13. Nov. 2011 Lesezeit: 1 Min.

Deutschland, das ewige Internet-Entwicklungsland

Sebastian Matthes im Wirtschaftswoche-Blog ungedrucktüber die verhältnismäßig langsame Verteilung der Nutzung von Webdiensten in Deutschland:

Bei Blogs sieht die Sache übrigens ähnlich aus: In den USA sind sie beispielsweise unter Top-Ökonomen längst ein Instrument, um sich über neueste Gedanken und Studien auszutauschen. In Deutschland gibt es allenfalls zaghafte Ansätze.

Es dauert in Deutschland einfach wahnsinnig lange, bis sich Instrumente wie Twitter, Facebook & Co. durchsetzen, auch deshalb, weil wir ersteinmal jahrelang über die Risiken diskutieren müssen. Das kostet Zeit, Zeit, die andere produktiv nutzen.


Es ist ein Teufelskreis: Ohne die Nutzung von Menschen, die bereits eine Autorität mitbringen, sei es als Entertainmentstar oder als Experte in Ökonomie oder anderen Feldern, kann sich die Sichtweise auf Webdienste nicht ändern: Wenn Schauspieler in Interviews im TV erzählen können, wie toll Twitter ist, oder wenn das ein Politiker von Rang macht, dann hat das Auswirkungen auf die Wahrnehmung auf diese Webdienste. Ohne diese veränderte Wahrnehmung probieren aber viele hierzulande diese Dienste erst gar nicht aus; und urteilen von außen, was nicht sinnvoll ist. Da muss dann erst eine Partei in Landesparlamente einziehen, die sich vor allem mit Internet-Themen profiliert, bis sich mehr ändert.

Wir leben in einer Zeit, in der sich Neuland vor uns auftut. Eine Zeit, in der Experimentierfreudigkeit gefragt ist.

Wir sind eine Gesellschaft, die sich vor allem durch Furcht auszeichnet.

Unser Zwang als Gesellschaft praktisch immer zuvorderst und oft ausschließlich über die Risiken und Gefahren zu sprechen, und die immensen Vorteile in einem schulterzuckenden Nebensatz abzuhandeln, hält uns immer weiter zurück.

Der unvermeidlich langsam eintretende relative Bedeutungsverlust des Westens in der Weltgesellschaft, der aktuell durch die Finanz-/Eurokrise stark beschleunigt wird, wird zum Beispiel in den USA zumindest dadurch abgeschwächt, dass dort mit den aktuell entstehenden Internet-Plattformen die kommerzielle Infrastruktur für die Industrien von morgen entstehen. Die wirtschaftliche Bedeutung dessen kann man nicht überschätzen.

Wir haben in Deutschland nichts dergleichen.

Dafür haben wir in Deutschland Datenschützer, Google-Hass und Facebook-Abscheu.

Deshalb: Schaut mehr auf die Chancen, setzt die Risiken in Nebensätze. Traut euch was. Für die Kinder.

Marcel Weiß
Unabhängiger Analyst, Publizist & Speaker ~ freier Autor bei FAZ, Podcaster auf neunetz.fm, Co-Host des Onlinehandels-Podcasts Exchanges
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