8. Juni 2010 Lesezeit: 3 Min.

Deutsche Verlage: Facebook schickt uns Traffic? Dafür soll es zahlen!

Das ging schnell:

Vor ein paar Wochen schrieb ich Folgendes auf Twitter:

verleger-facebook

Und bereits jetzt berichtet die Financial Times Deutschland, dass  deutsche Presseverlage an den Einnahmen von Facebook beteiligt werden wollen. Bereits im Lead des Textes steck alles drin:

Nach Google wird Facebook die nächste große Gefahr aus dem Internet. Davon sind die deutschen Verleger überzeugt. Derzeit überhäufen sie die Website mit ihren Inhalten - um künftig an deren Werbeerlösen zu partizipieren.

Ein Dienst, der (unter anderem) das Verbreiten von Nachrichten verbessert, wird zur Gefahr. Warum? Weil das Geschäftsmodell der Presseverlage nur mäßig kompatibel mit der Trennung von Produktion und Distribution ihrer Inhalte ist. Klassischer Fall von "Institutionen werden versuchen, die Probleme zu erhalten, für die sie die Lösung sind.": Eine noch bessere Lösung des Problems, Nachrichten effizient zu verbreiten, wird zur Gefahr erklärt. Notfalls will man mit abkassieren, bei dieser neuen Gefahr.

Die Verlage entscheiden sich freiwillig dafür, ihre Inhalte (bzw. die über die RSS-Feeds verfügbaren Teaser) auf Facebook einlaufen zu lassen und wollen dafür Geld von Facebook.

In der FTD steht weiter:

"Facebook wird für die Verlage in den kommenden zwei Jahren eine ähnliche Bedeutung erlangen wie Google", sagte Alexander von Reibnitz, Geschäftsführer Digitale Medien beim Verlegerverband VDZ, der FTD. Einer aktuellen Studie des Verbands zufolge rechnen die Verlagshäuser damit, dass bis Ende 2012 rund zehn Prozent der Werbeerlöse im Printgeschäft an Facebook abwandern werden - bei lokaler Werbung sogar ein fast doppelt so großer Anteil.

Ähnlich schwierige Verhandlungen mit Facebook wie mit Google kämen auf die Verleger zu. Mir fehlen die Worte.

Das ist natürlich grotesk. Wenn es den Verlegern nicht passt, dass sie an Facebook nicht mitverdienen, dann sollen sie ihre Inhalte nicht auf Facebook einlaufen lassen.

Das völlige Fehlen von tatsächlicher Nutzung des Internetmarktes durch die deutschen Verlage wird nur noch getoppt von ihrer Arroganz. FTD:

Angesichts des rasanten Wachstums von Facebook bereiten sich die Verlage darauf vor, ihren Spielraum auch dort einzufordern. "Wir wollen die Regeln aktiv mitgestalten", sagte Christoph Schuh, Vorstandsmitglied der Burda-Digitaltochter Tomorrow Focus.

Man will aktiv überall im Netz, wo ein Unternehmen erfolgreich ist, automatisch mitbestimmen und an den Einnahmen beteiligt werden? Mir fehlen ernsthaft die Worte.

Es fällt zu diesem Zeitpunkt mittlerweile wirklich schwer, den VDZ und den Teil der Presseverlage, der dieses Ansinnen teilt, noch ernst zu nehmen.

Einige andere Meinungen:

Leander Wattig:

Man kann den Eindruck gewinnen, dass [die Presseverlage] sämtliche Zeitfonds darauf verwenden zu überlegen, welche der neuen und erfolgreichen Marktakteure sie mit ihrer Anspruchshaltung konfrontieren und von wem sie mal wieder Geld bzw. einen “fairen Anteil” fordern könnten.

Thomas Knüwer:

Die Verlage also nutzen Facebook, um Leser auf ihre Seiten zu ziehen. Und dafür wollen sie nun Geld haben.

Absurd ist eine höfliche Formulierung für solch ein Ansinnen.

Holger Schmidt:

Da aber niemand die Verlage zwingt, ihre Inhalte auf Fanseiten auf Facebook einzustellen oder den "Like" Button auf ihren Seiten einzubauen, erscheint das Vorhaben doch sehr ambitioniert.

kress:

Der VDZ hat schon Recht, wenn er die Gleichung aufmacht: Mehr Content in Facebook = Höhere Attraktivität = Mehr Werbeerlöse. Dennoch - das Vorgehen erinnert an einen Budenbesitzer, der sich ungefragt auf einen gut besuchten Marktplatz stellt und vom Marktbetreiber dafür bezahlt werden möchte, dass er seine Waren feilbietet.

Als nächstes dürfte das in diesen Tagen Werbung auf der eigenen Plattform einführende Twitter auf dem Plan stehen. kress:

Warum ist Twitter kein Thema? Weil Twitter bisher kein Geld mit Werbung verdient. Bzw: Nur indirekt Geld mit Werbung verdient, denn die Twitter-Feeds sind über Suchmaschinen wie Bing und Google lesbar und werden dann dort monetarisiert. An diesen Umsätzen ist Twitter beteiligt. Dieses Kooperationsverhältnis zu thematisieren, war vermutlich nicht plakativ genug für die Studie und ihre Auftraggeber.

Man sollte sich keine Illusionen machen. Mit dem geplanten Leistungsschutzrecht wollen die deutschen Verlage auch solche Fälle abdecken: Geld von Facebook, Twitter und co. ..

Zu Ignoranz und Arroganz gesellt sich Größenwahn.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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