Der Bundestag hat heute das Leistungsschutzrecht für Presseverlage (LSR) beschlossen, obwohl es von praktisch allen Wirtschaftsverbänden (bis hin zu so abwegigen Verbänden wie dem DJV und dem Pressesprecherverband) und Urheberrechtsexperten abgelehnt wird.
Im Parlameter des ZDF kann man sich die Abstimmungsverteilung anschauen. Die Zahlen findet man auch bei Abgeordnetenwatch.
Zugestimmt haben insgesamt 293 Abgeordnete. Dagegen gestimmt haben 243 Abgeordnete.
Schauen wir uns die Zahlen der Opposition via Abgeordnetenwatch an:
SPD
dagegen gestimmt
82,19 % / 120 Stimmen
enthalten
0,68 % / Eine Stimme
nicht beteiligt
17,12 % / 25 Stimmen
DIE LINKE
dagegen gestimmt
78,67 % / 59 Stimmen
nicht beteiligt
21,33 % / 16 Stimmen
GRÜNE
dagegen gestimmt
83,82 % / 57 Stimmen
nicht beteiligt
16,18 % / 11 Stimmen
Nicht beteiligt an der Abstimmung, also nicht anwesend, waren 25 Abgeordnete von der SPD, 16 von der Linken und 11 von den Grünen. Das sind insgesamt 52 Abgeordnete aus der Opposition, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben.
Wären alle diese Abgeordneten aus der Opposition anwesend gewesen und hätten sie gegen das LSR gestimmt, hätte es 295 Gegenstimmen bei 293 Stimmen für das Gesetz gegeben. Das LSR wäre gekippt.
Wären die Oppositionsparteien wirklich so vehement und einhellig gegen das LSR gewesen, wäre die Anwesenheit bei allen Parteien nahe der 100 Prozent gewesen.
Das zeigt nun also deutlich, das die Opposition nicht vollzählig gegen das LSR war. Wer eigentlich für das Gesetz gestimmt hätte, aber dank namentlicher Abstimmung und der Ablehnung im Netz und der Öffentlichkeit sich keiner Kritik aussetzen wollte, blieb einfach fern.
Man sollte sich also von der Abstimmung nicht täuschen lassen. Und man sollte gerade der größten Oppositionspartei SPD etwa nicht abnehmen, dass sie gegen das Presseleistungschutzrecht bisher alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte.
Insgesamt also ein enttäuschendes Verhalten der Opposition bei einem so unsinnigen Gesetz.
Update: Wolfgang Michal ist die Abwesenheit in der Opposition auch aufgefallen und er schreibt auf Carta dazu:
Es haben auch nicht irgendwelche Abgeordneten „geschwänzt“, es waren die Spitzenleute der Oppositionsparteien. Von der SPD haben sich nicht beteiligt: Sigmar Gabriel, Andrea Nahles, Gernot Erler, Wolfgang Thierse, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Barbara Hendricks. Bei den Grünen fehlte das Spitzen-Trio Jürgen Trittin, Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt. Bei den Linken fehlten Sahra Wagenknecht, Ulrich Maurer, Stefan Liebich und Katja Kipping. Es fehlten sozusagen die Parteivorsitzenden. Also jene Wahlkämpfer, die eine gute (Springer-)Presse brauchen. Könnte man denken. Aber ein solcher Gedanke wäre viel zu simpel. Zu verschwörungstheoretisch! Obwohl es eine “Verschwörung” ganz offensichtlich gegeben hat. Sagen wir: eine kleine Verabredung.Die Opposition wollte sich den kommenden großen Auftritt im Bundesrat nicht nehmen lassen und das ungeliebte Gesetz schon jetzt vom Herd nehmen.
Das halte ich für eine gewagte Theorie und sollte sie stimmen für ein gewagt-dummes Verhalten. Interessant ist es aber allemal, dass ausgerechnet die Spitzenpolitiker wegbleiben. Ob das Netz als Spielball oder Angst vor Axel Springer als Grund: Es ist eine klare Absage an die Bedeutung des Netzes bei den Spitzenpolitikern der Opposition. Das dürfte für viele, die sich mit diesen Themen beschäftigen, ein klares Zeichen dafür sein, eine gewisse junge Partei im Herbst zu wählen, die noch nicht im Bundestag ist.
/Update
2. Update:
Die Gründe scheinen wohl eine Mischung aus Pairing (siehe Kommentare) und anderem gewesen zu sein. Die Spitzenpolitiker der Grünen etwa zogen es vor, ihr Programm für die Bundestagswahl vorzustellen.
/2. Update
Als nächstes geht das LSR in den Bundesrat und kann dort mit einem Einspruch noch aufgehalten werden. Obwohl dort CDU/CSU nicht mehr die Mehrheit hat, sollte man die Hoffnung nicht zu hoch setzen.