Jan Mönikes über den 3. Referentenentwurf des Presseleistungsschutzrechts, welcher am 29.9. im Kabinett besprochen wird:
Auch wenn sich das “entsprechend” eigentlich nur auf “Suchmaschinenbetreiber” beziehen soll, könnte der tatsächliche Geltungsbereich der Vorschrift damit aber in der Praxis wieder uferlos werden. Denn erfasst würde mit dieser Formulierung m.E. auch derjenige, der in anderer Weise als die eigentlichen Newsaggregatoren in irgend einer Weise automatisiert kostenlos verbreitete und frei zugängliche Inhalte auf seiner Seite verarbeitet, soweit diese wenigstens teilweise vom Leistungsschutzrecht umfasst sind. Erfasst würden also beispielsweise auch Zusammenstellungen von RSS-Feeds und Twittermeldungen, wenn der Blogbetreiber als “gewerblicher Anbieter” anzusehen ist. Das dürfte insbesondere alle Pressesprecher in Behörden, Unternehmen und Institutionen treffen, die dann auf die systematischen Verlinkung zu den ihr Thema betreffende Inhalte Dritter besser verzichten sollten, wenn es nicht in Form eines “ordentlichen Zitates” geschieht – was in sozialen Netzwerken aber eher die Ausnahme sein dürfte.
Die Bundesregierung scheint diesen Irrsinn unbeirrt in Gesetzesform gießen zu wollen. Bezeichnend auch, dass nach dem letzten Entwurf (ausschließlich) die Beschwerden der Presseverlage und ihres Verbandes Früchte getragen haben und nun wieder nicht mehr nur Suchmaschinen (sprich Google) betroffen sind.
irights.info hat den Entwurf komplett im Volltext bereit gestellt und merkt an:
CDU/CSU und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf den Weg zu bringen. Welche gewerblichen Anbieter danach genau künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen sollen, ist ungeklärt.
Nicht nur das. Es ist auch unklar, wie ein Presseverlag genau definiert ist und damit letztlich auch was Verlagserzeugnisse sind.
Der seit Jahren stattfindende und an Fahrt aufnehmende Medienwandel zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Vielfalt an Organisationsformen, die eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen, zunimmt. Mit dem LSR wird Springer geschützt, nicht aber Google News oder Guttenplag. Das eine wird zur Kasse gebeten, dem anderen potentiell das Verlinken und Arbeiten erschwert. Und das sind nur die offensichtlichen Beispiele.
Verlage sind nicht ohne weiteres im Netz identifizierbar. Wie ich in der vorletzten Ausgabe von neunetzcast angemerkt hatte, bedeutet dieser Umstand, dass Suchmaschinen damit de facto nicht mehr in Deutschland agieren können. Zumindest nicht so, wie sie heute arbeiten. Denn wie soll eine Suchmaschine wissen, ob sich hinter Website XY ein Verlag verbirgt oder nicht?
Warum kommt mit diesem geplanten Gesetz also keine Kennzeichnungspflicht für Presseverlage, die immerhin nach dem LSR für das Verlinken und Aggregiertwerden bezahlt werden wollen, also eine Sonderposition im Web beanspruchen?
Die Antwort ist erschütternd: Weil sich die Initiatoren vom Springer-Konzern bis VDZ und die Verantwortlichen in der Regierung der Tragweite entweder nicht bewusst sind oder die kommenden immensen Kollateralschäden schlicht ignorieren oder bewusst in Kauf nehmen.
Ein anderes Fazit kann nach der jahrelangen Debatte unter Experten, die spurlos am 3. Entwurf vorbeigegangen zu sein scheint, nicht gezogen werden.
Update/Anmerkung: Das einzige, das nicht spurlos am LSR vorbeigegangen ist, war der Aufschrei des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der verhinderte, dass das Aufrufen von deutschen Medienseiten am Arbeitsplatz kostenpflichtig wird.
Matthias Schwenk says
Unsere Politiker sehen das als statisch gegebene Situation, auf die man mit konventionellen Mitteln (Gesetze, Verordnungen) reagieren kann. Die Dynamik des Medienwandels erkennen sie nicht, was von den Verlags-Lobbyisten voll ausgenutzt wird.