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Adobes Instagram
Adobe hat bekannt gegeben, dass sie das Onlinedesigntool Figma übernehmen wollen für 20 Milliarden $. (Abgeschlossen 2023, vorausgesetzt die Regulierungsbehörden geben ihr OK.)
Design and prototyping, for individuals and teams, executed in a very streamlined and modern, cloud-based environment, are Figma’s product strengths, and it’s amassed some 4 million users to date. Adobe meanwhile has been building and acquiring a number of businesses in the wider world of digital creation, and that has taken it not just into the larger and more general reaches of design but also marketing and other areas adjacent to design in the longer creation chain. Adobe’s DNA is in design, though, and it has built out iconic products in areas like imaging (such as Photoshop), fonts, illustration, video and 3D and more.
The idea now will be to create a seamless connection between these and Figma, essentially building it out as the native platform to bring them all together. Adobe, of course, already had something like this, in the form of AdobeXD. It’s not clear what happens with that when this deal closes.
Adobe über Figmas Markt:
It notes that Figma’s total addressable market is $16.5 billion by 2025, and that “the company is expected to add approximately $200 million in net new ARR this year, surpassing $400 million in total ARR exiting 2022, with best-in-class net dollar retention of greater than 150 percent. With gross margins of approximately 90 percent and positive operating cash flows, Figma has built an efficient, high-growth business,” it said.
Vor diesem Hintergrund klingen 20 Milliarden $ nach viel.
Mehr noch wenn man dazu die Bewertungen vermeintlich wertvollerer Unternehmen vergleicht Twitter:
For those saying they are disappointed that Figma sold for ~$20B vs waiting to go public. Public companies worth less than this:
– Box $3.8B
– Dropbox $8B
– Etsy $14B
– Twilio $14B
– Pinterest $16B
– Coinbase $17B
– Expedia $17B
– Snap: $19.4B
– Spotify $19.6BI say good choice.
Nicht nur ich denke bei der Übernahme an Facebook und Instagram.
Adobe sieht einen schleichenden aber steigenden Wandel in der Art und Weise, wie Leute den Job erfüllen, für den sie Adobeprodukte benutzen: Design und Prototyping.
Die 20 Milliarden sind nicht nur für das Geschäft von Figma. Sie sind auch für die Sicherung der Zukunft von Adobe.
Adobe kommt aus der „alten“ Softwarewelt. Figma hat ein neues Tool erfolgreich im Markt etabliert.
Hier ein Text vom August, den ich unter „lasst uns mal den Preis in den Verhandlungen etwas nach oben treiben“ verbuchen würde. CNBC:
- Tens of thousands of designers, developers, data scientists and marketers at Microsoft use Figma’s cloud-based design software.
- Figma competes with Adobe’s XD program and is causing tension in a longstanding relationship between the software company and Microsoft.
- Founded in 2012, Figma employs 800 people and is expected to generate over $400 million in annual recurring revenue this year.
Netzwerkeffekte in professioneller Software
Professionelle Software hat immer Netzwerkeffekte:
- Dateien werden geteilt,
- Prozesse, Fortbildungsangebote und Zertifizierungen entstehen im Sektor rund die Software,
- es gibt oft Drittanbieter-Plugins,
- und der Status Quo erreicht irgendwann ab einem gewissen Level „es wurde noch niemand gefeuert für Anschaffung von IBM“-Status
Kollaborative Tools, oder Multiplayerapps, haben zusätzlich direkt im Kern eingebaute Netzwerkeffekte.
Das sollte man nicht unterschätzen. Die klassischen Netzwerkeffekte am Rand verlangsamen den Wandel, aber halten ihn nicht auf.
Einmal Momentum, verschwindet das Wachstum nur noch selten.
Instagram war eine neue Interaktionsmöglichkeit auf dem Smartphone. Facebook konnte das theoretisch nachbauen. Aber die Gefahr, zu langsam, zu spät, zu schlecht zu sein, blieb hoch, und die Option, Instagram stattdessen zu übernehmen, war vergleichsweise günstig.
Statt also gegen die Welle anzukämpfen, einfach auf ihr reiten.
Für Adobe ist es ganz ähnlich. Sie können die kollaborativen Werkzeuge nicht ohne weiteres in ihre etablierten Produkte einbauen. (bzw. nur mit rudimentärer Funktionalität, die obenauf sitzt. Also Kollaborationsfunktionen, die komplett parallel laufen müssen.)
