24. Mai 2012 Lesezeit: 1 Min.

Anontune, das Napster des Streamings?

Anonymous, das Kollektiv anonymer Internetnutzer, das von Scientology über Visa bis Sony bereits sehr vielen großen Organisationen das Fürchten gelehrt hat, hat ein neues Ziel auserkoren: Musikstreaming.

Statt Angriff auf die bestehenden Dienste will Anonymous mit einer eigenen Entwicklung On-Demand-Streaming von Musik revolutionieren. Warum? Weil die Streamingwelt dank notwendiger Lizenzen fragmentiert ist. Anonymous will das mit Anontune ändern. Anontune ist eine Streamingplattform, die an das Konzept des Desktopplayers Tomahawk erinnert. Die Freeware Tomahawk scannt die lokale Bibliothek und erlaubt das Erstellen von Playlists aus lokalen Titeln, SoundCloud, Spotify, YouTube und anderen Diensten.

Anonymous setzt dagegen auf eine Webapp, die allein im Browser läuft. Anontune greift auf andere Webdienste wie YouTube und SoundCloud zu, wo die Musik liegt. Anonyme Anontune-Nutzer können dann mit dieser Musik Playlists erstellen und teilen. Künftig sollen als Quellen sehr viele Webdienste von MySpace bis Bandcamp hinzukommen.

Die Pläne für AnonTune sind hochgesteckt: Wenn das Konzept aufgeht, sollen Ansätze wie Pandoras Music Genome Project mit Dingen wie einer Sentimentanalyse von Musik auf das nächste Level gehoben werden. Es ist offensichtlich, dass hier ambitionierte Hacker am Werk sind.

Wo liegt das Problem bei Anontune? Die EFF-Anwältin Corynne McSherry drückt es gegenüber Wired so aus: Rechteinhaber werden sehr nervös werden, wenn Anontune erfolgreich sein sollte. Denn mit Anontune lassen sich keine Deals abschliessen. Auch ohne Kampfrethorik: Ein erfolgreiches Anontune könnte den Kontrollverlust der Labels noch beschleunigen. Diese können gar nichts dagegen machen: Die Tatsache, dass sie gesondert mit Spotify, Rdio oder Simfy verhandeln, führt zu einer für Musikkonsumenten verwirrenden Fragmentierung der Musikstreamingwelt. Diese Fragmentierung schreit dann förmlich nach einer Vereinheitlichung, wie sie Anontune anstrebt.

AnonTune ist noch in Entwicklung. Das Interface ist nicht hübsch und die Features nicht reichlich. Aber das kann und wird sich ändern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in den nächsten Jahren noch viel von Anontune hören werden, das das Napster des Streamingzeitalters werden könnte.

Dieser Text ist im Musikmarkt erschienen. Weitere Musikmarkt-Texte findet man hier.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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