerhin erfahren könnte, ob es ihn überhaupt interessiert, die Zeitung zu kaufen, gibt es ebenfalls nicht (jedenfalls haben wir es nicht gefunden).
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Auch die FR stellt kaum noch einen Artikel online, und auch die FR verzichtet auf ein Inhaltsverzeichnis im Netz, aus dem Online-Nutzer ersehen könnten, was ihnen im Netz vorenthalten wird (und warum es sich eventuell lohnen könnte, die Zeitung zu kaufen). Die heute weitgehend mit der FR identische Berliner Zeitung hatte bislang noch ein Inhaltsverzeichnis im Netz, das sogar prominent rechts oben präsentiert wurde. Dieses Inhaltsverzeichnis wurde gestrichen. Und viele Artikel stehen nicht mehr online.
Vor diesem Hintergrund praktisch nichtexistenter Printpresse im Netz erscheinen die Debatten zum Presseleistungsschutzrecht ebenso absurd wie die Präventivklage der verängstigten FAZ und Süddeutsche gegen den innovativen Aggregator Commentarist oder das unsägliche und irreführende Gejammer über eine vermeintliche Kostenloskultur.
Thierry Chervel:
Die Zeitungen müssen ihre Forderungen zurückziehen. Sie können nicht gegenüber der Politik und Gesellschaft über die Kostenloskultur im Internet klagen, wenn sie allenfalls zehn Prozent ihrer Zeitungsinhalte kostenlos hergeben. Das ist ihr gutes Recht, aber wofür genau wollen die Zeitungen Leistungsschutzrechte? Die spezifischen Netzinhalte der Online-Schaufenster lassen sich ja nicht als Zeitungstexte betrachten. Das FAZ.Net bezeichnet sich als „Nachrichtenportal“. Leitungsschutzrechte auf Nachrichten?
In zwanzig Jahren Internet sind die deutschen Zeitungen einen Sonderweg gegangen. Sie haben sich – mit Zwischenphasen – immer mehr vom Netz abgeschottet. Es gibt sie, abgesehen von den Epapers und Online-Archiven, praktisch wieder nur noch im Print.
(Hervorhebungen von mir)
Das faktische gesellschaftliche Ergebnis dieser Praxis hatte ich vor ein paar Monaten benannt:
Für die Demokratie an sich in unserem Lande und die Bedeutung in ihr, die sich die Presseverlage zum Teil zu recht zuschreiben, ist das auch interessant: Während in den USA die New York Times an der Spitze der reichweitenstärksten Online-Medienangebote steht, ist das bei uns Bild.de.
[..]
Was hat es für Auswirkungen auf das Land und seine Diskurse, wenn die heranwachsenden Generationen Inhalte zu aktuellen Debatten in ihrem bevorzugten Medium nur von Boulevard-Angeboten (Bild.de) und boulevardisierten Angeboten (Spiegel Online) vorfinden, während davon abgeschottet die Intellektuellen des Landes ihre Diskurse vor einem alternden Publikum in einem sterbenden Medium abhalten?
⦿ Insi Dex says
Würde mir persönlich jetzt nicht weh tun. Zeitungen sind schon lange keine Informationslieferanten mehr sondern verbreiten lediglich Meinungen, Klatsch und Tratsch. Und Informationen sind KOSTENLOS und FREI, oder man müsste den Zeitungsfuttzis mal an ihre eigenen Idee des Leistungsschutzrechts erinnern und jede Nachricht die diese Welt hervor bringt mit einem Leistungsschutz belegen. Immerhin bereichert sich die Verlegerschaft an den Unglücken dieser Welt indem sie es zur Nachricht machen.
Die Idee, Morgen die Nachrichten von Heute auf Papier zu drucken finde ich, angesichts des Internet, absurd.
TheEconomicScribbler says
Du musst vorsichtig sein, denn dieses Argument kann schnell nach hinten losgehen. Ich sehe es schon vor mir: wenn irgendwann öffentlich beklagt wird, dass die Verlage immer weniger ins Netz stellen, werden Keese und Co. rufen, dass das wegen fehlendem Leistungsschutzrecht passiert.
Marcel Weiss says
Ich bezweifle, dass sie für die wenigen Zusatzeinnahmen durch das Leistungsschutzrecht anfangen würden, alles vom Print online zu stellen, sich also dazu verpflichten würden. Eher würden sie den Wunsch zum Leistungsschutzrecht wieder aufgeben. Das ist zumindest meine Vermutung.
TheEconomicScribbler says
Wenn das Leistungsschutzrecht so umgesetzt würde, wie die Verleger es sich wünschen (was ich nicht hoffe), reden wir nicht von „wenigen“ Einnahmen. So wie Döpfner sich das vorstellt sollen in Zukunft ISPs als gewerbliche Nutzer von Presseerzeugnissen gelten, und damit für jeden einzelnen Endkunden eine Lizenzgebühr zu entrichten haben. Da kämen sicher einige Milliarden zusammen. Aber wie gesagt, hoffentlich wird dieser Unsinn noch verhindert.