Es ist ein hoher Preis, aber immer noch die beste Option für Adobe. Die Alternative wäre, schleichend in die Irrelevanz abzurutschen. (Was wäre Facebook heute ohne Instagram und WhatsApp?)
Bei Figma wusste man das. Deshalb war ein Preis möglich, der doppelt so hoch wie die letzte Bewertung lag. Eine Adobe auferlegte Strategiesteuer im positiven Sinne, sozusagen.
Mulitplayerapps und Pfadabhängigkeiten
Warum klassische Software nicht einfach in den kollaborativen Multiplayermodus wechseln kann, hat sehr gut Amal Dorai auf Twitter herausgearbeitet. Dorai ist der Gründer von LiveLoop gewesen, das MS Office real-time-kollaborativ machen sollte und 2015 von Microsoft übernommen wurde.
Kurz: Klassische Software muss das Dateiformat, das Ökosystem (Plugins, etc.), ältere Versionen und Rückwärtskompatibilität und mehr mitdenken.
- Dateien können unter anderem offline bearbeitet werden, alles in den Programmen ist auf diese Arbeitsweise ausgelegt. Mehr noch, über Jahre werden besonders Platzhirsche komplex: “First is that a legacy file format like PSD has a multi-thousand page specification, with none of it designed around multi-user applications. You can’t replace the file format outright, because then older versions of Photoshop wouldn’t be able to access the new file format.“
- Dateien werden nur geändert, wenn sie vom Nutzer geöffnet wurden. Kollaborative Datenelemente liegen auf den Servern/Cloud des Anbieters und können jederzeit an unterschiedlichen Stellen von unterschiedlichen Nutzern geändert werden. Lokale Dateien sind damit unvereinbar.
- Aus diesen unterschiedlichen Ausgangslagen entstehen unterschiedliche Routinen und Ökosysteme: Wer dateibasierte Software einsetzt, hat sich dateizentrische Workflows angewöhnt: Email-Anhänge. Programme wie Photoshop haben Software-Plugins, die weitere Funktionen einbringen. Onlinetools wie Figma haben dagegen Zugriffsfreigaben und APIs für Integrationen nach innen und außen.
- Weil kollaborativ online bedeutet, müsste nicht nur die fundamentale Speichermetapher neu gedacht werden, sondern die komplette Softwarearchitektur, wöllte man komplett von Datei auf Mulitplayer wechseln: „Photoshop, Office, etc. aren’t built to be delivered over the Web. They’re multi-gigabyte applications with no clean separation between frontend and backend. Applications like Figma are architected to keep as much on the backend as possible to minimize the size of the Web app.“
- Hinzu kommt die gewachsene Komplexität dank Funktionen, die über die Jahre, zum Teil Jahrzehnte, in die Programme geflossen sind: „Specifically, in an application that has 100 types of document operation (add text, change color, bring to front, add comment, change transparency, etc.), there are 100*100=10,000 ways that those can happen simultaneously from two different users. A legacy app must define and implement those 10,000 cases to ensure the behavior tracks user expectations. For example, if I cut and paste a title to Page 2 while you’re editing its capitalization, we’d both expect it to remain in its new location with its new capitalization.“
Das Gleiche, nur online und kollaborativ ist also sehr viel schwerer als man sich das denkt.
Im Ergebnis heißt das, dass Adobe nur die Wahl blieb zwischen so etwas wie Figma selbst zu bauen und zwar separat nicht integriert, oder Figma zu übernehmen. Aufgrund des Erfolgs von Figma dürfte diese Entscheidung mit jedem Monat leichter gefallen sein.
Wie ich oben schon anmerkte, entstehen rund um professionelle Software kollaborative Workflows, die einfach aus dem Hinundherschicken von Dateien (oder der gemeinsamen Nutzung von Dropbox dafür) bestehen. Verglichen mit Multiplayerapps sind das natürlich Workarounds mit vielen Nachteilen.
Da die wenigsten Menschen allein arbeiten..:
Multiplayer collaboration is the future of all applications, and Figma is by far the richest multiplayer collaborative app. This will go down as one of the smartest software acquisitions of all time, and if there are regrets they will be only Microsoft’s, for not offering more.
Sehr lustig also, dass der Adobe-Kurs wegen des hohen Preises für Figma erstmal eingebrochen ist.
Strategie: 2 Stufen der Internalisierung externer Netzwerkeffekte bei SaaS
In neunetzcast 92 sprechen Markus Angermeier und ich über Adobe und Figma aus Sicht der Designerwelt und mehr:
Figma internalisiert Netzwerkeffekte rund um die professionelle Zusammenarbeit in diesem Markt: UI-Design ist kein Ein-Personen-Job im Vakuum.
Das ist die 1. Stufe der Internalisierung von Netzwerkeffekten bei SaaS: Kollaborationen, die bei Kartonbox-Software über das Hin- und Hersenden von Dateien funktioniert, werden bei kollaborativem SaaS direkt ins Produkt integriert. Das beste Beispiel, das jede:r kennt ist Google Docs (statt re:XY(final)(1).docx). Und eben Figma.
Faustregel: Alles, was an Kommunikation zur stattfindenden Arbeit außerhalb des Produkts stattfindet, intern und damit tendenziell besser nutzbar in’s Produkt selbst integrieren.
Im zweiten Schritt entstehen auf diesem Weg dann neue Produktarten. Google Docs hat es -auch das ein Corporate-Nachteil bei Google- nicht geschafft, mehr zu werden als „MS Office, aber immer online und kollaborativ“. Im Gegensatz dazu hat Airtable das Prinzip ‚Excel aber für die heutige Zeit‘ konsequent weitergedacht und ein nicht mehr mit dem ‚Vorbild‘ vergleichbares Produkt erzeugt.
Im Podcast mit Markus habe ich etwas sehr Interessantes über Figma gelernt, das ich zu meiner Schande vorher nicht wusste. Figma hat ein Community-Tab im Produkt, über das Nutzer:innen eigene Inhalte anderen Nutzer:innen zur Verfügung stellen können.
Das ist die 2. Stufe der Internalisierung von Netzwerkeffekten bei SaaS: Das Expertenwissen von Powerusern leichter teilbar machen. Ich hatte in Nexus 123 geschrieben, dass zu den Netzwerkeffekten von professioneller Software auch ein Ökosystem gehört, das etwa Weiterbildung in der Nutzung umfasst. Besonders komplexe Softwareprodukte im B2B-Bereich brauchen das, um erfolgreich sein zu können.
Das fällt beides unter Wissensvermittlung: Nutzung des Produkts (Weiterbildungskurse) und Wissen &Werkzeuge zur Arbeit selbst (Templates etc.), die auf das Produkt aufsetzen.
Den Austausch unter Professionellen zur Arbeit im Produkt direkt in Form von Community-Aspekten ins Produkt zu holen, ist eine Internalisierung externer Effekte.
Die 1. Stufe ist im Arbeitsalltag organisatorisch betrachtet intern: Bessere Zusammenarbeit mit Leuten, mit denen man gerade gemeinsam an etwas arbeitet.
Die 2. Stufe ist im Arbeitsalltag organisatorisch betrachtet extern: Besserer Wissensaustausch unter Profis.
Fast jedes SaaS-Angebot, das in den letzten 5 Jahren gestartet ist, hat einen mal mehr mal weniger funktionsreichen Ort für den Austausch von Templates und ähnlichem (siehe beispielsweise Coda, Airtable und Notion).
Hier spielt übrigens auch der Freemium-Aspekt bei -aber nicht nur- SaaS hinein: Ein kostenloser Minimalaccount macht:
- das eigene Produkt bekannter (geringere Hürde),
- ist wichtig für den Kollaborationsaspekt (Leute kennen das Produkt bereits, können evtl. sogar kostenfrei zu einem kostenpflichtigen Account eines/r Kolleg:in hinzustoßen)
- und hebt den Netzwerkweffekt der Community-Seite erheblich.
Hier wird auch deutlich, warum die inhärenten Vorteile von Freemium nicht mit zeitlich beschränkten Free-Trials abgeholt werden können.
Dieser Text ist zuerst in Nexus 123: Adobe & Figma – Multiplayerapps & Pfadabhängigkeiten, TikTok Now, Instagram Reels, Amazon Logistics, Cruise Chips am 16.09.2022 erschienen. Die Ausführungen über die Internalisierung von Netzwerkeffekten erschien zuerst in Nexus 126: Corporate-Nachteil von Big Tech, Internalisierung externer Netzwerkeffekte bei SaaS, Dominostein MediaSaturn am 7.10.2022. Nexus ist das Mitgliederangebot von neunetz.com mit zusätzlichem Newsletter, exklusiven Podcasts und einem Discord-Forum. Mehr Informationen zum Mitglieder-Angebot hier.
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